Bildungspsychologin Spiel: Was bleibt nach der Krise?
Die Bildungspsychologin Christiane Spiel hat sich auch während der Corona-Krise die Situation in der Schule genauer angeschaut. Ein Interview über das, was bleibt und was nicht.
KURIER: Frau Spiel, wird das Schulsystem auch Gutes aus der Krise mitnehmen?
Christiane Spiel: Die Schülerinnen und Schüler sagen selbst, dass sie erkannt haben, wie wichtig Selbstorganisation ist. Die entsprechende Kompetenz haben sie jetzt häufig erworben. Auch die Digitalisierung hat einen beachtlichen Schub erhalten – sowohl was Schulen und Lehrpersonen betrifft, als auch Schülerinnen und Schüler.
Ist das Bewusstsein dafür gestiegen, dass man sich besonders um die Kinder kümmern muss, deren Eltern keine Ressourcen haben, um Defizite auszugleichen?
Ich denke, dass dieses Bewusstsein klar vorhanden ist. Daran, wie genau diese Kinder gefördert und unterstützt werden sollen – und vor allem, wie dies nachhaltig geschehen kann –, muss jedoch wohl noch gearbeitet werden. Aus meiner Sicht gibt es hier auch eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung.
Distance-Learning funktioniert nur dort gut , wo Unterricht individualisiert wird. Ist das etwas, was bleiben wird?
Richtig: Distance Learning kann – wenn didaktisch und pädagogisch richtig eingesetzt – die Individualisierung im Unterricht fördern, damit Kinder genau das üben und dort unterstützt werden, wo sie es brauchen. Es wird wichtig sein, die Erfahrungen, die einzelne Lehrpersonen und Schulen dabei gemacht haben, systematisch aufzuarbeiten – also zu fragen: Was hat gut funktioniert? Was nicht? Wo bedarf es noch der Weiterentwicklung? Insgesamt bin ich aber sehr optimistisch. Bei unserer Studie haben viele Lehrpersonen angegeben, dass sie die Erfahrungen mit digitalen Medien im Shutdown weiterhin in ihren Unterricht integrieren wollen – wie etwa das Konzept des Flipped Classroom.
Sind Lehrpersonen und Schüler künftig geübter im Umgang mit digitalen Tools?
Viele haben ihre Kompetenzen deutlich erweitert, aber nicht alle. Sinnvoll ist daher eine systematische Aufarbeitung, deren Ergebnisse dann in Weiter- und Fortbildung sowie in die Entwicklung von entsprechenden Materialien integriert werden. Denn es sollten alle erreicht werden, auch Risikoschülerinnen- und -schüler.
Wurde sichtbarer, was Lehrer leisten bzw. nicht leisten?
Mein Eindruck ist, dass viele Eltern erkannt haben, wie aufwendig und herausfordernd der Beruf als Lehrer bzw. Lehrerin ist. Ich hoffe, dass die Pandemie nachhaltig dazu beiträgt, dass Kooperation und Austausch zwischen Schule und Familien gestärkt werden.
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