Mächtig wie nie: Die turbulente Welt von Anna Wintour
Sie will es noch einmal wissen: War es in den vergangenen Jahren etwas still um Anna Wintour geworden, hagelt es für die Chefredakteurin der amerikanischen Vogue nun wieder eine Schlagzeile nach der anderen. Nach viel Kritik um rassistische Aktionen und Lob für Covershootings mit Harry Styles und Übergrößenmodel Paloma Elsesser gibt’s derzeit großen Wirbel um das Titelbild der designierten US-Vizepräsidentin Kamala Harris.
Und was macht Wintour? Sie hält sich grundsätzlich an das Motto der britischen Royals: „Nie beschweren, nie erklären“. Ein kurzes Statement hat sie zwar abgegeben, am liebsten aber schweigt sich die mächtige Modechefin zu jeglichen Themen aber aus.
Schon als Meryl Streep sie in dem Film „Der Teufel trägt Prada“ 2006 als eiskalte und luxusverwöhnte Chefin der Modebibel verkörpert, dementiert die gebürtige Engländerin keine der Episoden.
Auch zu der kürzlich bekannt gewordenen Scheidung von Unternehmer Shelby Bryan nach 20 Jahren Ehe sagt sie kein Wort, ebenso wenig wie zu dem kolportierten neuen Gspusi – dem britischen Schauspieler Bill Nighy. Genug Gerede gibt es aber auch ohne ihr Zutun.
Scheidung nach leidenschaftlichen Jahren
Erst im Oktober wurde das Ende der Beziehung zu dem millionenschweren Texaner Bryan offiziell. Einst hatte sie als skandalumwitterte Affäre begonnen, in New York galt die Liaison im Jahr 1999 als das Getuschel der High Society.
Der erfolgreiche Jurist, mit einem Vermögen von 200 Millionen Dollar, verließ wegen Wintour Frau und Kinder. Und auch Anna servierte ihren Ehemann, den Kinderpsychologen David Shaffer ab, nachdem der durch Nachrichten auf ihrem Anrufbeantworter Wind von der Liebschaft bekommen hatte.
Zwei absolute Machtmenschen fanden zusammen und ließen ihre Partner dafür sitzen. Mit provokanten Zungenküssen präsentierte sich das neue Paar dann prompt auf den elitärsten Partys des Big Apple, im Jahr 2004 wurde geheiratet. Während Bryan sie anfangs immer wieder auf Mode-Events begleitete, wurden die beiden seit 2018 nicht mehr zusammen gesichtet. Die große Leidenschaft der frühen Jahre dürfte schon länger verflogen sein. Stattdessen lässt sich Wintour nun vermehrt mit Landsmann Bill Nighy blicken (Titelbild).
Schon vor der Scheidung hatte es im Februar Gerüchte gegeben, wonach Nighy sie nicht nur auf Modeschauen begleitete, sondern sie sich auch privat gerne treffen. „Sie strahlte über beide Ohren“, so Augenzeugen, die das Paar in einem Café in New York sichteten. Outfittechnisch passt der britische Schauspieler („Tatsächlich Liebe“) mit dem Faible für maßgeschneiderte Anzüge jedenfalls ausgezeichnet zur unterkühlten Modeinstanz, die in seiner Umgebung aufzutauen scheint.
Der lockere Dandy ist einer der wenigen Männer, mit denen Wintour gemeinsam in der Front Row Platz nimmt.
Umgibt sich gerne mit Promis
Ansonsten umgibt sie sich bei öffentlichen Anlässen lieber mit potenziellen Coverstars für die Vogue, oder ihren Promi-Liebkindern wie Blake Lively und Beyoncé, die sie schon mehrmals auf die Titelseite hievte.
Richtige Freundschaften sind bei der ehrgeizigen Journalistin, deren Vater Charles Wintour einst den London Evening Standard leitete, aber rar gesät. Anna umgebe sich nur mit großen Namen und sei dabei äußerst berechnend, unken Insider. „Sie ist gegen alle Menschen immun, die keine Macht haben oder nicht berühmt sind“, so ihr Ex-Mitarbeiter André Leon Talley.
Nur wenige Freunde
Langjährige Kumpaninnen sind zumindest Modedesignerin Diane von Fürstenberg und Sarah Jessica Parker. Mit der „Sex and the City“-Darstellerin organisiert sie immer wieder exklusive Spendenabende für die Demokraten im Stadthaus von Parker.
