Auf den ersten Eindruck wirkt sie, als hätte sie gerade ein erholsames Nickerchen hinter sich. Doch dieser Anschein ist schnell verflogen: Ihre Antworten zeugen von einem hellwachen Geist, klug spricht sie über Selbstbestimmung, ihre Wortwahl ist ausgesucht artikuliert – kichern mag sie aber auch gern.
Die 37-jährige Britin hat eine Oscar-Nominierung im Lebenslauf (als Frau von Physik-Genie Stephen Hawking in „Die Entdeckung der Unendlichkeit), Bestseller-Verfilmungen („Inferno“, mit Tom Hanks), und Kassenschlager („Rogue One: A Star Wars Story“). Jetzt ist Romantik dran: Auf Netflix ist „Eine Handvoll Worte“ angelaufen. Das Liebesepos ist die Verfilmung des drei Millionen Mal verkauften Bestsellers von Jojo Moyes („Ein ganzes halbes Jahr“).
Die Story erzählt auf zwei Zeitebenen: Ellie ist Journalistin und hat ihren Traumjob, doch privat ist sie unglücklich – der Mann, den sie liebt, liebt eine andere. Eines Tages fällt ihr ein mysteriöser Liebesbrief aus den 1960ern in die Hände. Der unbekannte Absender bittet seine Geliebte, ihren Ehemann zu verlassen und mit ihm in New York ein neues Leben zu beginnen. Sie forscht nach, was aus den beiden wurde – und stößt auf eine unglaubliche Liebesgeschichte ...
Freizeit: Mrs. Jones, für einen Film über einen mysteriösen Liebesbrief – sind Sie da sogleich Ihre eigene Post von früher durchgegangen?
Felicity Jones: Das hätte ich vermutlich tun sollen. Ich besitze Liebesbriefe, die ich bekommen habe, als ich jünger war. Die Flamme brennt nun mal am heißesten, wenn du jung bist, ein Teenager. Wenn der Impuls zu schreiben so stark ist, weil du all diese neuen und aufregenden Gefühle, die du hast, bündeln möchtest.
Heute wird wahrscheinlich weniger mit der Füllfeder geschrieben, dafür übers Handy.
Die Kommunikation von Gefühlen mittels des geschriebenen Wortes und wie das die Menschen handhaben, fasziniert mich. Denn unsere Gefühle einst und heute sind ja die gleichen, die haben sich nicht geändert. Was sich geändert hat, ist der Mechanismus, über den wir sie kommunizieren.
Sind Sie wie viele andere ein Mensch, der ständig am Handy hängt?
Es ist tatsächlich so, dass ich es liebe, SMS zu schicken. Wenn ich vor der Wahl stehe, jemandem per Handy Textnachrichten zu übermitteln oder anzurufen, wähle ich immer die SMS. Natürlich: Es gibt Situationen im Leben, da musst du anrufen. Aber für gewöhnlich bevorzuge ich es, zu texten. Die Vorteile sind klar: Man kommt schnell zum Punkt, sagt, was man zu sagen hat, und das alles ist auch noch in wenigen Sekunden erledigt. (lacht)
Ein Brief hat da ganz andere Erfordernisse.
Das ist tatsächlich nicht zu vergleichen. Ein E-Mail zu senden ist einfach. Der Prozess, einen Brief, zumal einen Liebesbrief, zu schreiben, ist dagegen ungemein kraftvoll. Seine Bedeutung ist eine viel größere. Die Wirkung, die er haben kann, vielleicht ebenso. In unserem Film schenkt die Existenz eines solchen Briefes meiner Figur Hoffnung. Dass in einer Welt, die so vorübergehend und austauschbar ist, reine Liebe existiert. Und dass so eine Liebe von Dauer sein kann. Das berührt sie ungemein.
„Eine Handvoll Worte“ porträtiert zwei Frauen unterschiedlicher Generationen. Die Konzepte von Ehe und Beziehungen haben sich in dieser Zeit sehr verändert.
Dennoch verbindet beide mehr, als sie trennt. Beiden geht es um Selbstverwirklichung. Sie müssen erst Hindernisse überwinden, um imstande zu sein, ihr wahres Ich zu erkennen. Von der Älteren wird erwartet, dass sie heiratet, in ihrer Ehe treu ist – sie darf nicht frei sein. Die Jüngere hingegen hat so viel Auswahl, dass sie ihre Freiheit gar nicht recht genießen kann. Auf einer tieferen Ebene ist der Film die Untersuchung weiblicher Identität in zwei Zeitspannen.
