Dahinter stand ein sozialer Aspekt: Die Frau sollte nicht in die Küche verbannt werden. Die sozialen Zusammenhänge waren es, die Arbeit und Leben der Architektur-Pionierin ihr Leben lang leiteten. Ob im Wohnbau (u. a. in der Werkbund-Siedlung, dem Winarskyhof und dem Otto-Haas-Hof) oder in der Gestaltung von pädagogischen Einrichtungen.
Margarete Schütte-Lihotzky, geboren am 23. Jänner 1897 in Wien und gestorben am 18. Jänner 2000 ebendort, war die erste Architektin Österreichs, außerdem aktive Antifaschistin und Jahrhundertzeugin.
Geboren, als Österreich noch Monarchie ist, aufgewachsen in der Ersten Republik, studiert sie während des Ersten Weltkriegs und überlebt den Zweiten Weltkrieg nur knapp. In den 103 Jahren ihres Lebens ist ihr die soziale Frage ein ehrliches Anliegen, für das sie in Österreich, Deutschland und Russland architektonische Lösungen sucht und findet. Aus Opposition zu Hitler wird sie Kommunistin, ihr politisches Verantwortungsgefühl bringt sie zum Widerstand und als politische Gefangene ins Zuchthaus.
Als sie während des Kalten Kriegs auf der falschen Seite steht und in Wien fast keine Bauaufträge mehr bekommt, gibt sie ihr Wissen in Vorträgen weiter, arbeitet auf Kuba, in Ostberlin und China. Ganz wie sie es immer getan hat, reist sie den Aufträgen hinterher. Unbeirrbar und stets sachlich lässt sie sich nie vereinnahmen: „Die Leute glauben immer, ich bin eine Küchenarchitektin, so wie sie glauben, ich sei eine Frauenrechtlerin. Beides stimmt nicht. Ich bin eine alte Systematikerin und habe mich in meiner Arbeit immer nach den funktionellen Notwendigkeiten gerichtet.“
Mona Horncastle hat der Vorreiterin zum 20. Todestag eine Biografie gewidmet: „Margarete Schütte-Lihotzky. Architektin, Widerstandskämpferin, Aktivistin“ (Molden Verlag) beleuchtet nicht nur die verschiedenen beruflichen und privaten Facetten Schütte-Lihotkys, sondern zeigt vor allem, wie eng diese miteinander verbunden sind: Denn ihre berühmtesten Entwürfe entstanden aus der Überzeugung heraus, das Leben der Menschen verbessern zu wollen.
Margarete Schütte-Lihotzky („Schütte“ war der Name ihres späteren Ehemannes Wilhelm), wurde hineingeboren in ein von Gegensätzen geprägtes Wien: hier die prachtvolle Ringstraße mit ihren Palais, Cafés und Museen, dort, in den Vorstädten, bittere Armut und Wohnungsnot. Die soziale Frage drängte, die Stadt benötigte ein soziales Bauprogramm.
Ihr erster Architektur-Professor Oskar Strnad prägte sie nachhaltig: „Jede Form hat eine Funktion, die sich über den Inhalt definiert,“ lautete sein Credo. Möbel sollen praktisch, solide und günstig sein – moderne Gebrauchsgegenstände für alle. Ein Paradigmenwechsel in der nach wie vor vom Geist der Wiener Werkstätte geprägten Kreativszene, der der harten Realität von Hunger und Wohnungselend Rechnung trägt.
Margarete Schütte-Lihotzky wird zeitlebens ihre privilegierte Herkunft und ihre Ausbildung für das Gemeinwohl einsetzen: „Ich ging, ich sah und ich erfuhr von der unvorstellbaren Wohnungsnot der Wiener Arbeiter während des Ersten Weltkriegs (...) Über die Ursache ihres Elends war ich mir damals nicht im Klaren, doch wollte ich einen Beruf ergreifen, durch den ich zur Linderung dieser Not beitragen konnte.“
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