Die Gründe für den Personalmangel in der Pflege
Österreich rennt die Zeit davon. Während die Zahl der Pflegebedürftigen steigt, wird seit Jahren über den eklatanten Personalmangel im Pflegewesen diskutiert. Die Pandemie hat die Belastungen und Systemschwächen noch stärker sichtbar gemacht.
Es sind nicht nur pflegende Angehörige massiv unter Druck und überfordert, auch in der stationären und mobilen Pflege und Betreuung fehlt es an MitarbeiterInnen. Warum ist der Engpass so schwer zu lösen? Ein Rundruf unter Expertinnen:
Verschiedene Berechnungsmethoden
Den Personalbedarf auf der Makroebene ist laut Silvia Rosoli, Pflegeexpertin der Arbeiterkammer (AK) gut erfasst. Eine Studie der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) 2019 zeigte: rund 127.000 Menschen sind in der Pflege beschäftigt.
Rund ein Drittel von ihnen sind über 50 Jahre alt und werden innerhalb der nächsten neun Jahre in Pension gehen. Bis 2030 werden deswegen und aufgrund der steigenden Zahlen von Pflegebedürftigen 75.500 zusätzliche Vollzeit-Pflegekräfte gebraucht.
Die AK-Expertin weist aber darauf hin, dass für Personalplanung und- einsatz in Kranken- und Pflegehäusern eine verbindliche Berechnungsmethode fehle. „Diesen braucht es, um zu wissen wieviel Personal zum Einsatz kommen muss, um gute Pflege zu ermöglichen.“
Auch Petra Schmidt, Leiterin der Pflege und Betreuung beim Österreichischen Roten Kreuz sagt: „Es müssen evidenzbasiert Indikatoren ausfindig gemacht werden, anhand derer man messen kann, wie viel Personal, mit welchen Ausbildungen gebraucht wird.“ Die Tätigkeiten seien schwer vergleichbar, die mobile Pflege und Betreuung ist nicht dasselbe wie die stationäre Langzeitpflege.
Weniger AbsolventInnen
Der Ausbildungssektor wird es bereits ab 2024 nicht mehr schaffen, die nötigen Pflegefachkräfte bereitzustellen. Bis 2030 bräuchte es jährlich zwischen 1.200 bis 2.100 zusätzliche Absolventen. Doch der Trend in den vergangenen Jahren zeigt laut Elisabeth Rappold, Mitwirkende der GÖG-Studie einen Rückgang.
Spätestens im Jahr 2024 könne der Personalbedarf über die Ausbildungen nicht mehr gedeckt werden. „Berichte zeigen hohe Abbrecherquoten.“ Positiv werteten die Expertinnen die neuen Fachschulen für Sozialberufe und den Höheren Lehranstalten für Sozialbetreuung und Pflege.
Mit ihnen wurde eine lang diskutierte Lücke geschlossen. Bisher musste nach Ende der Pflichtschule bis zum 17. Lebensjahr gewartet werden für eine Ausbildung im Pflegewesen.
Finanzielle Unterstützung
Der Zugang zu Pflegeberufen müsse laut Rappold auch durch eine größere Durchlässigkeit der Ausbildungsformen, sowie durch finanzielle Anreize erleichtert werden.
Gerade für jene, die sich erst später für einen Quereinstieg in die Pflege entscheiden würden, sei das wichtig. Wegfallende Ausbildungskosten, breitere Förderungen bzw. Stipendien würden eine Umqualifizierung attraktiver machen.
Schmidt meint dazu: „Je einfacher der Zugang zur Ausbildung ist, desto mehr neue Pflegekräfte kommen nach und desto besser werden alle entlastet.“
Hoher Arbeitsdruck
Der Mangel ist nicht nur an undurchlässigen Ausbildungszweigen oder fehlenden Absolventen festzumachen, sondern auch an den Arbeitsbedingungen. Eine Umfrage der AK zufolge sind PflegerInnen grundsätzlich zufrieden mit ihrer Berufswahl.
Nur sind die hohen Selbstansprüche im Umgang mit Älteren und Kranken oft unvereinbar mit den Rahmenbedingungen. „Knackpunkt ist die mangelnde Dienstplansicherheit wegen zu wenig Personal, was zu hohen psychischen und physischen Belastungen führt“, sagt AK-Expertin Rosoli. Vieles würde mit mehr Personal entschärft. „Aber hier beißt sich die Katze in den Schwanz.“
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