High Life

Das wird der höchste aller Wolkenkratzer-Giganten: Der Kingdom Tower Dschidda, Saudi-Arabien, soll mehr als 1.000 Meter in den Himmel ragen und 2018 eröffnet werden – inklusive der höchsten Sternwarte der Welt in 610 Metern Höhe
Scyscraper der Superlative schießen weltweit aus dem Boden. Eine neue Ära der Himmelskratzer ist angebrochen. Gebäude, die alle bekannten Dimensionen sprengen, werden geplant oder sind bereits im Bau.

„Ich bin Business. Ich bin Gewinn und Verlust. Ich bin Schönheit, die in die Hölle des Praktischen geraten ist.“ Mit diesen Worten beschrieb der Autor Benjamin De Casseres 1925 in „The Mirrors of New York“ die Wolkenkratzer Manhattans. Fast 100 Jahre später scheint’s, als würde der Himmel abgeschafft. Alle wollen ganz nach oben. Im Wettlauf der gebauten Vertikalen soll schon bald die 1.000-Meter-Marke fallen.

Nach vier Jahren Bauzeit hatte zuletzt der chinesische Shanghai Tower Dachgleiche bei 632 Metern. Das macht ihn zum derzeit zweithöchsten Gebäude der Welt – nach dem 2010 eröffneten, 828 Meter hohen Burj Khalifa in Dubai. Die meisten der neuen Giganten entstehen in China. Aber der Spitzenreiter – der Kingdom Tower soll erstmals die 1.000-Meter-Marke knacken und 2018 fertig sein – steht in Dschidda in Saudi Arabien.

Nach den Plänen des schwedischen Architekturbüros Belatchew könnten einem Hochhaus in Stockholm sogar Haare wachsen. Der „Söder Torn“ soll grünen Strom erzeugen – ohne Solarpaneele oder Windturbinen. Piezoelektrische Fasern, die wie ein plüschiges Fell im Wind wehen, könnten Strom erzeugen. Und der haarige Turm hat auch schon einen Namen: Strawscraper.Aber auch die Tiefbau-Ingenieure haben Großes vor: Geht es nach dem mexikanischen Architekturbüro Bunker Arquitectura, soll bald eine gläserne Pyramide die Plaza de la Constitución in Mexico City beleben. 65 Stockwerke, 300 Meter tief. „Wir planen eine umgekehrte Pyramide, die wir Earthscraper nennen“, sagte Esteban Suarez.

Ein Wolkenkratzer also, der sich in die Erde bohrt – ein Erdkratzer. Mit Wohnungen, Geschäften, Museen und Büros. Statisch sei der Bau kein Problem. Seine Form sorgt für natürliches Licht auch im untersten Stockwerk. Der Boden der umgekehrten Pyramide ist aus dickem Glas, sodass das Licht ohne großen technischen Aufwand mit Hilfe von Fiberglasprismen bis tief unter die Erde gestreut wird. Auch Japans Star-Architekt Tadao Ando propagiert seit Jahren „unsichtbare Architektur“ unter der Erde: als Antwort auf wild wuchernde Megacitys. Suarez und Ando sehen darin „ein riesiges Potenzial, um Städte lebenswerter zu machen“.

Zweierlei hat das ambitionierte Türmebauen in den Himmel erst möglich gemacht: Die Erfindung des Fahrstuhls um 1875 führte in New York zu einer Aufstockung der Gebäudehöhen auf rund zehn Etagen. Die Elevator Buildings entstanden. Aber erst mit dem in den 1880er-Jahren entwickelten Stahlskelettbau und statt mit Hydraulik elektrisch betriebenen Aufzügen wurden aus Hochhäusern Wolkenkratzer. Das 1913 fertiggestellte Woolworth-Gebäude hatte bereits 55 Etagen.

Anfang des 20. Jahrhunderts, als New Yorks Boom seinen Höhepunkt erreichte, träumten Utopisten von der vertikalen Stadt. Gebäude von nie dagewesener Höhe sollten nur die Grundpfeiler einer städtischen Infrastruktur sein, die geflechtartig gen Himmel wuchs, weil am Boden kein Platz mehr war. Fritz Lang verwandelte diese Utopie in einen Albtraum: „Metropolis“. Doch nicht in New York mit etwa 5.500 Türmen ist diese Vision Wirklichkeit geworden, sondern in Asien. Die Stadt mit den meisten Hochhäusern derzeit – mehr als 7.500 – ist Hongkong, wobei alles eingerechnet ist, was mehr als zwölf Stockwerke hat oder höher als 40 Meter ist.

Führend unter den Städten mit den meisten Türmen ab 100 Metern Höhe ist Hongkong mit 1.224 Wolkenkratzern – vor New York und Tokyo. Mit 636 Metern belegt das Greenland Center im chinesischen Wuhan Platz drei im internationalen Ranking der zukünftigen Himmelsstürmer. Überflügelt werden dürfte es allerdings schon bald vom Ping An International Finance Center in Hongkongs Nachbarschaft Shenzhen, das es auf 660 Höhenmeter bringen soll.

Im amerikanischen Raum kann überraschenderweise nur ein einziges Projekt im Bau beim Giganten-Wettlauf mithalten: das 541 Meter hohe One World Trade Center in New York. Schon jetzt abgeschlagen auf Rang sieben der noch im Bau befindlichen Wolkenkratzer, wird die einstige Hochhaus-Weltmacht USA bald nicht einmal mehr unter den Top Ten der höchsten Gebäude der Welt vertreten sein.

Riesenhochhäuser haben aber auch viele nachteilige Begleiterscheinungen: Sie werfen lange Schatten. Verglaste oder gar verspiegelte Fassaden können Licht und Wärme unangenehm reflektieren. Außerdem erzeugen Hochhäuser Wind, weil sie die Luftströme von oben nach unten lenken. Sie erzeugen sehr viel Verkehr. Und sie verbrauchen enorm viel Energie.

Ganz abgesehen von Horizontverschiebungen: Ein hohes Haus, das einem gar nicht als Hochhaus geläufig ist, vernichtete schon, als es in Wien noch gar keine Hochhaus-Debatte gab, eine wichtige städtische Blick-Achse. Von der Schönbrunner Gloriette kann man nicht mehr den Stephansdom sehen, seit am Gürtel beim Westbahnhof das Ibis-Hotel errichtet wurde. Da fühlt man dann doch mit Hans Moser, der im Film „Der Onkel aus Amerika“ 1953 sang: „Wenn ich die Wolkenkratzer sehe, dann wünsch ich mir ein kleines Haus, ein kleines Haus, ganz in der Nähe, denn ich will ja gar nicht hoch hinaus ...“

Gar winzig wirken New Yorks Freiheitsstatue und der Wiener Stephansdom im Vergleich zu den neuen Wolkenkratzern der Superlative: Noch Baustelle ist der Kingdom Tower in Dschidda, Saudi-Arabien, der zum Zeitpunkt der Fertigstellung 2018 mit über 1.000 Metern der höchste Turm der Welt wäre. Der Burj Khalifa, Dubais Wahrzeichen, mit 828 Metern das derzeit höchste Gebäude der Welt, ist bereits zu besichtigen. Das Greenland Center in Wuhan, das höchste Gebäude in China, soll vom Ping An Finance Center übertroffen werden.

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