Die Pandemie sorgte für eine gesteigerte Nachfrage nach Hunden, allein in Wien stieg die Zahl der angemeldeten Hunde um ein Viertel, tatsächlich sind es wahrscheinlich noch mehr. Mittlerweile melden die Tierheime quer durch Österreich, dass bereits vermehrt Tiere wieder abgegeben werden. Denn: Viele Neo-Hundebesitzer haben sich nicht ausreichend überlegt, ob ein Hund tatsächlich zu ihrem Leben passt. Drei Beispiele, wie Hunde ihren Besitzer fanden und was diese auf sich nehmen, um ihrem Hund ein gutes Leben zu ermöglichen.
Die Rassehündin mit vielen Schwierigkeiten
Eigentlich war Julia Gschmeidler gar nicht auf der Suche nach einem Hund, als sie auf Facebook das Posting einer Bekannten einer Bekannten sah, die ihren Hund abgeben wollte. „Ich war gleich ein bisschen verliebt. Ich habe die vorige Besitzerin getroffen – sie hatte noch einen anderen Hund, mit dem Toffee sich nicht verstanden hat, deswegen musste einer weg“, erzählt Gschmeidler. Nach kurzer Bedenkzeit holte sie die damals dreijährige, reinrassige Continental Bulldog zu sich.
Ursprünglich war Toffee ein Wunschhund, ihre Vorbesitzerin stand sogar lange auf der Warteliste eines Züchters, bezahlte mehrere Tausend Euro. „Auf den ersten Blick hat sie umsorgt gewirkt. Im Nachhinein hätte ich mir ein Bild machen sollen von der Wohnsituation, um ein paar Dinge mitzubekommen, mit denen Toffee Schwierigkeiten hat.“
Toffee konnte etwa nicht an der Leine gehen, hatte Panik in der Stadt, da sie mit den vielen Reizen nicht umgehen konnte. „Sie hatte von Anfang an ihre Schwierigkeiten, da sie schlecht sozialisiert war. Zuerst konnte ich nur mit Beißkorb mit ihr raus, weil sie aus Angst auf andere Hunde losgegangen ist.“ Hinzu kamen gesundheitliche Probleme, zunächst ein starker Juckreiz. Die Tierärztin vermutete Pollen- und Lebensmittelallergien – die Vorbesitzerin hatte Allergien verneint. Bis heute braucht sie etwa dreimal im Jahr eine Spritze gegen den Juckreiz, die rund 100 Euro kostet. Später kam ein Rückenmarksinfarkt hinzu, nach dem ein MRT für die Diagnose sowie eine Physiotherapie am Unterwasserlaufband notwendig waren.
Einmal wäre sie fast erstickt – wahrscheinlich wegen einem Bienenstich – und musste intubiert werden, einmal hatte sie eine Hornhautverletzung. „Mir war klar, dass ein Hund Tierarztkosten verursacht, aber ich dachte, das kommt erst im Alter. Toffee ist meine Spardose, ich denke nicht darüber nach, ich zahle es.“
Ihre gesundheitlichen Probleme sind – außer möglicherweise die Allergien – nicht rassebedingt, sondern Zufall. Continental Bulldogs sind eine Rückzüchtung der Old English Bulldogg. „Ich kannte die Rasse zuvor nicht. Dank der Rückzüchtung ist Toffee für eine Bulldogge aber sehr sportlich. Sie ist vom Charakter einzigartig, sehr kinderlieb, menschenbezogen, sehr feinfühlig und kuschelbedürftig, aber auch stur und wissbegierig.“
Da Toffee auch nach Trainings nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren konnte, legte sich Gschmeidler ein Auto zu. „Ich habe damals zentral gewohnt und wollte in den Wienerwald fahren können. Später bin ich an den Stadtrand in eine Gartenwohnung gezogen, nicht nur wegen des Hundes, aber auch.“
Gschmeidler hat viel mit Toffee gearbeitet, auch mit Hundetrainern, um das Ziehen an der Leine und den Umgang mit anderen Hunden in den Griff zu bekommen. Daneben machte sie Hundekurse. Ihren Job reduzierte sie auf 35 Stunden, damit Toffee nicht so lange alleine ist. „Mein Leben hat sich wirklich sehr stark verändert, mehr als ich dachte.“
Ob sie noch einmal einen Hund zu sich nehmen würde, weiß sie nicht, auch wenn sie die heute siebenjährige Toffee nicht missen möchte. „Mein Tag dreht sich um den Hund. Es ist ein Stück Freiheit, das ich abgebe, aber ich gewinne wunderschöne Momente dazu.“
Der bulgarische Straßenhund
Findus wurde als Welpe auf den Straßen Bulgariens gefunden und nach Österreich gebracht. Dort fand er sein Zuhause bei Eva Veits.
Findus stammt aus Bulgarien, wurde dort von einem privaten Verein gemeinsam mit anderen Junghunden eingesammelt und nach Österreich gebracht. Der Flat Coated Retriever/Labrador-Mix kam zu einer Frau in Niederösterreich, die einen eigenen Hund hat und regelmäßig Pflegehunde aufnimmt, um sie zu sozialisieren. Seine spätere Besitzerin, Eva Veits, sah ein Inserat auf Facebook. „Auf dem Foto war er ganz klein, auch wenn er offiziell schon fünf Monate alt war. Wir sind hingefahren und haben ihn besucht.“
Kurz zuvor war ihr erster Hund verstorben. Auch ihn hatte sie über eine private Tiervermittlung. Danach wollte die Familie nicht mehr ohne Hund sein.
