"Lieber tot als lässig"

"Lieber tot als lässig"
Lebensberatung für den Dandy – ein Handbuch der anderen Art. "Die einzig wahre Dandy-Bewegung besteht im Gang zur Hausbar" und andere Grundregeln für Männer, die mehr vom Leben wollen.

Es gibt viele Missverständnisse auf dieser Welt. "Früher hielt man den Weichling zu Unrecht für einen Gentleman; heute hält man den Gentleman zu unrecht für einen Weichling", stellt Lord Whimsy seiner Dandy-Fibel "Die Kunst mit einem Hummer spazieren zu gehen – Handbuch für den wahrhaftigen Dandy" als Motto voran. Der Lord, erklärtermaßen ein "Mann mit einer ausgeprägten Neigung zu sich selbst", möchte in seiner schwelgerischen Fibel "die Kunst außergewöhnlicher Lebensführung sowie altehrwürdigen Charme wieder erstehen lassen". Grundaussage: "Lieber tot als lässig". Er predigt darin, wie man sich als angehender Exzentriker zu benehmen hat. Neben Grundregeln wie "Geh zum Herrenausstatter" und "Wie man sein Gehänge richtig einordnet" gilt der Leitsatz "Die einzig wahre Dandy-Bewegung besteht im Gang zur Hausbar." Nun ist das Dandytum seit seiner Erfindung schwierig zu beschreiben. "Menschen, die nur das Vordergründige sehen, haben geglaubt, es sei vor allem die Kunst, sich gut anzuziehen, eine kühne und geglückte Diktatur in Sachen Putz und äußere Eleganz. Gewiss ist es das. Aber es ist noch viel mehr", schrieb einst der französische Kritiker Jules Barbey D’Aurevilly (1808-1889). Dieser gab zwar vor, selbst kein Dandy zu sein, aber sein Hang zu ausgefallenen Hüten, Krawatten und Mänteln war Mitte des 19. Jhs. in Paris ebenso legendär wie die oft vernichtende Schärfe seines Urteils. Zu seinen berühmtesten Schriften gehört sein Text "Über das Dandytum", in dem er mit "Bescheidenheitsheuchlern" abrechnet und davor warnt, die Eitelkeit zu verurteilen. Moralisten hätten diese in Verruf gebracht, doch man dürfe sie keineswegs gering schätzen, sie wurzle "selbst im Herzen eines Küchenjungen".

"Über das Dandytum" ist auch ein Loblied auf George "Beau" Brummel (1778– 1840), den Altmeister des Dandytums, der schon Dandy gewesen sei, bevor es Dandys überhaupt gab. Brummel war der größte Dandy seiner Zeit. Was ist ein Dandy heute? Die Zeiten, in denen ein Mann gerade schöner als ein Aff’ zu sein hatte, liegen hinter uns. Der "Metrosexuelle", wie der gut gepflegte Mann mit Neigung zu raffinierter Garderobe karikaturhaft genannt wird, ist aber noch lang kein Dandy, höchstens dessen massenfähige Version, ein "McDandy", schreibt Whimsy. Was macht denn nun den Mann zum Dandy? Der Anzug ist es jedenfalls nicht. Es ist vor allem eine bestimmte Art, diesen zu tragen. "Man kann sogar im Lumpenanzug ein Dandy sein", wusste schon D’Aurevilly. Lord Spencer war ein Dandy, als er merkte, dass sein Frack nur noch einen Schoß hatte. Er schnitt ihn ab und schuf so das Kleidungsstück, das heute noch seinen Namen trägt. Und auch wenn England als Mutterland des Dandytums gilt: Selbst einem Österreicher ist es gelungen, Dandy zu sein. Lange vor Beau Brummel glänzte Fürst Kaunitz, der gerne damit geprahlt haben soll, keinen einzigen Freund zu haben, mit der richtigen Attitüde: "Der Fürst von Kaunitz war kein Dandy, als er ein Korsett aus Satin anlegte, aber er war einer, als er, um seinen Haaren die exakte Nuance zu geben, durch die Flucht von Zimmern schritt, deren Zahl und Länge er berechnet hatte, während ihn mit Quasten bewehrte Diener puderten", schrieb D’Aurevilly. Die Attitüde macht’s, ist auch die Überzeugung des Lord Breaulove Swells Whimsy, kurz Lord Whimsy. Er habe in seinem Landhaus in New Jersey sein Leben zum Hobby gemacht. Dort habe er all das durchexerziert, was er in seinem Handbuch beschreibt, ist auf seiner Homepage ist zu erfahren, nicht jedoch sein genaues Alter.

Neben dem Foto eines Knaben mit angebrautem Bart steht, er sei ein "Pseudointellektueller in der Mitte des Lebens". Whimsy hält Vorträge über Arkadien, betreibt eine Motten- und Orchideenzucht und weiß alles über den Unterschied zwischen der Bohème und dem Dandytum. Der "Lord" ist allerdings nicht echt, gibt er freimütig zu. Der ironische Ehrentitel sei ihm aufgrund seiner persönlichen Attribute zugesprochen worden, gibt er in absichtlich gespreizter Sprache zu Protokoll. Der Mann formuliert seine Gedanken über das Wesen des Dandys eineinhalb Jahrhunderte nach D’Aurevilly und kommt im Grunde zum selben Schluss: "Anders als vermutet, ist der Dandy nicht einfach ein herausgeputzter, gedankenloser Geck; nein, in Wahrheit ist er ein herausgeputzter, nachdenklicher Geck." Lord Whimsy schreibt Brandreden wider die Sportbekleidung, warnt vor den "geschmacklosen Versuchungen des Sommers" (Freizeitkleidung!) und lobt Manschettenköpfe, Krawattenknoten sowie Einstecktücher. Im Wesentlichen aber geht es ihm um die richtigen Verhaltensweisen. Der Dandys sei, frei nach Oscar Wilde, ein Gesamtkunstwerk. Und so erneuert der falsche Lord auch des Grafen Kaunitz’ Doktrin der richtig eingesetzten Menschenscheu: "Bleibt sozialen Verpflichtungen hin und wieder fern, es wird den Eindruck eures katzenhaften Wesens festigen. Eure Mitwelt soll sich mehr für euch interessieren als ihr euch für sie." Lord Whimsys Lebensberatungs-Büchlein ist eines der lustigsten seiner Art. Einziges Manko: Die Auskunft darüber, wie man einen Hummer spazieren trägt, ist enden wollend ergiebig. Die Idee dazu stammt nicht von Whimsy, sondern vom französischen Schriftsteller und Exzentriker Gérard de Nerval, der berühmt für seine Spaziergänge mit dem Hummer an der Leine war.

"Lieber tot als lässig"

"Die Kunst mit einem Hummer spazieren zu gehen", Metrolit-Verlag, 17,50 €

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