Madagaskars Lemuren in Gefahr: Schon bald könnten sie Geschichte sein

Ein Weißkopfmaki klettert auf einen Baum.
Die Lemuren könnte die erste Säugetierfamilie sein, die der Mensch ausrottet. Wie Madagaskars Bewohner versuchen, die Tiere zu retten.

Nach rund vier Stunden Wanderung rund um den Canyon des Isalo Nationalparks sitzt er plötzlich auf einem Ast. Er ist der letzte seiner Art in diesem Tal – denn es gibt nur mehr ihn hier. Stirbt dieses Tier eines Tages, dann ist es in dem Canyon wohl für immer vorbei mit den Larvensifakas und ihrem weißen flauschigen Fell. Irgendwann wird der letzte Schrei des Lemuren hier erklingen.

Das Tier schaut in die Gegend, als ob es etwas suchen würde. Eigentlich lebten vor einigen Monaten noch vier dieser Baumbewohner mit dem riesigen Schweif in dem Tal. Es war eine kleine, wohl glückliche Familie. Aus unbekannter Ursache brach ein Buschfeuer aus, das Quartett zerstreute sich auf der Flucht in alle Himmelsrichtungen.

Nur das Männchen der Gruppe kehrte wieder an diesen paradiesischen Ort zurück – und führt nun den staunenden Beobachtern den typischen Tanz eines Sifakas vor, wenn er seitlich über den Boden hüpft.

Die Lemuren Madagaskars:

Ein Lemur mit leuchtend orangefarbenen Augen blickt in die Ferne.

Kattas

Ein brauner Lemur sitzt in einem hohlen Baumstamm.

Wieselmakis schlafen mit offenen Augen

Ein Brauner Maki sitzt auf einem Ast und frisst Bambus.

Bambuslemure

Ein weißer Sifaka-Lemur klettert auf einen Baum.

Charakteristisch ist der lange Schweif der Lemuren

Ein Mausmaki klettert an einem Baumstamm und leckt Harz.

Ein Mausmaki

Ein Lemur sitzt auf einem Felsen.

Kattas streicheln ihren Schwanz um Drüsen zu stimulieren

Ein Schwarzweißlemur sitzt auf einem Ast und blickt nach oben.

Ein Sifaka

Ein Katta sitzt in einem Baum mit gelben Früchten und öffnet sein Maul.

Ein weißer Sifaka-Lemur sitzt in einem Baum und blickt in die Kamera.

Zwei Lemuren stehen an einem Wasserloch auf einem Felsen.

Der einsame Larvensifaka fasst das gesamte Drama der Lemuren in Madagaskar ziemlich gut zusammen: 94 Prozent der rund 100 Lemuren-Arten sind akut vom Aussterben bedroht. Keine andere Tierart steht derart kurz davor, komplett vom Erdboden zu verschwinden. Innerhalb der letzten drei Generationen hat sich die Lemuren-Population bereits halbiert. Ein Ende dieses Trends ist nicht absehbar.

Vor rund 120 Millionen Jahren wurde quasi der Grundstein für diese Unterart der Feuchtnasenaffen gelegt. Damals brach Indien von Afrika ab, später „trennte“ sich Madagaskar wiederum von Indien. Zurück blieb ein Eiland, das eine ähnlich einzigartige Tierwelt wie Australien hervorgebracht hat.

Statt Kängurus, Wombats und Tasmanischer Teufel leben hier Lemuren, Loris, rund 100 Chamäleonarten und Hunderte Pflanzen, die es nirgendwo sonst auf der Welt gibt. Madagaskar wird deshalb oft als der achte Kontinent bezeichnet.

Madagaskars wilde Tierwelt:

Ein Chamäleon klettert auf einem Ast.

Ein Rotschwanz-Tropikvogel fliegt vor einem Himmel mit Wolken.

Der Rotschwanz-Tropikvogel in Groß...

Ein flaumiges, weißes Vogelküken sitzt mit geöffnetem Schnabel im Nest.

...und in klein

Ein kleines, braunes Chamäleon klammert sich an ein grünes Blatt.

Chamäleons in allen Größen

Ein Paradiesvogel sitzt auf einem Ast.

Paradiesvogel

Ein brauner Laubfrosch sitzt auf einem Ast.

Eine bunte Spinne sitzt in der Mitte ihres Netzes.

Eine nicht giftige Spinne

Eine Gruppe Flamingos watet und fliegt in einem Gewässer.

Flamingos

Ein Chamäleon klettert auf einem Ast mit grünen Blättern.

Ein Wiedehopf sitzt auf einem Ast.

