Krimi-Autor Bernhard Aichner: "Ich kann auch Liebesgeschichten"
Seit er vor sieben Jahren mit der „Totenfrau“ einen Megaseller gelandet hat, gilt er als einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Schriftsteller. Bernhard Aichner, 49, Tiroler, ehemaliger KURIER-Fotograf und Familienmensch.
Üblicherweise kam er mit mehr als 50 Lesungen im Jahr ganz schön zwischen Innsbruck, Berlin und Wien herum, seit dem Vorjahr hat er sich mit seiner Frau Ursula und seinen drei Kindern zu Hause eingeigelt. Für einen Autor ist Homeoffice zwar kein Sonderfall, aber die Ausnahmesituation in einem abgeriegelten Bundesland zehrte auch an seinen Nerven. „Soweit ist alles gut, aber es wird schon ein bissl mühsam“, entfuhr es Aichner während des per Videocalls geführten Interviews.
freizeit: Lieber Bernhard, als frühere Kurier-Kollegen sind wir ja per Du. Gratuliere zu deinem Erfolg mit deinem neuen Krimi, du bist die Nummer eins auf der Bestsellerliste.
Bernhard Aichner: Vielen Dank. Du siehst meinen breiten Grinser, ich bin sehr glücklich und zufrieden. Jetzt steht „Dunkelkammer“ schon die fünfte Woche ganz oben. Das freut mich wirklich sehr.
Dieser Krimi handelt von einem mörderischen Fall in Innsbruck: Eine seit Jahren vermisste deutsche Millionärin wird in ihrem Ferienwohnsitz in mumifiziertem Zustand aufgefunden. Ötzi lässt grüßen?
In meinen Büchern ist immer etwas von mir und meiner Heimat dabei. Als die Gletscherleiche gefunden wurde, war ich – neben einem Germanistikstudium – jener Fotolaborant, der die ersten Bilder von Ötzi entwickelte.
Es ist also kein Zufall, dass David Bronski, der Held der „Dunkelkammer“, der diese Tat aufklären möchte, ein Pressefotograf ist, wie du einer warst.
Damals war ich sehr von der Polizeifotografie fasziniert. Und die Erfahrungen von damals haben mir beim Schreiben natürlich sehr geholfen.
Fast ein Zufall hingegen ist es, dass jetzt die „Totenfrau“ fast bei dir ums Eck verfilmt wird.
Stimmt, in Kühtai. Da brauch ich nur 40 Minuten bis dorthin. Zuvor war lange Aspen im US-Bundesstaat Colorado im Gespräch.
Bist du beim Dreh involviert, hast du Mitspracherecht? Dein Kollege Stephen King hatte das meist nicht und ist daher mit fast allen Verfilmungen seiner Bücher unglücklich.
Sie haben mich die Drehbücher lesen lassen und auch meine Kommentare und Anmerkungen ernst genommen. Ich hatte nicht viel zu mosern: sie waren wirklich so gut, dass ich glücklich war. Zuvor hatte ich es schon ein bissl mit der Angst bekommen, dass ich den Kopf in den Sand stecken muss, wenn es mir nicht getaugt hätte.
Kannst du schon ein paar Details verraten?
Es ist eine große deutschsprachige Koproduktion. Nicolai Rohde, der zuletzt den Zweiteiler „Unschuldig“ drehte, führt Regie. Der Cast ist cool, es sind super österreichische und tolle deutsche Schauspieler dabei.
Die Fans der Bestatterin Blum, der „Totenfrau“, mussten lange darauf warten. Von einer Verfilmung war schon bald nach Veröffentlichung des Thrillers die Rede.
Nach mehr als sieben Jahren ist es fast ein Wunder, dass etwas draus wird. Wie ein Sahnehäubchen von dem Erfolg, von dem ich immer geträumt habe: vom Schreiben zu leben. Dass Netflix in 190 Ländern die Figur hinausballert, ist eine Sensation. Und dann kommt auch bald die Verfilmung meines Max-Broll-Krimis „Für immer tot“ ins TV.
Schaust du selbst gerne Krimis oder Thriller im Fernsehen? In deinen Geschichten fällt in den Dialogen bisweilen eine eher despektierliche Meinung vom „Krimi-Fernsehwissen“.
Ich lese lieber, als auf den Bildschirm zu starren. Aber wenn ich auf eine spannende Serie stoße, kippe ich schon hinein. Früher musste man schauen, was es gibt. Jetzt kann man es sich aussuchen. Das ist der große Unterschied. Meine letzte Entdeckung auf Netflix ist ein richtig guter mexikanischer Thriller mit einem weniger guten deutschen Titel: „Wer hat Sara ermordet?“
Kommst du überhaupt zum Schauen? Man hat den Eindruck, du bist pausenlos am Schreiben. Vor zwei Jahren hast du mit dem Thriller „Der Fund“ und der etwas anderen Liebesgeschichte „Kaschmirgefühl“ gleich zwei Bücher veröffentlicht. Und die Fortsetzung von „Dunkelkammer“ soll schon im Juli erscheinen.
