Neuseeland, Pionierland der Frauenrechte

Neuseeland war das erste Land der Welt, in dem Frauen wählen durften
Die Insel auf der anderen Seite des Globus war das erste Land der Welt, in dem Frauen wählen durften.

Mit einem dumpfen Knall schlägt das Ende der 270 Meter langen Papierrolle gegen die hintere Wand des großen Debattierzimmers im neuseeländischen Parlament. Es ist der 28. Juli 1893, und es wird ein entscheidender Schlag sein.

Wochenlang hat Kate Sheppard, Führerin der Suffragettenbewegung, zuvor mit Pamphleten und in Reden Stimmung für das Frauenwahlrecht gemacht, Petitionspapiere im Land verschickt und mit ihren Mitstreiterinnen auf diesem Weg 25.519 Unterschriften gesammelt. In ihrem Haus in Christchurch hat sie 500 Bögen Papier aneinandergeklebt, um einen Besenstiel gewickelt und die 270-Meter-Rolle dem Abgeordneten John Hall übergeben.

Neuseeland, Pionierland der Frauenrechte

Die Pionierin Kate Sheppard ist auf einer Bronzeskulptur in Christchurch verewigt

Es ist bis heute die längste Petition, die je im Parlament präsentiert wurde. Die dramatische Aktion zeigte Wirkung. Nachdem in den Jahren zuvor Dutzende Petitionen gescheitert waren, war diese von Erfolg gekürt: Die Abgeordneten stimmten 20 zu 18 für die Frauen. Am 19. September 1893 unterzeichnete Gouverneur Lord Glasgow das Gesetz, das Neuseeland zum ersten autonomen Land der Welt machte, in dem Frauen wählen durften.

Großer Stolz

Neuseeland, Pionierland der Frauenrechte

Kate Sheppard setzte in Neuseeland das Wahlrecht für Frauen durch

Wenn man sich heute unter Neuseeländerinnen nach Kate Sheppard erkundigt, stößt man auf Begeisterung: „Ich bin unglaublich stolz, Teil dieses Landes zu sein“, sagt etwa die 38-jährige Rachel Gastin. Und die 53-jährige Emma Jane Robertson ergänzt: „Ich bläue meinen Töchtern schon ihr Leben lang ein, dass sie immer wählen gehen müssen: Remember Kate Sheppard.“

Erinnert wird man an Kate Sheppard nahezu jedes Mal, wenn man die Geldbörse öffnet. Seit 1992 ist ihr Konterfei auf der 10-Dollar-Banknote zu sehen. Und seit 2014 hilft sie einem vor dem Parlament in Wellington über die Straße: Das „grüne Männchen“ wurde durch den Umriss der Frauenrechtskämpferin ersetzt.

Begonnen hat Sheppards Engagement in den 1880ern, als sie der neu gegründeten „Woman’s Christian Temperance Union“ beitrat. Deren Ziel: ein Wahlrecht für Frauen. Und zwar aus besonderem Grund. Sie wollten sich so für ein Alkoholverbot starkmachen können. Denn Alkohol stelle eine Gefahr für die Familie dar, so die Union.

Für Sheppard wurde rasch das Wahlrecht an sich zum eigentlichen Ziel: „Wir sind es leid, dass uns nur ein kleiner Bereich zugeteilt wird und dass alles außerhalb dieses Bereichs als ,unfraulich‘ gilt“, lautet – einfach übersetzt – eines ihrer berühmten Zitate. Sheppard war mit ihren Slogans zur rechten Zeit am rechten Ort. Neuseeland wurde relativ spät besiedelt. Es gab noch keine konservativen Traditionen; viele Kolonisten waren (meist aus England) für eine bessere Zukunft hingekommen.

So erklären sich Historiker, wieso die Wahlrechtsbewegung relativ offen begrüßt wurde und keine brutalen Aufstände wie in anderen Ländern notwendig waren.

Viele Neuseeländerinnen sind auf ihre Vergangenheit in puncto Frauenrechte stolz. Mit dem Status quo sind viele weniger zufrieden. „Der Start war gut, aber danach ging es lange nicht so gut weiter“, meint etwa die Universitätsassistentin Rene Boyer. Michelle Hickmann, die im Familienministerium arbeitet, sieht das genauso: „Gleichgeschlechtliche Ehe ist erst seit ein paar Jahren möglich. Außerdem haben wir ein großes Problem mit Gewalt gegen Frauen und Kinder.“ Im Vergleich mit anderen Industrieländern hat Neuseeland eine der höchsten Raten häuslicher Gewalt.

Neue Initiative

Auch Abtreibung ist noch immer nicht legal. Sie steht weiterhin im Strafgesetzbuch und wird nur erlaubt, wenn vor der 20. Woche zwei Ärzte bestätigen, dass ein Kind die psychische oder mentale Gesundheit der Frau schädige. Initiativen haben immer wieder versucht, das zu ändern. Letztlich mit Erfolg: Vor wenigen Tagen hat das Parlament ein Gesetz zu Entkriminalisierung der Abtreibung auf den Weg gebracht.

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