Charakterstudie: Diese Beziehungsform kommt am besten durch die Krise
Was benötigt eine Beziehung in Krisenzeiten? Ein internationales Team rund um die Psychologin Stephanie Eder von der Universität Wien hat diese Frage untersucht – und zwar während der ersten Welle der Covid-19-Pandemie, als in Europa durchgehend harte Lockdowns galten.
KURIER: Was genau hilft, um in einer Beziehung gut durch Krisenzeiten zu kommen?
Stephanie Eder: Was wir dank unserer Studie sagen können: Psychologische Aspekte sind weit wichtiger als äußere Faktoren, etwa die Frage, wie sehr eine Person oder eine Region von der Corona-Krise getroffen wurde. Auffällig ist auch: Probanden mit einem „sicheren“ Bindungsstil hatten eine höhere Beziehungsqualität während der ersten Welle der Pandemie als Menschen mit einem „unsicheren bzw. ängstlichen“ oder „vermeidenden“ Bindungsstil.
Wie erklären Sie sich eigentlich diesen Unterschied?
Dass Bindungsstile eine wichtige Rolle in Beziehungen aller Art spielen, ist in der Forschung so weit bekannt. Unter Umständen wurde dieser Effekt durch die Pandemie aber noch besonders hervorgehoben, weil „sicher“ gebundene Menschen tendenziell über mehr psychologische Ressourcen verfügen, um mit Krisen verschiedener Art umzugehen. Das kann sich dann auch stabilisierend auf Partnerschaften auswirken.
Und wie definieren Sie einen „sicheren“ Bildungsstil?
Das Bindungsstil-Konzept wurde ursprünglich formuliert, um die Beziehung von Kindern zu einer Bezugsperson beschreiben zu können, es hilft uns jetzt aber auch bei der Analyse von Beziehungen zwischen Erwachsenen. Entscheidend ist dabei: Die Muster von Beziehungen, die wir in uns tragen, eben zwischen sicher und unsicher, scheinen uns auch in Krisensituationen zu beeinflussen.
Aber ist das nicht eine Erkenntnis, die uns auch die Küchenpsychologie ganz ohne eine Studie genau so erklären würde?
Da haben Sie schon recht. Allerdings waren wir die Ersten, die dieses Phänomen in einer Krisensituation wissenschaftlich seriös untersucht haben. Daher können wir jetzt auch die Annahme ausschließen, dass Menschen mit unsicheren Bindungsstilen oder Trennungsängsten aufgrund der sozialen Kontrolle im Lockdown eine glücklichere Beziehung führen würden.
Ist der Bindungsstil tatsächlich so wichtig?
Unsere Studie legt nahe, dass der Bindungsstil eine besonders wichtige Rolle spielt. Außerdem hat es natürlich eine Rolle gespielt, was sich rund um eine Partnerschaft zuträgt. Interessant ist auch, dass das Alter der Probanden einen gewissen Vorhersagewert hatte: Jüngere Probanden waren tendenziell zufriedener mit ihrer Beziehung.
Welche Erklärungen haben Sie dafür?
Dazu gibt unsere Studie keine explizite Antwort. Was wir aber sagen können: Die Länge einer Beziehung oder auch die Art einer Beziehung (mit Kindern oder kinderlos) ist für ihre Qualität nicht ausschlaggebend. Wichtiger ist die Einschätzung der Befragten, wie viel Zeit ihr Partner für sie aufgewendet hat.
Bedeutete mehr Zeit miteinander zu verbringen auch mehr Zufriedenheit?
Ja, da besteht schon eine gewisse Korrelation.
Ihr Team hat 313 Menschen befragt: Wie viele hatten ein Problem mit der Sexualität?
Obwohl die Sexualität ein wichtiger Aspekt von Beziehungen ist, hatte diese Variable keinen Einfluss auf die Beziehungsqualität. Das war überraschend.
Haben Sie auch andere Aspekte des Lebens im Lockdown untersucht?
Ja, zum Beispiel, ob sich speziell die Angst vor Versorgungsengpässen auf die Zunahme von Gewicht auswirken und wir konnten feststellen, dass das nicht der Fall war.
Was passiert denn, wenn wir im Herbst in den nächsten Lockdown rutschen: Wird das auch bisher intakte Beziehungen belasten?
Wir haben verschiedene Länder zu verschiedenen Zeitpunkten untersucht und konnten testen, ob die Härte der Lockdowns einen Vorhersagewert hat – das war aber nicht der Fall. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass „sichere“ Beziehungen trotz äußerer Belastungen weiterhin zufriedenstellend sein können.
4,3 Millionen Menschen
in Österreich leben in einer Beziehung unter einem Dach, und zwar in 1,75 Millionen sogenannten Ehepaar- und 421.000 Lebensgemeinschafts-Haushalten. Hinzu kommen noch Paare, die in einer Beziehung sind, aber nicht im gleichen Haushalt leben.
27,6 Prozent der Menschen
in Österreichs Privathaushalten leben zu zweit, 19,9 Prozent zu dritt, 20,5 Prozent zu viert und 9,9 Prozent zu fünft.
39.662 Ehen
wurden im ersten Pandemie-Jahr 2020 geschlossen. Das waren um 6.372 bzw. 13,8 Prozent weniger als im Jahr zuvor.
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