Bauer-Jelinek: "Frauen sind in der Krise, Männer aber auch“
KURIER: Der Internationale Frauentag für mehr Chancengleichheit findet zum 109. Mal statt. Haben wir Grund zu feiern?
Bauer-Jelinek: Ich warte auf das Jahr, an dem der Frauentag nicht mehr notwendig ist, weil es einen Internationalen Menschen- oder Erfolgstag gibt, der für beide Geschlechter gilt.
Es gibt auch den Weltmännertag.
Schon, aber die Rollenbilder ändern sich. Früher waren Männer im Beruf, Frauen nur zu Hause. Das hat sich mit der Gleichberechtigung geändert. Und zunehmend wollen sich auch junge Väter mehr um ihre Kinder kümmern. Es wird nicht mehr lange dauern, bis sich das angleicht.
Diese Entwicklung ist aber keine schlechte.
Stimmt, aber sie stellt uns vor ein gesellschaftliches Problem: Alle sollen alles machen. Wir sind in einer Übergangsphase mit allen Möglichkeiten, die wir Frauen uns erkämpfen konnten. Jetzt ernten wir fast zu viel Vielfalt, das muss jeder für sich erst ordnen. Frauen sind in der Gesellschaft mächtiger geworden, das ist ein Erfolg. Aber wir müssen auch auf Männer schauen: Buben rücken in den Hintergrund. Sie haben in der Schule größere Probleme, Helden sind nicht mehr en vogue. Und Frauen sollen nun auch technische Berufe erlernen.
Das aber ist Gleichberechtigung.
Ja, doch es könnte zu drastisch werden. Viele fühlen sich nicht mehr gebraucht. Zugleich sollen Männer alles auf einmal sein: erfolgreich, gut aussehend, kein Macho aber bitte auch kein Softie.
Frauen sollen auch alles sein: Liebevolle Partnerin, gute Mutter, tüchtige Geschäftsfrau.
Deshalb haben wir eine kritische Situation in Rollenbildern. Frauen sind in der Krise, Männer aber auch.
Was können wir tun?
In westlichen Gesellschaften muss die neue Vielfalt der Möglichkeiten erst verarbeitet werden. Es geht darum, selbstbewusst einen Weg zu finden. Wie nutze ich die Chancen? Wie stecke ich Kritik lockerer weg? Einfluss hat auch die wirtschaftliche Entwicklung: Bei Krisen passt sich das Verhältnis zwischen Männern und Frauen an. Ich glaube aber nicht, dass wir in die traditionelle Rollenverteilung zurückfallen, sondern alle das tun werden, was sie besser können. Wenn Männer nicht den Druck des Alleinverdieners haben, sind sie gerne zu Hause. Umgekehrt sind Frauen hervorragende Geldverdienerinnen.
Wenn es denn leistbar ist, derzeit landen Frauen später oft in der Armutsfalle wegen der Karenzzeiten.
Ja, wobei die Gehaltsanpassung auch bei Männern noch nicht funktioniert. Ein Mechaniker am Land verdient nicht dasselbe wie in der Stadt. Fürsorgearbeit muss anders entlohnt und angerechnet werden, ein bedingungsloses Grundeinkommen würde meiner Meinung nach die Basis für alle absichern.
Im Vergleich zu Männern: Wo liegen die Machtfaktoren der Frau?
Die Spielregeln richten sich nach dem Spielfeld, nicht nach dem Geschlecht. Frauen spielen auch keinen anderen Fußball.
Die Spielregeln werden aber oft von Männern gemacht, da sie in vielen Top-Ebenen in der Überzahl sind.
Weil sie auf diesem Spielfeld bereits seit hunderten, wir Frauen aber erst seit 30 bis 40 Jahren sind. Wir müssen das Verhalten erst gut durchschauen, Chancen auch wahrnehmen und lernen, Konkurrenzsituationen zu meistern. Auch erkennen, Führungsaufgaben nicht weiblich machen zu wollen.
Was meinen Sie mit weiblich?
Viele Frauen inszenieren sich mit Schmuck, spielen mit Sex-Appeal, tragen auffallende Mode. Alles, was vom Inhalt ablenkt, ist kontraproduktiv. Erst wenn sie für ihre Aussagen wahrgenommen werden, stimmt die Inszenierung. Dann kann man sich auch modisch mehr trauen.
Wenn aber mehr Frauen in Top-Positionen kommen, könnten sich auch die Männer anpassen.
Wenn, ändern sich die Regeln gemeinsam. Aber man kann sich nicht so inszenieren, solange man eine Einzelperson oder in der Minderheit ist. Die erste Botschaft ist also generell: Mut zur Macht.
Es heißt oft, mächtige Frauen seien erotisch. Stimmt das?
Hier hinkt die Gleichberechtigung leider hinterher. Viele gleichaltrige Männer suchen oft Frauen, die nur das sexy Spiel spielen. Aber: Jüngere Männer finden mächtige Frauen zunehmend anziehend. Sie können ihnen einen Lebensstandard bieten – eine Folge dessen, dass beide Geschlechter in beiden Rollen erfolgreich sein können.
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