Wenn diese Stadt eine Jahreszeit beherrscht, dann ist es die.

Wien, du Sommerschlampe! Wenn diese Stadt eine Jahreszeit beherrscht, dann ist es die. Der Asphalt dampft und dennoch purzeln einem ständig fröhliche Menschen in die Optik. Da ist der Literat J, auch schlicht Doktor Pop genannt, der auf seinem Elektrobike wie Helmut Berger in besten Cinecittá-Tagen durch das Geschehen tobt. Seine Ganzkörper-Sonnenbrille trägt er noch beim abgedunkelten Ruhen. Da ist meine Freundin E, die sich gerade eine Ehrenprofessur in Verrückten-Betreuung erwirbt und immer wieder fröhlich gluckst „Das kann man alles nicht erfinden!“

Da ist der Kunstprinz T, der seit 17 Jahren keinen Alkohol mehr trinkt und uns dennoch alle erträgt. Da ist die Ausdruckskünstlerin, die an der Alten Donau Baywatch-Qualitäten zu mobilisieren versteht, wenn man nach Mitternacht zum Ruderverein brustkrault und die einem dann einen Kaffee brüht, weil man wieder lebend angekommen ist. Da ist der Dichterfürst, der zwischen seinen Romantikdramen einen Boxenstopp braucht und schreit: „Ich bin eigentlich eine Waffe, aber eine liebe!“ Das Gütesiegel eines Menschen sind seine Freunde. Möglicherweise habe ich gar nicht so viel verkehrt gemacht, wie angenommen. Denn man darf bei diesen Freunden auch nach 22 Uhr ohne Sprit auf der Tangente stehen.

Pomppeinlich, ich weiß, aber es ist einfach zu heiß, um sich um alles zu kümmern. „Wart, ich hol dich!“, schreit der Dichterfürst. Man betet, dass er sein Versprechen nicht wahr macht, denn es ist schon lange nach 18 Uhr, der vereinbarten Deadline für beschwingte Durstlöschung. „Bleib wie und wo du bist!“, brüllt man zurück und irritiert später den reizenden ÖAMTC-Boy, weil man ihn vor Dankbarkeit niederschmusen möchte. Dunkelhaft für jene Menschen, die vor November den Spaßbremser-Satz „Es herbstelt !“ ablassen. Verhandlungsfrei.

www.pollyadler.at

polly.adler[at]kurier.at

Polly Adler spendet in „Adieu Fortpflanz“ Trost und Ratlosigkeit von der Erziehungsfront und erzählt, warum man sein Kind zwar immer liebt, aber manchmal dennoch nicht leiden kann.

240 Seiten, 22,95 Euro bei www.thalia.at

Kommentare