Bevor sie Findus mitnehmen konnten, wollte der Verein, der auch Kastrationsprogramme unterstützt, die Wohnumgebung der neuen Besitzer kennenlernen. Aufgrund von Terminproblemen – die vierköpfige Familie wollte den Hund noch vor Arbeits- und Schulstart abholen – fand eine Wohnungsbesichtigung per Video statt. „Sie wollten wissen, ob die Wohnung groß genug ist, ob es Möglichkeiten für Spaziergänge gibt, wer in der Wohnung lebt.“ Eine Woche später holte Veits’ Findus gegen eine Gebühr von 250 Euro ab.
Einer der ersten Wege führte zur Tierärztin. „Ich wollte die Impfungen checken lassen, da ich dem bulgarischen Impfpass nicht ganz vertraut habe. Die Tierärztin schätzte ihn jünger, auf drei statt fünf Monate, und stellte Parasiten fest, das war aber kein Problem und leicht behandelbar.“ Sie wies zudem darauf hin, dass Findus sehr groß wird. „Da war mir wichtig, dass er gut erzogen ist. Wir waren im Welpenkurs und haben eine Zeit lang Hundesport gemacht, weil Findus ein sehr agiler, lebhafter und mutiger Haudegen ist – ein ganz anderer Charakter als unser früherer, sehr ängstlicher Hund.“ Findus ist mittlerweile fünf Jahre alt und sehr geduldig mit kleinen Kindern, knurrt nicht bei anderen Hunden.
Veits’ Kinder sind mittlerweile erwachsen. „Wir sprechen uns ab, sodass immer einer für den Hund da ist. Findus ist sehr pflegeleicht. Das konnte ich vorher nicht wissen, aber ich bin sehr froh darüber.“ Sind die Söhne mal nicht da, muss sie ihren Alltag umstellen und z.B. früher aufstehen, damit sich eine Morgenrunde vor der Arbeit ausgeht.
Wer überlegt, einen Hund zu halten, soll „wirklich überlegen, wie gern man auf Urlaub fährt. Auch nur für ein Wochenende braucht man immer jemanden, der aufpasst.“ Es sei schwierig, jemanden außerhalb der Familie zu finden. „Findus ist sehr glücklich, wenn er bei uns ist. Ich bin nicht sicher, wie er es in einer Hundepension finden würde.“
Das ausgesetzte Findelkind
Moskito, ein 4,5 Monate alter Schäfermix, wurde gemeinsam mit seiner Schwester ausgesetzt, gefunden und ins Tierquartier gebracht. Über seine Vorgeschichte ist nichts bekannt, außer, dass er eine alte Augenverletzung hatte, wodurch sein Lid eingedreht eingewachsen war und er unter ständigen Entzündungen der Hornhaut litt.
Die beiden Welpen waren ein Monat im Tierquartier, als Johnny Cech und sein Partner sich entschieden, einen zu sich zu nehmen. Eigentlich hatten die beiden einen älteren Hund ausgesucht, doch dieser brauchte einen sehr erfahrenen Hundehalter, ein weiterer ging eher einer Familie mit Kindern zu. „Wir hatten keine Erfahrung mit Welpen, aber da ich gerade einen Job beendet habe und erst im Oktober ein Studium beginne, habe ich jetzt ein Zeitfenster, wo ich mich ihm widmen kann, dass er angenehm aufwachsen kann“, sagt Cech, der Moskito mit drei Monaten übernahm.
Die Verletzung des Auges wurde kurz nach der Übernahme auf Kosten des Tierquartiers operiert – heute merkt man nichts mehr.
„Ganz am Anfang hat er gar nichts gekannt, er hat zum Beispiel geglaubt, er kann Asphalt aufgraben. Er muss sehr viel lernen, für ihn ist alles ganz neu. Diese Neugier und Verspieltheit soll er möglichst behalten. Wir wollen keinen Hund, der nur still dasitzt, er soll seine Persönlichkeit bewahren.“ Das sei zwar anstrengender und manchmal ein bisschen nervig, aber „wir haben uns für diesen Weg entschieden.“ Moskito ist in den eineinhalb Monaten bereits auf die doppelte Größe angewachsen. Da seine Eltern nicht bekannt sind, ist unklar, wie groß er eines Tages wird. „Wir haben ein Überraschungspaket und werden ungefähr zu Weihnachten sein Endgewicht wissen.“
Moskito ist sehr quirlig und neugierig, aber vorsichtig bei Kindern. „Er zahnt gerade, will viel beißen. Er hat schnell gelernt, dass er das bei Kindern nicht darf.“ Cech fände es schön, wenn Kontakt zu den Besitzern von Moskitos Schwester entstehen könnte und hat dazu seine Daten hinterlegt.
Cech hat sich in eine Onlinehundeschule eingetragen und tauscht sich dort mit einem Hundetrainer aus. Auch mit dem Tierquartier steht er in Kontakt, schickt Fotos, einmal – als Moskito sehr viel Vogelfutter vom Balkon gefressen und Durchfall bekommen hatte – fragte er um Rat.
„Wir wollten nicht zu einem Züchter, weil die Hunde dort sowieso Abnehmer finden und es ist schade, weil es so viele gibt, die in Tierheimen zur Vergabe sind. Das ist mir lieber als ein Verein im Ausland, ich kann mit den Öffis hinfahren und im Fall der Fälle hätten wir Moskito auch zurückgeben können. Das war aber keine Option, wir haben ihn schnell ins Herz geschlossen.“
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