Die einzige wirkliche Vertraute der mächtigen Chefredakteurin ist jedoch ihre Tochter Bee. Nur von ihr nimmt sie Kritik an, nur vor ihr legt sie ihre Gefühle offen. Kein Wunder also, dass Wintour jahrelang (und äußerst ungeniert) versucht hat, Bee auch als ihre berufliche Nachfolgerin zu installieren. Allerdings dürfte Fräulein Tochter dem Vernehmen nach ungleich weniger Biss haben als ihre gefürchtete Mutter.
Tochter einzige Vertraute
Die 33-Jährige ist derzeit Produzentin von TV-Shows und Theaterstücken. „Mode interessiert mich nicht allzu sehr“, gab sie vor einigen Jahren unumwunden zu. Dennoch wurde sie von ihrer Mutter schon im Alter von 17 Jahren als Moderedakteurin für die Teen Vogue rekrutiert.
Die junge Version der Modebibel blieb jedoch hinter den Erwartungen zurück und wurde 2017 in gedruckter Form eingestellt. Dabei war das Teenie-Format Anfang der Nullerjahre die Idee von Wintour höchstpersönlich gewesen, so wie auch die Männerausgabe der Vogue. Beide Konzepte scheiterten kläglich – wie einige andere Projekte von Anna, die ebenfalls gewaltig in die Binsen gingen.
Misserfolge – kein Wunderkind
Für jeden Schritt nach vorne musste die Journalistin auch immer wieder zwei Schritte zurückgehen. Ein Wunderwuzzi ist die Engländerin nicht, aber extrem hartnäckig, ehrgeizig – und eiskalt.
Als sie 1985 die Chefredakteurin der britischen Vogue wurde, feuerte sie beinahe die gesamte Belegschaft. Eine Aktion, die ihr den Namen „Nuclear Wintour“ einbrachte und auf den sie bis heute allergisch reagiert. „Jeder sollte einmal gefeuert werden“, erklärte sie in einem Interview lächelnd.
Sie selbst wurde einst nach nur neun Monaten bei Harper’s Bazaar als Redakteurin gekündigt. „Ein sehr lehrreiches Ereignis“, wie sie heute meint.
Auch als sie 1988 zur Chefin der US-Vogue aufstieg und das Schwesternmagazin House and Garden modernisieren wollte, ging der Schuss nach hinten los. Abos wurden gekündigt, die Werbekunden weniger.
Doch Wintour machte weiter und behielt ihren Job. Ein Insider dazu: „Anna hat ihr Ziel stets klar vor Augen, geradezu einen Tunnelblick. Sie ist sich immer absolut sicher, dass sie alles erreichen kann – und das ist dann oft eine sich selbsterfüllende Prophezeiung.“
Nach Kritik kommt der Aufstieg
Ja, selbst nach dem wohl größten Shitstorm ihrer beruflichen Karriere steigt der Teufel in Prada zunächst wie der Phoenix aus der Asche empor. Achtzehn Mitarbeiter warfen ihr Anfang 2020 Rassismus vor.
Erstmals trat sie die Flucht nach vorne an, und die sonst so verschwiegene Herrscherin entschuldigte sich in einem Brief für ihre Aktionen. Statt sich jedoch danach in den Ruhestand zu verabschieden, wurde nun bekannt, dass Anna Wintour nicht nur die Chefin der US-Vogue bleibt, sie wurde von Condé Nast gar befördert und ist nun auch inhaltliche Leiterin aller Magazine weltweit – vom New Yorker bis zum GQ Magazin.
Zwanghaft modern
Mit der Vogue bemüht sie sich zudem plakativ um Modernität und Diversität. Gerade prangt die designierte US-Vizepräsidentin Kamala Harris in Converse am Cover. Das Bild sorgt für hitzige Diskussionen: Rassistisch, weil Harris’ Haut aufgehellt wurde, zu wenig modisch, schlecht fotografiert oder erfrischend bodenständig und typisch für Fotograf Tyler Mitchell?
In jedem Fall bringt das Titelfoto Aufmerksamkeit – und das ist bekanntlich die wichtigste Währung der Medienwelt. Wintours wilde Siebziger starten mit neuer Liebe, Schlagzeilen und neuem Job also tatsächlich äußerst turbulent.
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