Wiedehopf

Ein grünes Chamäleon sitzt auf einem Blatt.

Ein braunes Chamäleon sitzt auf einem Ast zwischen grünen Blättern.

Tatsächlich gehört Madagaskar nirgends so richtig dazu: Besiedelt wurde es von den Austronesen (von der indonesischen Insel Borneo), Afrikaner gingen erst viel später an Land. Es zählt zu den zehn ärmsten Ländern der Welt, in den südlichen Gegenden leben die Menschen in Strohhütten und mit Feuerstellen wie in der Steinzeit. Eine der wenigen Möglichkeiten, Geld zu verdienen, ist das Herstellen von Holzkohle – wofür der Wald abgeholzt beziehungsweise niedergebrannt werden muss. Geht es so weiter, wird Madagaskar in 40 Jahren baumfrei sein. Und damit auch lemurenfrei.

„King Julien“ ist tabu

Denn die Abholzung zerstört den wichtigen Lebensraum der Tierwelt. Dazu werden einige Lemurenarten wegen ihres Fleisches gejagt, andere wegen Aberglaubens – etwa das gespenstische Fingertier, das eine Mischung aus Fledermaus, Specht und Lemure darstellt. Aber auch alles vom Mausmaki bis zum Bambuslemur wird verspeist. Nur die beliebten Kattas, bekannt durch King Julien aus dem Trickfilm „Madagaskar“, gelten wegen einer alten Sage als tabu. In einigen Jahren oder Jahrzehnten könnte der letzte (extrem laute) Schrei eines Lemuren ertönen.

Land und Leute:

Ein Mann rudert ein kleines Segelboot mit einem rot-grünen Segel auf dem Meer.

Die landestypischen Segelboote

Eine Frau sitzt mit einem Kind vor einer blauen Wand und bereitet Essen zu.

Seidenfarbirk

Eine Herde Zebus grast vor einer Hügellandschaft in Madagaskar.

Die Anja-Felsen

Ein großer, zylindrischer Baobab-Baum steht unter einem blauen Himmel.

Baobap-Bäume

Ein Mann steht vor einem Marktstand mit Fleischprodukten.

Fleischverkauf ohne Kühlung

Ein Mann fischt mit einem Netz in einem hölzernen Einbaumboot.

Ein Fischer

Ein überladener Bus voller Menschen und Gepäck fährt eine Straße entlang.

Ladungssicherheit ist kein wichtiges Thema

Auf einem Markt in Madagaskar verkaufen Menschen Gemüse und Süßkartoffeln.

Obstmarkt

Drei junge Männer fahren mit einem selbstgebauten Wagen eine Straße entlang.

Landesüblicher Transport mit Holzwagerln

Vier Männer ernten Reis auf einem Feld in Madagaskar.

Händisches Stroh dreschen

Auf einem Markt treiben Männer eine Viehherde über ein Feld.

Der lokale Zebumarkt

Boote liegen am Strand eines Fischerdorfs in Madagaskar.

Nosy Ve

Fünf Kinder tragen schwere Säcke und andere Lasten auf ihren Köpfen entlang einer Straße.

Ein Strand in Madagaskar mit Menschen und einem traditionellen Auslegerboot.

Strand an der Südküste

Mehrere Personen fahren mit einem von Ochsen gezogenen Karren auf einer Straße.

Zebu-Karren als Transportmittel

Doch es gibt  noch einen Funken Hoffnung. Trotz der Armut ist den Madagassen bewusst, dass diese Tiere geschützt werden müssen. Beim Anja-Felsen etwa wurde  von den Bewohnern ein von ihnen selbst privat geführtes Schutzgebiet eröffnet. Dem teils korrupten Staat vertrauen sie nicht. In einem Land, in dem das monatliche Durchschnittseinkommen rund 80 Euro beträgt, ist jeder einzelne Tourist ein finanzieller Entwicklungshelfer.

Je mehr anreisen, desto wichtiger wird  der Schutz der Lemuren. Die Tiere, die alle einen ungewöhnlich langen Schweif haben, sehen  Besucher jedenfalls sehr gelassen und ignorieren Menschen selbst wenn sie sich auf zwei Meter nähern. So kommt jeder Tourist zu seinem Lemuren-Erlebnis in freier Wildbahn.

In Madagaskar gibt es mittlerweile wirklich gute Lodges, allerdings ist Strom (und damit auch W-Lan) mitunter nur stundenweise vorhanden, wenn er nicht ohnehin komplett ausfällt. Das bietet wiederum die Möglichkeit völlig abzuschalten und sich voll und ganz der Tierwelt des Landes zu widmen.

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