Königsklasse

Königsklasse
Zu Fred Adlmüllers Kundinnen gehörten Königinnen der Oper, des Films und eine aus Thailand – Sirikit, die Frau von König Bhumibol.

Auf den ersten Blick hätten sie unterschiedlicher nicht sein können: Gertrud Höchsmann, die bedeutendste Wiener Couturière (siehe Teil 3 der freizeit-Serie) und Fred Adlmüller, der gefeierte Modezar. Puristisch ihr Arbeitsstil, glamourös der seine. Sie zurückhaltend bis zur Verschlossenheit, vor allem der Presse gegenüber. Er weltoffen und gerne von Stars umgeben. Understatement auf ihrer Seite, aufwendige Modeschauen und Feste auf seiner.

Blickt man hinter die Kulissen, kommen die Gemeinsamkeiten zu Tage: Wie Höchsmann inspirierten Adlmüller Stoffe. Schon beim ersten Anblick und Befühlen der Materialien flogen ihm Ideen geradewegs zu: Sah er einen Stoff, der ihm gefiel, hatte er das fertige Modell bereits vor Augen. Wie seine Konkurrentin war auch Adlmüller bei der Ausarbeitung seiner Entwürfe von Perfektion geradewegs besessen. Schritt für Schritt überwachte er die Arbeit aller Mitarbeiter, legte selbst Hand an und korrigierte so lange, bis er mit dem Modell vollkommen zufrieden war.Beiden war es ein Bedürfnis, ihr Können auch weiterzugeben. Auf Höchsmann als Leiterin der Modeklasse an der Angewandten folgte 1973 bis 1979 Adlmüller.

Königsklasse

Wie wichtig auch er diese Aufgabe nahm, zeigt seine Entscheidung: Um genug Zeit für die Studenten zu haben, sperrte er die seit 25 Jahren bestehende Adlmüller-Dependance in München zu. Und in seinem Testament verfügte er, dass ein Teil seines Vermögens in Millionenhöhe Studenten der Angewandten als Stipendium zugute kommen soll. „In meinem Leben stand an erster Stelle die Mode, dann kam wieder die Mode und dann nochmals die Mode“, analysierte Adlmüller sich an seinem 80. Geburtstag, der am 16. März 1989 großartig gefeiert wurde: Im Schloss Schönbrunn. Mit unzähligen Stehgeigern, Stargästen und einer grandiosen Modeschau. Da ist Fred Adlmüller schon sterbenskrank. Trotz Schmerzen beginnt er noch im Krankenbett an der neuen Herbstkollektion zu arbeiten, lässt sich Stoffe liefern, zeichnet Entwürfe. Es sollte nicht mehr dazu kommen.Durch geniales Talent, unendlichen Fleiß, glückliche Zufälle und professionelle Arbeit hatte er sich einst den Beruf des Modeschöpfers erkämpft. Die gleiche, nie enden wollende Begeisterung für diesen Beruf ließ ihn zum weltweit gefragten Wiener Modezar wachsen.Gleich sein erster internationaler Auftritt wurde zum Glanzpunkt seiner Karriere. Anlässlich der Brüsseler Weltausstellung 1958 entwarf er Uniformen für die Hostessen im österreichischen Pavillon von Karl Schwanzer. Gegen den Widerstand heimischer Funktionäre hatte er dabei auf Kanariengelb gesetzt. Trotz Konkurrenz aller Großen der Branche, von Dior über Balenciaga bis Givenchy, gewann der Autodidakt den Grand Prix für die beste Uniform.Viele weitere Sternstunden sollten folgen. Etwa als der thailändische König Bhumibol auf Staatsbesuch nach Wien kommt. Offenbar hatte Sirikit, seine Frau, Kunde von Fred Adlmüllers Können erhalten und kam ins Palais Esterhazy.

Adlmüller lässt seine drei Hausmannequins antreten und gewinnt mit seiner exzellenten Mode die Königin als treue Kundin. Was ihm bereits bei Madame Sukarno, der Frau des indonesischen Staatspräsidenten, der Begum und unzähligen Schauspielerinnen gelungen war (nachdem er für Willi Forst ebenso unzählige Filme ausgestattet hatte). Als sich die „Wiener Illustrierte“ Rat suchend an ihn wendet: „Wir brauchen dringend ein Mädchen, dass zur Wahl der Miss Austria nach Palermo fliegen soll“, meint er scherzhaft: „Die Miss Austria sitzt gerade neben mir.“ Und schickt eine Elevin des Theaters in der Josefstadt, die bei ihm als Mannequin ihr Taschengeld verdient, Nadja Tiller. Sie wird Miss Austria. Auch Opernstars wie Lisa della Casa, Anneliese Rothenberger, Ljuba Welitsch und Christa Ludwig trugen auf der Bühne und privat Adlmüller.

Lotte Tobisch, legendäre Opernballmutter, lässt sich von ihm für den Ball der Bälle lose Kaftans auf den eleganten Leib schneidern. Auch die First Ladies von Österreichs Staatsoberhäuptern, von Luise Renner bis Margarete Jonas, kleiden sich dafür allesamt im Hause Adlmüller ein. Als das Ehepaar Jonas darüber hinaus von ihm auch für einen Staatsbesuch mit der passenden Garderobe ausgestattet werden will, lädt der Bundespräsident Fred Adlmüller in die Villa auf die Hohe Warte. Öffnet dem Modeschöpfer noch dazu höchstpersönlich die Türe und begrüßt ihn mit den Worten: „Welche Ehre, dass mich ein König besuchen kommt.“

Geboren wird Wilhelm Alfred Friedrich Adlmüller 1909 in Nürnberg, wächst in München auf und arbeitet als gelernter Koch in den Hotels seines Vaters. 1929 geht er nach Wien und wird ein begehrter Kundenberater im Modekaufhaus „Ludwig Zwieback & Bruder“. 1931 wechselt er zu „Stone & Blyth“ ins Palais Esterhazy auf der Kärntner Straße. Er wird nach Paris geschickt und verarbeitet, was er dort sieht, in eigene Modelle für das Modehaus. 1933 entwirft er eine ganze Kollektion für eine internationale Modeausstellung in der Wiener Hofburg. Als die jüdischen Besitzer von „Stone & Blyth“, das Ehepaar Sass, nach England emigrieren, setzen sie Adlmüller als Geschäftsführer ein. Die Kriegswirren übersteht er als Filmausstatter. 1946 wird ihm die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. 1949 kehrt das Ehepaar Sass nach Wien zurück. Gegen eine Leibrente übergeben sie ihm den Salon. Er ruft die W. F. Adlmüller Ges.m.b.H. ins Leben. 1989 stirbt Fred Adlmüller als gefeierter Modezar.

Kommentare