Chrissy Teigen und der Umgang mit Fehlgeburten: "Großartig und mutig"
Die Bilder ließen niemanden kalt: Auf Instagram teilte das Model Chrissy Teigen Fotos von den traurigsten Stunden ihres Lebens. Die Schwarzweiß-Aufnahmen zeigen sie weinend auf einem Krankenbett sitzend, auf einem anderen hält sie ihr totes, in Tüchern gewickeltes Baby im Arm.
„Wir sind geschockt und empfinden Schmerz, wie man ihn sonst nur vom Hörensagen kennt. Die Art von Schmerz, die wir noch nie zuvor gefühlt haben“, schrieb die Ehefrau von R'n'B-Star John Legend an ihre 32 Millionen Instagram-Abonnenten. Kurz davor hatte sie ihr drittes Kind, einen Buben namens Jack, nach schweren Blutungen verloren. Die zweifache Mutter - Tochter Luna ist 4, Sohn Miles 2 Jahre alt - soll bereits im sechsten Monat schwanger gewesen sein.
Ihr offener Umgang mit der Fehlgeburt löste im Netz eine Debatte aus: Viele waren empört, dass ein ebenso intimer wie tragischer Moment mit Millionen Fremden geteilt wird, manche warfen dem Model sogar vor, mit dem Posting Reichweite generieren zu wollen. Doch viele Frauen bedankten sich via Social Media für den Mut der 34-Jährigen, die in den vergangen Jahren bereits ihre Fruchtbarkeitsprobleme (alle Kinder wurden künstlich gezeugt) und postnatale Depression thematisiert hatte.
Etwa jede dritte Frau erlebt im Laufe ihres Lebens eine oder mehrere Fehlgeburten, dennoch wird nach wie vor vergleichsweise wenig darüber gesprochen. Auf Instagram, wo Mutterschaft längst zum Lifestyle-Inhalt stilisiert wurde, finden sich fast ausschließlich Fotos von glücklichen Schwangerschafts- oder Geburtsmomenten.
"Ich sehe es als sehr positiv, wenn Personen des öffentlichen Lebens mit diesem Thema in die Öffentlichkeit gehen, da sie das Thema enttabuisieren und betroffene Frauen aus der schmerzlichen Isolation holen", sagt dazu die Wiener Psychotherapeutin Andrea Engleder, die unter anderem auf die Bewältigung von Traumauta und Fehlgeburten spezialisiert ist.
"Eines der schwersten Gefühle bei den Betroffenen, sowohl Frauen als auch Männern, ist das Gefühl etwas falsch gemacht zu haben, unvollständig zu sein - 'nur mir passiert so etwas und ich kann mich in meinem großen Schmerz niemandem zumuten' - also wird nicht darüber geredet", so Engleder.
"Ja, Chrissy Teigen mutet uns ihr Schicksal zu, aber das ist großartig und mutig, denn damit zeigt sie auch vor, dass es ein Teil unserer Realität ist, die man aushalten kann. Nichts ist schlimmer als das Gefühl, 'nur mir geht es so, nur ich bin so anders, niemand versteht mich in meinem Schmerz'."
Wertschätzung für den Fötus
Zusätzlich werde durch dieses Sichtbarmachen auch dem verstorbenen Fötus Wertschätzung entgegengebracht, sagt die Therapeutin. "Er ist Teil des Lebens der betroffenen Eltern und wird nicht 'unter den Teppich gekehrt'."
Wie viele Frauen betroffen sind, lässt sich nicht genau sagen, da Abgänge in den ersten Wochen der Schwangerschaft oft unbemerkt bleiben und als Unregelmäßigkeit im Menstruationszyklus fehlinterpretiert werden. 80 Prozent der Fehlgeburten passieren in den ersten zwölf Wochen (Frühabort), danach, bis zur 22. Woche, spricht man von einem Spätabort. Die Wahrscheinlichkeit, ein ungeborenes Kind zu verlieren, liegt bei etwa zehn bis 15 Prozent und nimmt mit steigendem Alter zu.
Zuletzt sprachen immer mehr prominente Frauen öffentlich über ihre Fehlgeburten, von der deutschen Schauspielerin Nina Bott bis zur ehemaligen First Lady Michelle Obama, die das traurige Erlebnis in ihrer Biografie "Becoming" schilderte. Mit Chrissy Teigen hat nun eine weitere Mutter ein Stück weit dazu beigetragen, das Thema aus der Tabuzone zu holen.
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