Nicht australisch, nicht neuseeländisch: Die Pavlova ist österreichisch
Eine Pavlova zu einer Grillparty mitzubringen, ist so australisch wie Weihnachten am Strand zu verbringen. Übrigens nimmt die Baisertorte mit Schlagobers und Obst auch am Weihnachtstag einen hohen Stellenwert in Australien ein. Das Dessert steht für Sommer, Feste und Sommerferien: Dank Früchten wie der Passionsfrucht ein erfrischend-süßer Genuss an heißen Tagen.
Für die Australier ein ur-australisches Dessert. Allerdings fühlen die Neuseeländer genauso.
Benannt wurde die Torte nach der russischen Primaballerina Anna Pavlova, die in den 1920ern beide Länder bereiste. Sowohl Australien als auch Neuseeland beanspruchen die Erfindung der weltbekannten Torte für sich.
Nach australischer Erzählweise soll der Küchenchef Herbert Sachse die Torte 1936 im Esplanade Hotel in Perth kreiert haben. Benannt hat er sie Pavlova, weil sein Hausmeister meinte: "Die Torte sei so leicht wie Pavlova."
1973 sagte Sachse in einem Interview: "Ich hatte es immer bedauert, dass Baiser zu hart und knusprig war, also machte ich mich daran, etwas zu kreieren, das eine knusprige Oberseite hat und wie innen weich wie ein Marshmallow ist", sagte er. "Nach einem Monat des Experimentierens - und vielen Fehlern - bin ich auf das Rezept gestoßen, das bis heute überlebt hat."
Neuseeländer zitieren wiederum einen nicht namentlich genannten Koch in einem Hotel in Wellington, der das Dessert 1926 erfunden haben soll, als die Ballerina in Neuseeland auf Tournee gewesen sein soll.
Sieben Jahre weltweite Recherche
Der Neuseeländer Andrew Paul Wood und die Australierin Annabelle Utrecht wollten es genau wissen: Wo liegt der Ursprung der weltberühmten Pavlova? Sieben Jahre forschten sie in historischen Kochbüchern, Stillleben, Zeitungen und Archiven aus aller Welt. Zuerst wollten sie die Sozialgeschichte der Pavlova als Dokumentarfilm veröffentlicht – jetzt wird es ein Buch, wie die BBC berichtet.
Utrecht im Interview mit der BBC: "Bis zum 18. Jahrhundert waren in aristokratischen Küchen im deutschsprachigen Raum große Baiser-Konstruktionen mit Obers und Früchten zu finden. Das, was wir heute Pavlova nennen, ist also mehr als zwei Jahrhunderte alt."
Schließlich kam die Torte auch im Bürgertum an: Die Torte wurde auch mit eingelegtem Obst oder Nüssen belegt. Zur Zeit der Napoleonischen Kriege nahmen die Auswanderer die Rezepte in ihre neue Heimat mit: "Bis 1860 findet man die Rezept auch in Großbritannien, Russland und Nordamerika."
Der Name lautete damals: Schaumtorte.
Ursprung der Torte liegt in Afrika und im Habsburgerreich
In ihren Recherchen stießen der Neuseeländer und die Australierin sogar auf ein Dessert aus dem Jahr 1911, das eine Baiser-Komponente enthielt und bereits nach der Balletttänzerin benannt war.
So richtig überrascht waren sie allerdings, als sie in mittelalterlichen arabischen Büchern, darunter in dem syrischen Kochbuch "Kitab al-Wusla ilà al-Habib" aus dem 13. Jahrhundert ein Dessert fanden, für das Zuckersirup über Eiweiß gegossen wird.
Dieses wurde allerdings nicht gebacken. Diese Art des Kochens muss von Afrika – entweder über portugiesisches Gebiet oder über die maurische Besetzung europäischer Gebiete wie Spanien – nach Europa gelangt sein.
"Die frühesten europäischen Referenzen tauchen in Ländern wie Italien und Spanien auf, wo es im Mittelalter eine große muslimische Bevölkerung gab. Zucker war unglaublich teuer, daher waren Desserts für die reichsten Tische, wie die der kaiserlichen Habsburger, die zufällig auch reich an Zucker aus der Neuen Welt waren. Gebackene Baisers, zierliche Arrangements, finden Sie im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert in der kaiserlichen Madrid-Küche der spanischen Habsburger."
Ab dem 18. Jahrhundert finden sich große und raffinierte Baiser-Kreationen in Kochbüchern und Ende des 18. Jahrhunderts werden in den Häusern der Habsburger sehr große und raffinierte Baiserkuchen aufgetischt: "Drei Baiserschichten hoch gefüllt mit Obstkonserven. Um 1800 wurden Baiserkuchen auch bei den wohlhabenden Mittelschichten unglaublich beliebt."
Letztendlich sagt Wood sei der Ururahne der Pavlova die Spanische Windtorte, ein österreichisches Dessert, das aus mindestens einer Baiserschicht, Schlagobers und Obst besteht. "Es war das erste Rezept seiner Art, das Ende des 18. Jahrhunderts in habsburgerischen Küchen gebacken wurde."
Erst im 19. Jahrhundert tauchen die Schaumtoren an anderen Ecken der Welt auf: "Ein großer Teil unseres Buches befasst sich mit der Untersuchung der europäischen Geopolitik und warum die Windtorte so oft umbenannt wurde."
Wie kam die Pavlova nach Australien?
Deutsche Auswanderer brachten in der Zwischenkriegszeit die Torte nach Südaustralien. Anders als die typische Variante, die es heute in Australien gibt, waren die Pavlovas der Auswanderer einstöckig. Kein großes Sandwich mit weichem Kern wie heute.
Zwar sei es für Wood laut BBC faszinierend, die Sozialgeschichte der Pavlova und den Stammbaum der Baiser nachzuzeichnen und zu zeigen, wie Baisers möglicherweise auf dem afrikanischen Kontinent entstanden sind und sich im Habsburger- und Römischen Reich in Mitteleuropa entwickelt haben.
Nach der jahrelangen Recherche habe er aber nun keine große Lust mehr, eine Pavlova zu backen.
Kommentare