Neue Plattform: 24-Stunden-Pflege im Check

Der Bedarf an Pflege daheim nimmt zu.
"miazorgo.com" sammelt Bewertungen über eine wenig transparente Branche und will so zwischen seriösen Agenturen und Betroffenen vermitteln.
Von Uwe Mauch

24-Stunden-Betreuer, die es nicht gelernt haben, einen Menschen in einen Rollstuhl umzusetzen. Und andere, die aufgrund ihrer Ausbildung rund um die Uhr alles im Griff haben. Agenturen, die viel Geld von ihren Kunden verlangen, aber zu keiner Zeit erreichbar, geschweige denn hilfreich sind. Und andere, die ihren Preis haben, dafür aber auch als echte Vermittler agieren.

Lange, sehr lange könnte Petra Grell-Kunzinger über ihre Erfahrungen mit einer Branche berichten, die jedes Jahr bis zu 800 Millionen Euro in Österreich umsetzt, aber ihrer Kundschaft nur wenig Transparenz erlaubt.

Neue Plattform: 24-Stunden-Pflege im Check

Petra Grell-Kunzinger will mit ihrem Service Brücken bauen.

„Meine Schwiegermutter hat nach einem zweiten Schlaganfall häusliche Betreuung rund um die Uhr benötigt“, erzählt die studierte Mathematikerin. Weil sie und ihr Mann berufstätig sind, bezahlt die Familie seit sieben Jahren für eine lückenlose Betreuung: rund um die Uhr, sieben Tage die Woche, 365 Tage pro Jahr.

Eine alte Katastrophe

Sieben Jahre sind eine lange Zeitspanne, um Expertise in einem Bereich des Lebens zu sammeln, mit dem sich zwangsläufig nur die, die selbst oder als Angehörige betroffen sind, konfrontieren wollen bzw. müssen.

„Speziell am Anfang ist es eine Katastrophe“, berichtet Petra Grell-Kunzinger. 24-Stunden-Betreuung? Pflegestufe? Pflegegeld? Rund 800 Agenturen mit teils unübersichtlichen Angeboten? Auch ihr Mann und sie tappen da heute noch in manche Falle.

Zudem fiel der in Wien lebenden Managerin auf: „Anders als die Agenturen und die rund 80.000 Betreuer sind jene, die für eine Dienstleistung in diesem Bereich bezahlen müssen, nicht miteinander vernetzt.“

Zwar haben Wirtschaftskammer und Sozialministerium vor zwei Jahren ein Qualitätszertifikat für die Agenturen eingeführt. „Aber das ist nicht sehr aussagekräftig“, betont die Angehörige. „Es haben sich bis dato noch nicht einmal 35 Agenturen zertifizieren lassen.“

Und auch beim Verein für Konsumenteninformation wollte man sich das weite Feld der 24-Stunden-Betreuung mit zeitweisen Wild-West-Methoden erst zwei Mal innerhalb von zehn Jahren etwas genauer ansehen.

Eine neue Plattform

Ein weiterer wenig erfreulicher Zwischenfall mit einer Agentur war der berühmte Tropfen zu viel. Deshalb beschloss Petra Grell-Kunzinger spontan, mit zwei Mitstreitern eine Plattform für Menschen zu gründen, die – ähnlich wie sie – eine verlässliche Agentur suchen. Seit wenigen Tagen können diese auf miazorgo.com ihre Erfahrungen mit den von ihnen in Anspruch genommen Anbietern für andere Familien öffentlich machen.

Wichtig ist der Gründerin folgender Hinweis: „Wir wollen weder die Betreuer denunzieren noch eine Option für Hassposter bieten.“ Deshalb kann man auch nur die Agenturen, nicht aber einzelne Pflegekräfte beurteilen.

Wenig attraktiv für alle Schlechtmacher: „Wir sind in erster Linie interessiert an ehrlichen Berichten. Weil wir ja alle Hände ringend nach guten Betreuern suchen, damit unsere Liebsten in Würde zu Hause leben können.“

Ein großes Anliegen

Dazu gehören auch Tipps aus der Praxis, wie Petra Grell-Kunzinger betont. „Wir lernen ständig dazu. Es ist zum Beispiel hilfreich, wenn man weiß, dass es für absolute Notsituationen eigene Pflege-Notdienste gibt.“

Noch ist miazorgo.com ein großes Anliegen, in das sie Hunderte Stunden ihrer Freizeit sowie Startkapital investiert hat. Ein Geschäftsmodell ist es noch nicht. Doch in Anbetracht des immer größer werdenden Betreuungsmarkts, der Anzahl involvierter Personen und des noch immer nicht transparenten Agenturangebots hat ihre private Plattform das Potenzial, auf lange Sicht Einkommen zu lukrieren.

Solange die eingespeisten Berichte einigermaßen fair bleiben, könnte die neue Initiative die wichtigsten Fragen für einen bisher so gut wie nicht organisierten Kundenkreis beantworten und bündeln. Die ersten einlangenden Berichte geben diesbezüglich Hoffnung. Dass die eine oder andere Agentur auch schon auf die Seite aufmerksam geworden ist, kann auf keinen Fall schaden.

80.000 Betreuer: In Österreich sind rund 80.000 Personen in der 24-Stunden-Betreuung tätig. Die meisten kommen aus Rumänien und der Slowakei. Sie arbeiten nicht als Hausangestellte, sondern als selbstständige Unternehmer, müssen daher Kammerumlage in der Wirtschaftskammer zahlen.

800 Agenturen: Die 24-Stunden-Betreuer werden derzeit von rund 800 Agenturen vermittelt.

800 Millionen Euro: Geschätzt wird, dass die Branche 800 Millionen Euro pro Jahr umsetzt.

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