Mutig: Dieser Bio-Winzer macht Wein ohne einzigen Zusatzstoff

Mutig: Dieser Bio-Winzer macht Wein ohne einzigen Zusatzstoff
Michael Andert schützt seine Trauben nur mit Brennnesseltee, ist als Foodscout für ein Haubenlokal im Einsatz und zerlegt Schweine für die Gourmet-Society

Ein protziges Weingut und schicke Etiketten vom Stardesigner sucht man bei Michael Andert vergebens. Stattdessen werkt der Seewinkler Weinbauer in seiner Garage und im kleinen Hauskeller an Naturweinen, fermentiertem Gemüse und neuen Experimenten wie seinem „Wermutlich Verjus“.

Der Slow-Food-Pionier und Kräuterpädagoge hat sich schon vor zwanzig Jahren dem biodynamischen Gemüse- und Weinbau verschrieben. Erst seit Kurzem hat er damit großen Erfolg und wird nicht mehr als „kompletter Spinner“ angesehen, wie der 53-jährige Familienvater offen erzählt.

KURIER: Sie haben 2003 mit biodynamischem Weinbau begonnen – lange bevor er hip wurde – und waren Mitgründer des Bio-Events „Markt der Erde“. Ein schwerer Weg?

Michael Andert: Es war tatsächlich ein irrsinniger Kampf. Ich habe bei Null angefangen und der richtige finanzielle Erfolg hat sich ja erst in den letzten zwei Jahren eingestellt. Für einige bin ich in meinem Dorf aber nach wie vor ein kleiner Spinner. Meinen ersten Natural Wine habe ich 2006 gemacht, als den Begriff nur Spezialisten kannten. Das brachte aber den ersten Kontakt ins Ausland. Heute exportieren wir sechzig Prozent unserer Weine – vor allem nach Kopenhagen, Malmö, London und seit einem Jahr auch nach Kanada und Kalifornien.
 

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Seit zwei Jahren fahren Sie eine noch extremere Linie als das Bio-Siegel Demeter es vorschreibt und verzichten auch auf das Bio-Spritzmittel Kupfer, sowie auf jegliche Zusatzstoffe im Wein – sogar auf Schwefel. Ihre Erfahrungen?

Wir düngen ausschließlich mit Brennnesseltee. Im ersten Jahr haben wir damit übertrieben und hatten einen herben Ernteausfall. Wir haben die Kraft der Brennnessel unterschätzt. Abgesehen von diesem Rückschlag ist es aber unglaublich, wie stabil der Wein geworden ist. Ich lasse auch den Schwefel weg und es gibt keine Probleme mit der Haltbarkeit. Der Geschmack hat sich dadurch enorm verändert und wir haben rasant neue Kunden gewonnen. Der Wein hat eine andere Strahlkraft und so viel Rückgrat – auch weil wir Konkurrenz wie Zwiebel und Knoblauch im Weingarten anbauen. Dadurch werden die Trauben kleiner und die Schale dicker, geschmacklich profitieren immens wir davon. In unserem Wein sind einzig und allein vergorene Trauben. Das war’s. Positiv ist auch, dass nach ein paar Gläsern Wein unliebsame Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen ausbleiben. Selbst histaminintolerante Kunden vertragen ihn sehr gut.

Für Haubenkoch Max Stiegl zerlegen Sie Schweine bei seinem legendären Sautanz im Gut Purbach und auch im neu eröffneten Wiener Lokal „Boxwood“ waren Sie mit Kesselfleisch im Einsatz. Eine Nische, die Sie forcieren wollen?

Für Max Stiegl arbeite ich seit sieben Jahren und ich könnte zwanzig weitere Sautänze im Jahr machen, aber das geht sich alles nicht mehr aus. Obwohl ich diese Arbeit sehr gerne mache. Als Bub war das sogenannte „Sau abstechen“ am Land etwas ganz Normales. Heute ist es total exotisch für die Gäste, wenn ich in einem Innenstadtlokal Grammeln auslasse. Ich mag diese Jobs, denn damit kann ich vermitteln, wie wertvoll ein Tier ist und dass der Akt der Tötung nicht verleugnet werden darf, wenn man Fleisch isst.

Sie waren 2016 Vorreiter mit dem Trendgetränk Wermut. Was kommt als Nächstes?

Ich will verstärkt schwere Weißweine und leichte Rotweine unter zehn Prozent Alkohol machen. Neben dem Wermut haben wir jetzt eine alkoholfreie Variante probiert, den „Wermutlich Verjus“. Unreife Trauben werden nach dem Pressen drei Wochen lang mit Kräutern aromatisiert. Mengenmäßig will ich aber gar nicht mehr wachsen, sonst wird’s unüberschaubar. Ich will mich lieber inhaltlich an Neuem versuchen.

Betrieb: Weinbau auf  4,5 Hektar in Pamhagen (Burgenland). Kleine Schafzucht und  Gemüsebau. Andert veranstaltet regelmäßig Kräuterwanderungen. Er sucht als Foodscout für das Haubenlokal Tian zudem nach besonderen Gemüsesorten und Kräutern.
 
 
Topseller: „Ruländer“ und „G’mischter Sotz“, sowie der Wermut „Wermutich“.

Kontakt: andert-wein.at, Tel. 0680 / 551 54 72

Bezugsquellen: Gemüse im Raritäteneck in Wien, Weine
 u. a.  über weinskandal.at

 

 

 

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