Sie sind vergangenes Jahr Mutter geworden. Hat das Ihre Identität beeinflusst?
Ja, es ist nun eine Identität von großer Müdigkeit und begrenzter Zeit. (lacht) Mutter zu sein beschleunigt jede Form von Entscheidungsfindung jedenfalls immens. Man hat gar keine Zeit mehr, sich Sorgen zu machen. Es schärft die Sinne, und das ist doch, was wichtig ist im Leben. Immerhin ist unsere Zeit auf Erden limitiert. Dann sollten wir sie auch mit etwas verbringen, das uns wichtig ist.
Sie wussten scheinbar schon früh, was Ihnen wichtig ist: Schon mit elf Jahren haben Sie zu schauspielen begonnen.
Ich wollte ursprünglich ganz viele verschiedene Berufe ergreifen. Journalistin etwa, oder Anwältin. Wahr ist, dass ich eigentlich einige Zeit benötigte, um zuzulassen und zu genießen, Schauspielerin zu sein.
Doch damals, als Kind, erinnern Sie sich noch an den Impuls, der Sie dazu brachte, sich fürs Schauspielen zu interessieren?
Ich glaube, was ich damals daran mochte, war als Erwachsene behandelt zu werden, und das in einem ganz schön jungen Alter. Ich genoss es, eine kleine Geschäftsfrau zu sein. (lacht) Dass ich die Möglichkeit hatte, unabhängig zu sein. Die kreative Stimulation, in einem erwachsenen Umfeld, obwohl mir natürlich bewusst war, dass ich Kinderfernsehen mache. Einmal in der Schule zu sein, dann wieder an einem Filmset, diese Mischung gefiel mir. Und es war immer mein Traum, einen Job zu haben, der kreativ ist. In einem Büro arbeiten wollte ich nie.
Felicity Jones wurde 1983 in Birmingham geboren. Schon mit elf spielte sie Schultheater, mit 15 im Kinderfernsehen. Jones studierte Englisch in Oxford. Durchbruch mit „Like Crazy“. Oscar-Nominierung für „Die Entdeckung der Unendlichkeit“, zuletzt in „The Midnight Sky“ mit George Clooney. Verheiratet, ein Sohn (1).
Sie spielen oft starke Frauen. Halten Sie nach solchen Rollen besonders Ausschau?
Ich mag es, wenn die Figuren, die ich spiele, nicht eingeschüchtert sind von dieser Welt, sondern nach Selbstverwirklichung streben. Wenn sie motiviert sind und ein Element von Kontrolle über ihr Schicksal mitschwingt. Das kommt jetzt bei Frauenrollen öfter vor. Jeder Autor weiß, dass er mit einem anderen Zugang nicht mehr davonkommt.
Ist es manchmal hart, sich als Frau im Filmgeschäft durchzusetzen?
Mit altmodischen Geschichten und althergebrachten Rollenbildern ist heute nichts mehr zu holen. Die Welt der Kultur ist größer geworden. Serien wie „Das Damengambit“ zeigen, dass Geschichten von Frauen neu erzählt werden. Und dass weibliche Rollen in den vergangenen Jahren einen fundamentalen Wechsel zum Besseren genommen haben. Das ultimative Ziel ist aber immer, fesselnde Geschichten zu entwickeln, die Frauen wie Männer gleichermaßen ansprechen.
Die Geschichten von Jojo Moyes, die die Buchvorlage geschrieben hat, fesseln viele Menschen, woran liegt das?
Es sind altmodische Geschichten, die sie allerdings in die Modernität transferiert; zudem stecken sie voller sympathischer Charaktere. Und es sind natürlich ultimative Storys über das Thema der romantischen Liebe. Wir genießen die menschlichen Instinkte und Werte, die ihre Romane ansprechen, deshalb möchten wir sie wieder und wieder lesen. Ich hatte bereits vor Jahren die Gelegenheit, sie kennenzulernen. Sie war auch sehr aktiv einbezogen in die Entwicklung des Drehbuchs.
