Kommt's auf die Länge an?
Wesentlich länger vor allem. Nicht unbedingt, meint dazu die Sprachwissenschaftlerin Eva Lia Wyss von der Universität Koblenz-Landau. Seit mehr als zwanzig Jahren beschäftigt sich die Schweizerin mit privaten Texten, die eine Botschaft der Leidenschaft zum Inhalt haben. Egal, ob auf dickes Büttenpapier gedruckt oder als flüchtiges Emoji verfasst, ob sie ankommt, „kommt dabei ganz auf den Moment an“, sagt die Expertin.
Und, nein, um auf die im Titel gestellt Frage einzugehen, verlernt haben wir das Schreiben von Liebesbriefen nicht. Die amourösen Texte schauen heute nur anders aus. Mitunter eben wie ein per Handy verschickter Kussmund. So gesehen, ist das Gegenteil der Fall: Wir schreiben entschieden mehr Liebesbriefe denn je!
Internet beflügelt Postillon d'Amour
Überraschenderweise hat sich nämlich herausgestellt, so die Liebesbrief-Professorin, „dass gerade das Korrespondieren – das ursprünglich eine ältere Form der Liebeskommunikation darstellt, die zwischen bürgerlichen Brautleuten im 19. Jahrhundert gepflegt wurde – im Internet ein Comeback erlebt“. Oder am Smartphone.
Freilich mit veränderten Parametern. Der Wandel in der Ausdrucksform blieb nicht ohne Folgen für die Sprache der Liebe. Sie wurde direkter. Der Übergang vom Chat zum Flirt ist oft fließend, mitunter wird ein Ton angeschlagen, der Liebenden von einst die Schamesröte auf die Wangen getrieben hätte.
In ihrem „Archiv für Liebesbriefe“ hat Frau Prof. Dr. Eva L. Wyss mehr als 20.000 handgeschriebene Briefe und 14.000 Liebeserklärungen in Form von SMS, E-Mails und Chatbeiträgen abgelegt. Eine Folge dieser raschen Aufholjagd der elektronischen Korrespondenz: „Ein handgeschriebener Brief erhält nun eine ganz besondere Wertigkeit.“
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