Einigen Lesern mag jetzt der Titel des alten Bestsellers von Johannes Mario Simmel einfallen: Es muss nicht immer Kaviar sein. Hier war der Held ein Londoner Privatbankier mit einem Faible für Frauen und das Kochen und Appetit auf Abenteuer. Der Wiener Autor servierte mit einem Hauch von James Bond eine kulinarische Story über einen Geheimagenten wider Willen, die selbst 60 Jahre nach ihrem Erscheinen durchaus im Trend liegt.
Für alle Geschmäcker
Denn wie bei seinen zeitgenössischen Kolleginnen Sophie Bonnet und Rita Falk finden sich jene Speisen, die im Buch verzehrt werden, im Anhang als Rezept. Simmel hatte sein Opus magnum zu einer Zeit verfasst, als eine Olive im Cocktail oder ein Käse-Igel schon als Extravaganz galten. Sein „Verzeichnis der Rezepte“ wartet mit Raffinessen wie Krebsschwanzsuppe, Steinbutt mit Austern oder einem Lemon Sponge Cake auf.
Auch nicht schlecht, was in Sophie Bonnets Provenzalischer Stolz, dem aktuellen Fall ihres Ermittlers Pierre Durand, alles an Köstlichkeiten aufgetischt wird: eine Paella Camarguaise sowie eine Fougasse d’Aigues-Mortes. Welche Speisen sich dahinter verbergen, erfährt man nebenbei. Genauso wie die Bedeutung, die sie in diesem Krimi haben.
Wer neben dem Nervenkitzel auch auf die Gaumenfreude aus ist, kann sich nach der Lektüre selbst am Herd versuchen. Quasi die Heimvariante der in manchen Restaurants beliebten „Dinner & Crime“-Abende. Aber man muss beileibe kein Hobbykoch sein, um einen Genuss daran zu haben, wenn Speisen und Spannung harmonisch zueinander passen.
Reiberdatschi, Reiberdatschi?
Nicht, dass sich in kulinarischen Krimis der Plot zwingend um einzelne Delikatessen der Speisekarte drehen muss. Die „Reiberdatschi“ in Rita Falks bayerischem Provinzkrimi Guglhupfgeschwader spielen auch nur eine kleine, aber nicht unbedeutende Rolle.
Ja, es genügt sogar, wenn eine der Romanfiguren ein besonders inniges Verhältnis zu einer bestimmten Speise pflegt. So wie der Held in Daniel Silvas mittlerweile bereits achtzehn Bücher umfassenden Thrillerreihe rund um den Meisterspion Gabriel Allon. Hat dieser wieder einmal zwischen Wien, Washington und Tel Aviv die Welt gerettet, gibt es nur ein Mittel, um wieder zu Kräften zu kommen: das Risotto seiner Gattin Chiara.
Dabei muss Daniel Silva, der US-amerikanische Bestseller-Autor, auch nicht viel mehr Worte verlieren als „Arborio-Reis, geriebener Käse, Butter, Weißwein und ein großer Messbecher mit selbst gekochter Hühnerbrühe“. Dazu noch eine „dicke Scheibe Ossobuco alla milanese“. Allein die Reaktion des Bekochten reicht aus, um sich nach dem Lesen nur zu gerne selbst daran versuchen zu wollen. „,Wie schmeckt’s?’ – ,Das sage ich dir, wenn ich wieder bei Bewusstsein bin.’“
Aufs Trinken nicht vergessen
Dabei kann auf das Essen auch ganz verzichtet werden, wie in Friedrich Dürrenmatts Klassiker aus dem Jahr 1958, Das Versprechen. Hier lassen es sich die beiden handlungsbestimmenden Kommissare mit einer „Flasche Châteauneuf-du-Pape von einem Restaurant in der Nähe“ und vielen Doppel-Cognacs so gut gehen, dass man sich direkt wundert, dass im Finale doch noch der Täter gestellt wird.
Martin Walker, der schottische Autor mit Wohnsitz im Périgord, hat mit seinem Bruno, Chef de Police, wiederum einen sympathischen Dorfpolizisten erschaffen, der gleich fünferlei beherrscht: Essen und hervorragend Kochen, Trinken und selbst Wein anbauen sowie das Vermitteln dazwischen – was man getrost auch als hohe Sozialkompetenz bezeichnen könnte.
In Menu surprise, seinem elften Fall, soll Bruno eigentlich Feriengästen regionale Geheimrezepte beibringen, wird jedoch von der Suche nach einer abgängigen Kursteilnehmerin auf Trab gehalten. In Connaisseur, dem zwölften und aktuellen Fall, darf Bruno sich auch nur kurz über seine Mitgliedschaft einer Wein- und Trüffelgilde freuen. Eine Studentin wird vermisst, die sich bald auf dem Anwesen des ältesten Gildenmitglieds findet – als Leiche.
Wie Gott in Frankreich
Wie von Sophie Bonnet – oder den Schriftstellerkolleginnen Donna Leon und Eva Rossmann – liegen auch von Martin Walker sowohl Krimis als auch Kochbücher vor. Darin lässt sich der Autor bereitwillig über die Schultern in die Kochtöpfe schauen. Ob Trüffel, Käse oder Wein, verwendet werden ausschließlich Produkte aus der Region. Sich davon inspirieren zu lassen, ist ausdrücklich empfohlen. Um sich, wie der Verlag verspricht, „auch zu Hause wie Gott in Frankreich zu fühlen“.
Was für ein Unterschied zu der Zeit, als der Wiener Johannes Mario Simmel mit Es muss nicht immer Kaviar sein der Literaturgattung erstmals nachhaltig Futter gegeben hat. „Wir Deutschen, liebe Kitty, können ein Wirtschaftswunder machen, aber keinen Salat“, heißt es da zum Auftakt. Um dann sinnlich zu beschreiben, wie man in der Küche mit den zarten Köpfen „von zwei bildschönen Salatköpfen“ umgehen kann. Ein Genre war geboren, das Genre des „kulinarischen Krimis“.
Mahlzeit!
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