„Mutter zu sein beschleunigt jede Form von Entscheidungsfindung immens. Man hat
gar keine Zeit mehr, sich Sorgen zu machen.“
von Felicity Jones
Die unterschiedlichen Frauengenerationen im Film, über die wir gesprochen haben, wie sehen Sie da die Unterschiede?
Ich glaube, die Generation von Frauen und Müttern aus den 1960er- und 1970er-Jahren mussten enorm viel opfern, weil sie durch äußere und gesellschaftliche Umstände dazu gezwungen waren. Sie bekamen zwar eine Idee von Freiheit, etwa durch die Antibaby-Pille; dennoch waren sie eine Übergangsgeneration. Der Welt fehlten noch die Mechanismen, ihre Vorstellungen zu bewältigen. Unserer Generation haben sie die Freiheit geschenkt, die wir heute genießen. Wir können ausleben, was sie sich wünschten: Entscheidungsfreiheit. Die Frauen von damals standen unter dem Druck, in ihren Zwanzigern zu heiraten und Kinder zu bekommen. Wenn ich mich unter meinen Freundinnen umschaue, nehme ich einen anderen Druck wahr: den Druck, Karriere zu machen. Unser Druck ist besser. Wir ernten den Lohn, wofür die Frauen damals gekämpft haben.
Haben Sie sich in Ihren Möglichkeiten je eingeschränkt gefühlt?
Frauen meines Alters sind in der glücklichen Lage, dass sie erreichen können, was sie sich zum Ziel gesetzt haben. Ich persönlich hatte immer einen starken Sinn für Wirtschaft und Unabhängigkeit, weil ökonomische Eigenständigkeit zu Entscheidungsfreiheit führt. Dazu müssen wir junge Frauen ermutigen.
Haben Sie über diese Themen zum Beispiel auch mit Ihrer Mutter gesprochen?
Ja. Eine Mutter übt riesigen Einfluss auf einen aus. Sie ist mitverantwortlich dafür, dass wir uns selbst nicht limitiert fühlen. Der Schlüssel dafür ist Bildung. Ich habe das Glück, auf eine gute Bildung verweisen zu können. Hinauszugehen und in den akademischen Institutionen, die ich besucht habe, Selbstvertrauen zu tanken, war sehr wichtig für mich. Hier wirst du gelehrt, dass du etwas tun musst in dieser Welt. Und dass deine Stimme Wert hat. Auch mein Kind soll das Gefühl bekommen, dass es tun kann, was es will – und dass ich es dabei unterstütze.
Ein guter Weg, glücklich zu werden, war Ihnen bereits in die Wiege gelegt: Ihr Name Felicity bedeutet ja Glückseligkeit
...Stimmt, der Name übt als Begleiterscheinung einen gewissen Druck auf einen aus. (lacht) Ich sehe ihn gerne als eine Art Wegweiser. Vor Kurzem habe ich übrigens einen Artikel gelesen, in dem es hieß, Glück sei das neue Statussymbol. Ist das nicht wundervoll? Es ist nicht mehr wichtig, welches Auto du fährst, wie viel Geld du verdienst oder welchen Job du ausübst – dein Status basiert darauf, wie happy du bist. Für mich bedeutet Glück Balance und Stabilität in meinem Leben zu haben und tun zu können, was ich liebe.
Wie erinnern Sie sich eigentlich an Ihre Zeit in Österreich? Sie haben ja einmal einen Film in St. Anton gedreht.
Ich hatte eine fantastische Zeit! Es war wahnsinnig lustig, „Chalet Girl“ zu drehen, es war so eine Freude, Ski zu fahren – selbst für Anfänger. Ich habe viele schöne Erinnerungen an damals – inklusive nach zu vielen getrunkenen Shots am Hintern den Berg runterrutschen. Ich freue mich schon, wenn ich St. Anton wieder einen Besuch abstatten kann. Meine Familie und ich sind immer noch zu einer gratis Skitour eingeladen, das werde ich auf keinen Fall sausen lassen.
Sind Sie seit damals wieder auf einem Snowboard gestanden?
Ja, zuletzt vor zwei Jahren. Ich dachte, ich wäre echt gut, immerhin habe ich ja den Film gedreht. Doch das Ergebnis war schockierend: Ich bin ständig hingefallen, alle fünf Minuten lag ich mit der Nase im Schnee. Ich bin dann zum Skifahren zurückgekehrt, tut mir leid, das sagen zu müssen – aber vielleicht wage ich ja mal ein Comeback!
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