Besonders heikel abzustauben sind die Bauwerke und Figuren aus Papier und Karton. Um die Bemalungen aus Tempera nicht zu ruinieren, kann man den Staub nur vorsichtig abblasen. Weniger sensible Konstrukte dürfen mit nebelfeuchtem Tuch gewischt werden. Ein Staubsauger mit weichem Bürstenaufsatz, der aussieht wie das Maul eines Putzerfisches, ist geeigneter für die Wachsfiguren mit handgenähten Kleidern. Die Glasfiguren der tschechischen Krippe könnte man mit einer schwachen Seifenlauge lauwarm baden. Hiltigund Schreiber weiß in jedem einzelnen Fall von Grund auf Bescheid, was für eine Restaurierung oder Reparatur verwendet werden kann, ist sie doch studierte Chemikerin und lektorierte früher am Hygieneinstitut der Universität Wien.
Krippenbaumeisterin als Titel
Mit der Sammelleidenschaft ihres Mannes Gerhard, der 2010 verstorben ist, fing alles an. Jahrzehntelang wurden Bauernmöbel und Weihnachtskrippen zusammengetragen. Folgerichtig erweiterte die Naturwissenschaftlerin ihre Kenntnisse: in Richtung konservieren. Hiltigund Schreiber arbeitete für die Dözese Wien und war für die Restaurierung der Hietzinger Kirche Mariabrunn verantwortlich. Die handwerkliche Fähigkeit für das Bauen von Krippen holte sie mit dem Erwerb des Titels einer Krippenbaumeisterin nach. Das Haus, in dem sie wohnt, gehörte zum bayerischen Klosters Baumburg und steht in Sitzendorf an der Schmida im
Weinviertel. Jeder Winkel ist mit Krippen ausgenützt. Schmale Gänge sind mit Regalschränken flankiert. Hier stehen die Miniaturkrippen, Heilige Familien auf der Fensterbank. Draußen sind die wetterfesten Krippen angeordnet. Was nicht gezeigt wird, lagert im Holzschuppen, einzeln verpackt und gepolstert in Kartons.
Eine venezianische Krippe aus Muranoglas leuchtet mit ihren grellbunten auffallend Miniaturen hervor.
Das nordböhmische Weihnachtsgeschehen aus Eisenbrod hat auch Glasfiguren.
Josef trägt als Zimmermann eine indigoblaue Schürze und sieht ein bisschen aus wie Meister Eder. Von den Schnitzarbeiten ist jene aus Südtirol besonders fein gemacht. Jeder Darsteller trägt individuell angemessenes handgenähtes Gewand.
Jeder Krippe ihre Geschichte
Es gibt eine Tiroler Spanschachtelkrippe aus dem Jahr 1820. Andere Krippen erzählen Geschichten. Wie jene, die in einem zinnbeschlagenen Straussenei untergebracht ist. Ungarische Schmiede wollten ihren Bräuten damit zeigen, wie zart ihre Hände sein können. Eine slowakische Bauchtragerkrippe wurde um 1900 vom Priester von Haus zu Haus getragen.
Eine kolumbianische Krippe ist aus Orangenschalen gemacht. Die Behausung aus Carrara ist aus Marmor, der dort abgebaut wird. Schwarzes afrikanisches Ebenholz kontrastiert mit weißem Perlmutt aus Israel. Filigrane Papierbögen aus dem Biedermeier kommen zum Einsatz. Wachsfiguren wie der kleine Jesus in der Basilika von Christkindl bei Steyer findet man ebenso. Die Laubsägearbeit des Pragers Josef Wenig ist jetzt 102 Jahre alt geworden. Dazu kommen die vielen Krippen, die Krippenbaumeisterin Schreiber selbst gebaut hat.
Jetzt haben die Freundinnen die Werkzeuge getauscht. Frau Schreiber benützt einen feinen Marderhaarpinsel, um die filgranen Schnitzarbeiten abzustauben. Nachbarin Lang vertikutiert mit einer Bartschere den imaginären Rasen, der aus Flechten angelegt ist. Auf dem Tisch steht die Krippe ihrer Meisterprüfung, ein Bauernhof aus
Tirol mit Lüftelmalerei an der Fassade.
Hiltigund Schreiber zeigt einen kostbar gekleideten Jesus, der wegen seinem Brokatgewand und der engen Bemaßung Fatschenkind oder Wickelkind genannt wird. Hebammen wickeln Kinder so, um ihnen Geborgenheit und Sicherheit zu geben. Ungewöhnlich groß ist er. Lebensgroß. Er liegt frei auf einem biedermeierlichen Beistelltisch im Wohnzimmer. Ohne Behausung. Wie eine Installation. Der Blick der Puppe ist fokussiert. Er scheint sich wohl zu fühlen in seinem Ambiente.
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