Kinderwunsch: Warum "Social Egg Freezing" in der Pandemie boomt
Eigentlich waren ihre Ersparnisse für einen Umzug nach New York vorgesehen. Dann kam Covid, und Bryn Woznicki, eine 33-jährige Single-Frau aus Los Angeles, beschloss, stattdessen in ihre Familienplanung zu investieren.
Sie ist eine von vielen Frauen zwischen 30 und 40, die im vergangenen Jahr ihre Eizellen einfrieren ließen, wie das Time-Magazin aktuell berichtet: Obwohl Fruchtbarkeitskliniken in den USA teilweise über Monate hinweg geschlossen waren, sei die Anzahl der Behandlungen seit Beginn der Pandemie im Vergleich zum Vorjahr deutlich, in manchen Zentren sogar um 50 Prozent, angestiegen.
„Corona bescherte den Menschen Zeit und Raum, um ihre Prioritäten und Lebensentwürfe neu auszurichten“, erklärt die Psychotherapeutin Sharon Covington den Trend zum pandemiebedingten „Social Egg Freezing“, dem vorsorglichen Einfrieren der Eizellen ohne medizinische Notwendigkeit (siehe unten). Viele alleinstehende Frauen nutzten die Lockdown-Verschnaufpause, um ihren (vagen) Kinderwunsch für bessere Zeiten – buchstäblich – auf Eis zu legen. Ihre biologische Uhr sei mit jedem verstrichenen Lebensjahr lauter geworden, berichtet Woznicki, Ausgangssperre und Kontaktverbot hätten die ohnehin schon schwierige Suche nach einem Lebenspartner in weite Ferne gerückt. Mit dem Einfrieren wollte sie auf Nummer sicher gehen.
Lockdown-Phänomen
Im Fachjournal PNAS warnten Forscher kürzlich davor, dass es durch die anhaltende soziale Isolation längerfristig zu einem Geburtenrückgang kommen könnte. „Gerade alleinstehende Frauen ab Mitte 30 spüren einen großen Druck, den richtigen Partner zu finden. Die momentane Situation kann diesen Druck deutlich erhöhen, da viele über Monate kaum Möglichkeiten haben, ihren zukünftigen Partner zu treffen“, beobachtet Michael Feichtinger, der als Leiter des Wunschbaby Institut in Wien Singles und Paare mit unerfülltem Kinderwunsch berät.
Auch in seiner Praxis informierten sich im vergangenen Jahr merklich mehr Frauen als sonst über das Einfrieren ihrer Eizellen. „Normalerweise haben wir pro Monat zwei bis drei Anfragen, jetzt sind es mindestens doppelt so viele.“ Der Anstieg sei vor allem im zweiten Lockdown auffallend gewesen, als klar wurde, dass die soziale Isolation wohl noch länger anhalten würde. Besonders Frauen um die 40 würden im Egg Freezing oft den letzten Ausweg sehen. Dabei ist es dann meist schon zu spät: Idealerweise werden die Eizellen vor dem 35. Lebensjahr entnommen. Weil dies in Österreich nur erlaubt ist, wenn eine Erkrankung oder Therapie eine Schwangerschaft unmöglich macht, weichen viele Frauen zur Behandlung in Nachbarländer (etwa München) aus.
Kryokonservierung
Vor der Entnahme wird eine Hormonstimulation durchgeführt. Die entnommenen Eizellen werden in flüssigem Stickstoff eingefroren und können in spätestens zehn Jahren für eine künstliche Befruchtung (IVF) wieder aufgetaut werden
Social Egg Freezing
Das Einfrieren von Eizellen ohne medizinischen Grund (etwa Endometriose) ist in Österreich nicht erlaubt. In anderen Ländern (Tschechien oder Spanien) ist es auch aus sozialen Gründen möglich. In den USA finanzieren manche Unternehmen, darunter Facebook und Google, Social Egg Freezing für Mitarbeiterinnen
„Generell ist die Nachfrage in Österreich auf einem niedrigen Niveau“, berichtet Mathias Brunbauer von der Wunschkind Klinik – das liegt auch an den Kosten von ca. 4.500 Euro pro Behandlungszyklus. „Aber es wird viel mehr über das Thema gesprochen. Ein weiterer Vorteil des Egg Freezing ist, dass Frauen danach entkrampfter an die Partnersuche herangehen.“
Viele spielen aktuell auch aus Angst vor einer Corona-Infektion mit dem Gedanken, ihre Eizellen zu konservieren, heißt es von der Gesellschaft für In-vitro-Fertilisation.
Wunsch nach Kontrolle
Laut einer Studie der Londoner Women’s Clinic hat sich die Zahl der Frauen, die Social Egg Freezing nutzen, zwischen 2014 und 2018 verdreifacht. Dass das Thema heute breit diskutiert wird, liegt auch am offenen Umgang von Prominenten: Stars wie Paris Hilton oder Kim Kardashian erzählen freimütig von eingefrorenen Eizellen und den Strapazen einer Hormonbehandlung. Das Verfahren habe ihr ein Gefühl der Kontrolle zurückgegeben, sagte die 39-jährige Hilton kürzlich in der Sunday Times.
Genau darin sieht die Psychologin und Single-Expertin Caroline Erb einen Grund für das steigende Interesse am Egg Freezing in Krisen-Zeiten. „Viele haben derzeit verstärkt das Gefühl, dass ihnen alles entgleitet. Da versucht man, zumindest im Privaten Sicherheit und Planbarkeit zu schaffen. Beim Einfrieren von Eizellen hat man das Gefühl: Wenn alles schiefgeht, habe ich zumindest das in petto.“
Nur keine Panik
In der Krise hätten sich vor allem Singles stärker mit ihren Sehnsüchten auseinandergesetzt, sagt Erb – das zeige sich auch beim Online-Dating-Verhalten. „Man ist weniger oberflächlich und macht schneller Nägel mit Köpfen. Bei vielen schleicht sich auch ein Gefühl der Panik ein.“
Es sei jedoch wichtig, sich jetzt nicht unnötig unter Druck zu setzen, betont die Psychologin. „Man sollte trotz der aktuellen Herausforderungen zuversichtlich bleiben und nicht auf das Leben im Hier und Jetzt vergessen.“
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