Eine besondere Lese: Der Wein-Jahrgang 1989

Eine besondere Lese: Der Wein-Jahrgang 1989
30 Jahre "freizeit"-Magazin. Juliane Fischer blickt in ihrer neuen Kolumne "Flaschenpost" auf den Weinbau anno 1989 zurück.

In Wirklichkeit war 1989 das erste Biojahr im Betrieb“, erzählt Ilse Maier, die heute als Bio-Pionierin im Weinbau gilt. In der Vinothek unter dem großen Gutshof lagern noch mehrere Hundert Flaschen vom Jahrgang. Neuburger, Frühroter Veltliner und Grüner Veltliner vom Hohen Rain. Das ist nachhaltig gedacht: „Wir haben den damals weggelegt, im Bewusstsein, dass die nächste Generation bestimmt froh ist, wenn sie einen gereiften Wein anbieten kann.“ Das Weinjahr sei kalt und nass gewesen. „Alle Widrigkeiten sind zusammengekommen und wir haben viel zu wenig gewusst, wie wir damit umgehen“, erinnert sich Maier.

Sie arbeiteten noch mit Spindelpresse und einem Lesewagen mit einer kleinen Schnecke. Vergoren wurde in einem der ersten Stahltanks. Dass der Wein nur 10,5 Volumprozent Alkohol hat, liegt am Klimawandel, aber auch am höheren Hektarertrag. Damals ging es ja noch mehr um Menge. Den kühleren Jahren sagt man besondere Haltbarkeit nach, weil die Säure frisch hält. Wer die Probe aufs Exempel machen will: Die Flasche kam heuer für 70 Euro ab Hof in den Verkauf. Und die Jungen – Sohn Josef wurde im März 1989 geboren – bieten sie ausgewählten Restaurants wie dem Mraz & Sohn auf Sylt und in Berlin bei Viniculture an.

Apropos Berlin, noch etwas geschah im Mauerfalljahr: Das Weingut Ott brachte den legendären „Fass 4“ auf die Welt. Eduard Ott kostete mit Freunden und Stammkunden die Fassln durch. Auffällig war das vierte – „der beste Grüne Veltliner im Keller“. Heute ziert dieser Name bei Sohn Bernhard den flagship-Wein und sogar das Nummernschild. Was damals eine Einzelfassabfüllung war, ist jetzt eine Cuvée. Die Trauben stammen von 30 selbstbewirtschafteten Weingärten am Wagram. Das Weingut in Feuersbrunn fasst immerhin mittlerweile 50 Hektar. Da kommt schon was zusammen. Von den zirka 80.000 Flaschen geht die Hälfte ins Ausland, vor allem nach Deutschland. Dort begann der Hype einst so richtig, nämlich als die Sommelière Paula Bosch 1993 „Fass 4“ auf die Karte des Restaurant Tantris brachte.

Meanwhile im Kamptal anno '89: Zwei Langenloiser probieren sich unabhängig voneinander am Sprudel. Karl Steininger schreibt als Erster Sorte und Jahrgang aufs Etikett. Willi Bründlmayer orientiert sich mit Chardonnay und Pinot Noir am Champagner-Vorbild. „Meine Frau Edwige ist ja Französin und ihr Lieblingsgetränk war natürlich Champagner“, sagt er. Bevor der Champagnerkonsum langfristig ein zu großes Loch im Geldbeutel hinterlassen konnte, und weil die Lage zwischen dem kühlen Waldviertel und dem warmen Donautal vielversprechend erschien, beschloss Bründlmayer, das mit der Flaschengärung selbst zu versuchen. Und so reiste das Ehepaar bald nach Epernay zur „Station Oenotechnique de Champagne“. Im Reisegepäck: der 1989er Grundwein.

Der Rest ist prickelnde Geschichte.

Neu in der freizeit: Jede Woche eine Flaschenpost von unserer Kolumnistin Juliane Fischer (geboren 1987). Sie kostet sich durch die Weinwelt, arbeitet als freie Journalistin und zum Ausgleich in ihrem Weingarten in Niederösterreich.

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