Wenn ich das Personal nach nur einem Buch nach Hause schicken muss, ist das schon schade. Deswegen funktionieren Serien im Fernsehen auch so gut, weil die Zuseher ihre Bekannten wiedersehen. Und wenn das Personal schon da ist, kann man sich mehr um die Entwicklung der Figuren kümmern. Wie geht es mit der Liebe weiter? Wie geht es Bronski mit der Beziehung zu seiner Tochter usw.
Apropos Liebe. In einer im Rahmen eines Krimi-Festivals verfasten Kurzgeschichte lässt du eine Mörderin gestehen: „Das mit der Liebe kann ich nicht. Konnte ich nie. Dass ich es versucht habe, war wohl ein Fehler.“ Was steckt da dahinter?
Gerade Krimiautoren setzen sich immer wieder dem Vorurteil aus, dass sie nur über das Morden schreiben. Stimmt so nicht. Ich habe acht Romane geschrieben, bevor mir mit der „Totenfrau“ der Durchbruch gelungen ist. Darunter Romane über das Glück, den Glauben, die Liebe und die Hoffnung.
Was denkt sich eigentlich deine Frau, wenn sie deine Bücher liest, in denen mit den Mitmenschen nicht eben zimperlich umgegangen wird?
Sie kennt mich ja. Sie weiß, dass unter der harten Schale ein weicher Kern steckt. So wie in jeder meiner Geschichten eine Liebesgeschichte verborgen ist.
Ist sie deine Erstleserin?
Nein, das ist meine Verlegerin.
Das muss eine starke Frau sein.
Ist sie.
Du scheinst sehr treu zu sein. Deine Megaseller wie die „Totenfrau“-Trilogie oder jetzt „Dunkelkammer“ kommen beim Verlagsmulti Penguin Random House heraus. Bücher wie „Kaschmirgefühl“ nach wie vor bei deinem Innsbrucker Stammverlag Haymon. Ist das beabsichtigt?
Ja, voll. Nicht nur, weil der Verlagsleiter ein Freund ist. Ohne den Haymon-Verlag wäre ich kein Schriftsteller geworden, hätte es die „Totenfrau“ nie gegeben, auch die „Dunkelkammer“ nicht.
„Totenfrau“ wurde in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt, unter anderem ins Koreanische. Hast du davon ein Exemplar in deinem Bücherregal?
Ja, ich habe je ein Buch von allen Übersetzungen. Die asiatische finde ich sehr spannend, weil ich keine Ahnung habe, was die einzelnen Schriftzeichen bedeuten. Sie sind alle rätselhaft und sehr schön anzusehen. Demnächst kommt eine türkische Ausgabe heraus. Die Bestatterin Brünhilde Blum dürfte dann die erste männermordende Frau in der literarischen Landschaft der Türkei sein.
Die koreanische ,Totenfrau’-Ausgabe finde ich spannend. Schon, weil ich keine Ahnung habe, was die Schriftzeichen bedeuten.“
Das scheint mir auch eine Premiere zu sein: Auf der letzten Seite von „Dunkelkammer“ ermunterst du die Leser, dir ein Feedback zu mailen. Gilt das auch für die koreanische und die türkische Ausgabe? Und was schreiben dir die Leser?
Das gilt nur für die deutschsprachige Ausgabe. Sonst würde es ausufern. Die Leser sind jedenfalls sehr angetan. Viel Lob, viel Freude bei mir.
Wie kann man sich einen Abend bei den Aichners vorstellen? Leseratten unter sich?
Schon, mit kleinen Unterschieden. Meine Frau hört gerne Hörbücher, ich schlafe davon schnell ein. Die Kinder fangen auch schon an, eigene Geschichten zu schreiben.
Und wie ist es, wenn du dich mit Krimi-Kollegen wie Sebastian Fitzek oder Andreas Gruber austauschst? Besprecht ihr die neuesten Arten zu morden?
Nein, da geht es ganz manierlich zu. Wir sind ja auch froh, hin und wieder nicht über unser brutales Handwerk zu reden.
Bernhard Aichner wurde 1972 in Heinfels, einem 1.000-Seelen-Dorf in Tirol, geboren. Mit 17 brach er die Schule ab, ging nach Innsbruck und wurde Fotolaborant. Fünf Jahre war er KURIER-Fotograf in Tirol. Im Jahr 2000 erschien sein erster Erzählband. Seither feilt er an seinem Stakkatostil aus Dialogen und temporeichen Texten.
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