Nun wird sich das allgemeine Mitgefühl mit einer sehnsuchtsgeplagten Mätresse (so bezeichnet sich die Frau selbst) und einem untreuen Familienvater während einer Pandemie in Grenzen halten.
Dass ihre Geschichte kein Einzelfall ist, kann selbst der größte Romantiker nicht von der Hand weisen: Bis zu 50 Prozent der Männer und bis zu 25 Prozent der Frauen haben sich laut der jährlich durchgeführten General Social Survey aus den USA schon einmal auf ein geheimes Tête-à-Tête eingelassen. (Und weil dieser Tage viel von hohen Dunkelziffern die Rede ist: So verhält es sich auch mit außerehelichen Liebschaften.)
Nicht unfair sein
Seitensprünge passieren aus den verschiedensten Gründen, mit den verschiedensten Erwartungen. Manchmal ist es rein körperlich, manchmal mischt das Herz mit. Manche Affären werden gebeichtet und beendet, andere ziehen sich jahrelang und führen zu einem Ehe-Aus. „Die meisten Ehen scheitern an den Verhältnissen.
Man sollte aber nicht unfair sein: Es sind auch schon sehr schöne Verhältnisse an den Ehen gescheitert“, sagte der verstorbene Kabarettist Werner Schneyder und meinte damit wohl, dass die Ehe nicht automatisch die „bessere“ Verbindung ist.
Eine Zwickmühle
Momentan haben alle amourösen Nebenschauplätze einen gemeinsamen Nenner: Als das Virus Einzug hielt, wurden sie jäh unterbrochen. Jemand hat auf „Pause“ gedrückt und niemand weiß, wann – und ob – es weitergeht. Fremdgeher können keine Geschäftsreise mehr vorschieben, um das Gspusi zu treffen, und auch die geheime Korrespondenz erweist sich als schwierig bis unmöglich, wenn der Partner nonstop zugegen ist. Eine Zwickmühle: Beteiligte leiden still vor sich hin, wissend, dass sie im Grunde kein Anrecht auf Mitleid haben.
Stunde der Wahrheit
In der Zwangspause könnte für Verhältnisse die Stunde der Wahrheit schlagen, sagt Ulrich Clement, einer der führenden Paar- und Sexualtherapeuten im deutschsprachigen Raum. „Corona ist ein Anlass für Offenheit. Ich glaube, dass dieser Druck, die Schwierigkeit, auszuweichen, Entscheidungen eher forciert. Die Frage ist: Hält man das durch?“
Reine Sex-Affären werden jetzt wahrscheinlich eher auslaufen, glaubt der Autor mehrerer Beziehungsratgeber (etwa: „Wenn Liebe fremdgeht: Vom richtigen Umgang mit Affären“). Anders sieht es bei „stabilen Nebenbeziehungen“ aus: „Da könnte das Kontaktverbot die Sehnsucht sogar verstärken.“
Folgen bedenken
Wem in der Quarantäne das Licht aufgeht, der sollte seine frisch gewonnene Erkenntnis vorerst für sich behalten, rät Clement. „Es kann passieren, dass man merkt, dass man den anderen mehr braucht, als einem lieb ist. Ich halte die jetzige Situation aber für einen ungünstigen Zeitpunkt für Geständnisse.“
Vor einer Beichte sollte man die praktischen Folgen bedenken, etwa, dass man bei einem Streit nur kurz das Haus verlassen kann. Im besten Fall schafft die gezwungene Auseinandersetzung mit dem Liebeswirrwarr nachhaltig Klarheit – auf allen Seiten.
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