Forscherin: "Wir tendieren dazu, die Krankheit zu unterschätzen"

Forscherin: "Wir tendieren dazu, die Krankheit zu unterschätzen"
Wie reagiert der Mensch in seinem Verhalten auf die Corona-Krise? Die Verhaltensbiologin Elisabeth Oberzaucher gibt im KURIER-Gespräch die Antworten.

kurier.at: Frau Dr. Oberzaucher, was macht das Herdentier Mensch, wenn er plötzlich nicht mehr in die Herde darf?

Dr. Elisabeth Oberzaucher: Wir haben jetzt zwar gesetzliche Regelungen, die das gesellschaftliche Leben einschränken. Aber die Bereitschaft der Menschen, dies auch tatsächlich zu tun, lässt noch zu wünschen übrig. Das hat sicher auch damit zu tun, dass wir gar nicht begreifen, was dieses exponentielle Wachstum für uns eigentlich bedeutet. Die derzeitigen absoluten Zahlen der Erkrankungen sind ja noch nicht so erschreckend, und daher tendieren wir dazu, das sehr zu unterschätzen und mitunter so weiter zu machen, wie wir immer getan haben.

Fehlen vielleicht die ganz dramatischen Bilder, wie es zum Beispiel die brennenden Rinderberge bei der BSE-Krise waren? Derzeit wirken die Bilder von Menschen mit Masken am bedrohlichsten?

Wir wollen ja auch nicht, dass Menschen in Panik geraten. Aber wünschenswert wäre, dass Menschen dazu beitragen, dass die Ausbreitung des Virus verlangsamt wird. Und der Appell, auch das Privatleben massiv einzuschränken, ist noch nicht durchgedrungen - zum Beispiel auch die privaten physischen Treffen auf das allernotwendigste zu beschränken. Bei jedem Mal, wenn man das Haus verlässt, sollte man sich eigentlich überlegen, ob das unbedingt notwendig ist, oder ob ich nur Lust darauf habe.

Aber wie dringt man da zu den Menschen durch, offenbar reicht das ja bisher nicht?

Das was für die Menschen schwierig ist, sind die widersprüchlichen Maßnahmen, die da gesetzt werden. Es werden Universitäten geschlossen, Einkaufszentren bleiben aber offen. Auch die Grenzen, die für Veranstaltungen gezogen werden, erscheinen willkürlich. Denn der Unterschied zwischen 99 und 100 Menschen wird ja keinen Unterschied machen, aber irgendwo muss man halt eine Grenze ziehen.

Oder man schließt alles, wie das in Italien der Fall ist?

Das ist ein Szenario, das uns natürlich erwarten kann, wenn es nicht gelingt, den Anstieg aus Eigenverantwortung heraus zu reduzieren.

Kommentare