Wo andere laufen: An der Prater Hauptallee spazieren

Wo andere laufen: An der Prater Hauptallee spazieren
Jesuitenwiese – Heustadlwasser – Sulzwiese – Lusthaus – Hauptallee – Praterstern: 7.000 Schritte

Die Praterhauptallee ist ein besonderer Laufsteg Wiens. Hier treffen sich die Fitten und die, die endlich wieder (oder noch einmal oder überhaupt einmal) fit werden wollen, mit denen, die den Herrgott einen guten Mann sein lassen, Menschen mit viel Tagesfreizeit, jungen Eltern – und mir. Wenn ich über Umwege das Lusthaus erreicht habe, wähle ich gern die Hauptallee für den Rückweg zum Praterstern, weil dieser Weg unterhaltsamer ist als viele Netflix-Serien.

Ich spaziere dann zwischen Typen mit ihren teuren Laufschuhen, die aufrecht und elastisch vorbeiziehen, ihr Handy an den Oberarm geschnallt, um die Pace zu dokumentieren, die Laufgeschwindigkeit, höre sie kommen, sehe sie verschwinden. Da ich gut ausschreiten kann, ohne selbst in den Laufschritt zu fallen, kann ich auch manche Laufnovizen mit ihren teuren Laufschuhen und dem an den Oberarm geschnallten Handy in Augenschein nehmen, die nur unwesentlich schneller unterwegs sind als ich selbst, sich dabei aber sichtlich mehr abmühen. Würde mich interessieren, was ihnen die Roboter von Runtastic zu Hause zur Aufmunterung sagen.

Ein besonderer Laufsteg

Die Hauptallee, ein besonderer Laufsteg. Die Kastanienbäume stehen dicht, ihre Blüte hat sich schon wieder verflüchtigt. Auf dem Asphalt ist noch der Trail angezeichnet, auf dem Eliud Kipchoge im Jahre 2019 den ersten Marathon unter zwei Stunden lief, hier kommt mir ein Tretboot auf Rädern entgegen, wie man es sich im Wurstelprater ausleihen kann, um beim Spazierengehen die Hände frei zu haben, zum Beispiel für ein 16er Blech.

Ich gehe an den Tennisplätzen vorbei, die direkt an die Liegewiesen des Stadionbads anschließen. Dort spielen ein paar mehr oder weniger Aufrechte Tennis, obwohl schon dunkle Wolken über dem Prater hängen und die Luft elektrisch knistert. Das Gewitter steht unmittelbar bevor.

Das Eck neben der Brunswick-Halle

Als es zu regnen beginnt, habe ich ein Bild des Ortes vor Augen, wohin ich mich jetzt in Sicherheit bringen möchte: das Konstantineck neben der Brunswick-Halle. Als ich dann, eh schon recht nass, aber unverdrossen, dort ankomme, fällt mir – Donnerschlag – auf, dass es das Konstantineck nicht mehr gibt – und gleichzeitig kommt mir in den Sinn, dass ich diesen Verlust wohl schon einmal wie einen Donnerschlag wahrgenommen, aber dann wieder vergessen habe.

Das Konstantineck, ein Buffet für Hundeausführer und andere Trankler, hat sich in ein Eisgeschäft verwandelt, das naturgemäß zuckerlrosa sein muss und für dessen Fassade sich ein lustiger Werbetexter den Spruch „Der Prater liebt dich“ ausgedacht hat. „Wen …“, denke ich mir, nass und zunehmend missvergnügt, weil ich die Rettung ins Trockene mit einem Schmalzbrot und einem Spritzer zu feiern gedachte und nicht mit einem veganen Erdbeereis, „… liebt der Prater? Mich? Wieso ist dann das Konstantineck verschwunden?“

Aber dann lächelt mich die Eisgreißlerin sehr freundlich an, und ich lächle zurück, traurig über den Verlust des Tschocherls, das hier stand, aber schon ein bisschen versöhnt durch die Kugel Pistazieneis, mit der ich mir den Aufbruch in die Zukunft versüße.

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