So revolutionieren Online-Videos das Mathe-Lernen

So revolutionieren Online-Videos das Mathe-Lernen
Was sagen die Experten, wie man das Internet sinnvoll nützt, um die Angst vor den Zahlen zu verlieren. Mit KURIER-Family-Talk.

Mathematik ist das Nachhilfe- und Angstfach Nummer 1. Mit seiner Plattform mathago.at will Online-Gründer Deniz Arun „die Angst vor Mathematik zerstören.“ Jetzt wurde er mit dem eAward 2020 der Wirtschaftskammer in der Kategorie Bildung ausgezeichnet.

Was er bietet? „7000 Videos mit allen Themen der Oberstufe und dazu ein Whats-App-Service für Fragen. Aber es reicht nicht, dass man sich kurz vor der Schularbeit alle Videos anschaut: Man muss sich regelmäßig damit beschäftigen. Deswegen poste ich in meinem Instagram-Channel täglich Rechenbeispiele. Auch Denksport-Aufgaben, die einfach nur Spaß machen.“

Er veranstaltet noch Intensiv-Kurse in der Realität an und findet es schade, dass vielen Kindern die Mathematik verleidet wurde: „Sie bekommen unnötigerweise vermittelt, dass es schwierig ist und man es halt nicht versteht, oft gerade bei Mädchen. Aber ich finde, Mathematik ist wie eine Sprache – die man auf der ganzen Welt spricht.“

Wer sind gute YouTuber?

Auch an der Bildungsdirektion ist das Thema Online-Lernen nicht spurlos vorübergegangen. Mathematikerin Petra Klacl, selbst Lehrerin an einer AHS, kennt die YouTuber, die gute Videos machen: „Es gibt wirklich gute Erklär-Videos. Gerade schwächere Schüler profitieren davon: Die können sich das Video auch fünf Mal anschauen oder dazwischen immer unterbrechen und nachrechnen. Das geht in der Klasse schwer.“

Sie warnt jedoch vor einer Zeitverschwendung: „Schüler müssen zielsicher die richtigen YouTuber suchen und die Themen auswählen, die sie lernen müssen. Sonst gehen sie im Netz verloren.“ Bei erfolgreichen Kanälen wird Werbung eingespielt. Sie rät auch, auf Unterschiede zwischen Österreichern und Deutschen zu achten.

Dann kommt sie ins Schwärmen: „Es gibt vor allem auf Englisch tolle Videos, die über den Stoff hinausgehen und Themen besprechen. Oberstufenschüler können sich sogar TedTalks ansehen, die bei großen Konferenzen aufgezeichnet werden und die weltbesten Redner zeigen.“ Aber es geht auch ganz einfach: Manche Lehrer im Video stehen an einer Tafel und erklären die Rechnungen. Manchmal sieht man sogar nur einen Avatar, also eine Comic-Figur, oder nur die Rechnungen.“

Wie lernen wir mit digitalen Medien?

Was ist der große Unterschied zwischen YouTube-Videos und Unterricht in der Klasse? „Viele dieser Videos haben wirklich eine sehr gute Illustration und zeigen einen Schritt nach dem anderen, zum Teil sogar eingefärbt wie beim Karaokesingen, damit man sofort weiß, was gemeint ist. Das ist oft sehr aufwendig gemacht und kann an der Tafel in der Klasse nicht so umgesetzt werden.“

Gerade die optische Umsetzung sei für schwache Schüler wichtig. Sie selbst empfiehlt manchmal thematisch passende Videos, „aber meistens geben die Schüler das untereinander weiter.“

Was können sich Lehrer von YouTubern abschauen? Klacl verteidigt die Pädagogen: „Es gibt auch Lehrer, die selbst YouTube-Videos machen und gut erklären. Ein Unterschied ist sicher, dass YouTuber betonen, wie simpel die Inhalte sind und in cooler Jugendsprache reden. Das machen Lehrer eher nicht.“ Das merkt man in den Kommentaren: „Ich wünschte, du wärst mein Lehrer“, schreiben hier die Fans.

Bei einigen Mathe-Channels seien auch passende Rechenbeispiele angegeben, denn ohne Üben geht gar nichts, betont die Pädagogin: „Mit Mathevideos ist es wie bei Musikvideos. Man kann wunderbar mitsingen, aber erst, wenn es ausgeschaltet ist, merkt man, ob man den Text wirklich kann.“

Richtig üben

Das mag nach Lehrer klingen, aber auch der 18-jährige Social-Media-Experte Benjamin Hadrigan sieht das ähnlich. Mit seinem Buch über digitales Lernen („Lernsieg“) widersprach er der Annahme, dass ein Handy beim Lernen nur stört. „Es geht beim Lernen um den Medienmix. YouTube-Videos, die Links dazu werden in der WhatsApp-Lerngruppe ausgetauscht, dort kann man einander auch Fragen stellen und auch Instagram dafür verwenden. Zum Lernen braucht man oft seine Klassenkollegen, dann macht es auch mehr Spaß.“

Wichtig ist, die digitalen Mathe-Werkzeuge richtig zu benutzen, betont Arun: „Deswegen erklären wir den Schülern auch, wie sie gut mit der Rechensoftware Geogebra umgehen, mit denen manche die Matura machen dürfen.“ Klacl verlegt die Mathestunde daher manchmal in den Computerraum und verweist auf die Schulbuch-Verlage: Die bieten immer mehr Lernmaterial online an.

Und Apps, die das Lernen erleichtern – oder das Schummeln. Klacl hat ihren Schülern am Handy das verblüffende Programm Photomath gezeigt: Damit fotografiert man eine Rechnung und bekommt die genauen Lösungsschritte aufgelistet. Klacl: „Es hat aber keinen Sinn, die App einfach zum Hausübung-Abschreiben zu verwenden. Erstens erkenne ich es, wenn ein Schüler es ohne mitzudenken verwendet, und außerdem bringt es ihm nichts, weil er es durchs Abschreiben nicht lernt, aber bei der Schularbeit braucht.“ Oder spätestens bei der Matura – wenn schon nicht für das Leben.

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