Adele ist jetzt dünn: Was das mit Bodyshaming zu tun hat

Adele ist Oscar-, Golden-Globe- und fünfzehnfache Grammy-Gewinnerin und hat bislang mehr als 100 Millionen Tonträger verkauft.
Die Sängerin hat abgenommen – und wird dafür gepriesen. Warum das problematisch ist.

Der Boulevard kennt aktuell gefühlt nur ein Thema: Adele hat abgenommen. "Wow, was für eine Verwandlung! Popsensation Adele ist Anfang 2020 kaum wiederzuerkennen", schreibt die deutsche Gala über die britische Sängerin. Im Artikel reicht man auch gleich das "Programm" nach, dem die 31-Jährige "ihren Abnehmerfolg verdankt". "Adele hat ordentlich abgespeckt" und "unglaubliche 45 Kilogramm verloren", ist in der Hamburger Morgenpost zu lesen. "Angesichts der strahlenden Adele fragen sich jetzt viele Menschen, wie die Sängerin es geschafft hat, so viel abzunehmen", postuliert unterdessen die Daily Mail.

Unterstellt wird der Sängerin auch, dass sie "total glücklich" mit ihrem Gewichtsverlust sei. Besagte Medien berufen sich dabei auf Aussagen eines Fans, der Adele vermeintlich im Urlaub getroffen und mit der Sängerin über ihre Figur geplaudert haben soll. Selbst mit der Öffentlichkeit geteilt hat Adele, die selten Interviews gibt und Privates gern privat hält, diese Information nicht.

Gratulation zu "Rache-Körper"

Die Aufregung rund um den erschlankten Weltstar ist derzeit jedenfalls erneut groß. Erneut deshalb, weil Adeles Gewicht bereits vergangenen Oktober für Schlagzeilen sorgte. Damals tauchten Bilder der Musikerin beim Besuch der Geburtstagsfeier der US-Rappers Drake auf. In sozialen Netzwerken wurde der Britin prompt zu ihrem "revenge body" ("Rache-Körper") gratuliert – eine Anspielung auf das laufende Scheidungsverfahren zwischen ihr und Ex-Mann Simon Konecki.

Gemeint ist damit der Körper, den man sich als Frau nach dem Ende einer Beziehung durch Sport "erarbeitet". Ein Körper, mit dem sich Frauen gewissermaßen an ihren ehemaligen Partnern "rächen". Nach dem Motto: Sieh her, was du verpasst.

Bodyshaming als Kompliment getarnt

"Für mich war das alles andere als unerwartet", schrieb Autorin Adwoa Darko in einem Gastartikel für den Independent damals. "Es hat nur bestätigt, dass wir in einer Gesellschaft leben, die Dünnsein idealisiert und Gewichtsverlust als von Natur aus positiv bewertet. Die zugrundeliegende Voraussetzung für die Reaktionen auf Adeles Fotos war a) die Annahme, dass ihr 'alter' Körper 'falsch' war und b) dass sie eine bewusste und 'gesunde' Wahl getroffen hat." Das Lob sei eine "subtile Form des Bodyshamings, getarnt als Kompliment".

Als "erwartbar" bezeichnet auch Poppy Noor, Journalistin beim britischen Guardian, die aktuell neu entflammte – positive wie negative – Körperkritik. Während Adele zum Weltstar aufstieg, sei ihr Gewicht niemals unkommentiert gelassen worden. "Adele hat all diese Dinge erreicht, während sie dafür kritisiert wurde, dass sie zu dick ist. (…) Aber jetzt hat sie an Gewicht verloren (…) und wird dafür gefeiert und kritisiert", schreibt Noor. "Frauen können einfach nicht gewinnen", fügt sie hinzu.

Abnehmerfolge prominenter Frauen zu idealisieren und zu preisen sei laut Noor per se problematisch: "Es gibt immer noch einen enormen Druck für Frauen, schlank zu sein. Manchmal geht es beim Abnehmen um gesundheitliche Vorteile, Selbstvertrauen, Erkrankungen oder alle drei Komponenten. Manchmal ist es nicht einmal eine Entscheidung. Jedes oder keines dieser Dinge könnte der Grund sein, warum Adele abgenommen hat."

"Wir können einfach nicht gewinnen"

In den sozialen Netzwerken mehren sich angesichts der aktuellen Berichterstattung Stimmen, die die Bewertung von Adeles Körper ablehnen. "Wir können einfach nicht gewinnen", schreibt eine Userin auf Twitter. "Adele war zu fett und jetzt ist sie zu dünn. Gönnt Frauen mal eine Pause." "Ich hasse solche offiziellen News-Posts; genau deshalb haben so viele Menschen aller Altersklassen Probleme mit ihrem Körper. Adele hat und hatte immer eine wunderschöne Figur. Außerdem: Wieso ist das wichtig? Wieso ist das eine Schlagzeile?", kritisiert eine andere.

"Könnten wir mal aufhören, rapiden Gewichtsverlust zu glorifizieren?", fordert eine weitere Nutzerin.

"Ich würde Adele lieber für andere Dinge feiern", schließt Noor ihren Artikel. "Etwa, wie sie mit Humor mit ihrer Scheidung umgeht (...) und es schafft es, ein ganzes Album über ihren Ex zu schreiben, ohne jemals öffentlich seinen Namen durch den Dreck zu ziehen. Diese Dinge sind Zeichen des Charakters  ihr Gewicht ist bestenfalls nebensächlich."

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