Ja. Nein. Vielleicht. Die Zettelchen, die man einander einst klammheimlich in der Schule zusteckte, brachten die Sache mit schnörkelloser Präzision auf den Punkt: Willst du mit mir gehen? Drei Antwortmöglichkeiten. Ein Liebesbrief, reduziert aufs Maximale: Was ist Sache? Bitte ankreuzen.
Jahre später ist unser Begehr das Gleiche geblieben. Und die Art, sich mitzuteilen, durch WhatsApp-Nachrichten mitunter ähnlich wortkarg: kurz und knackig, das Wichtigste ist schnell ins Handy getippt, was mehr Zeit verlangt, wird ohnehin nicht gelesen, und für den Rest gibt’s Emoticons – doch das war nicht immer so.
„Mein süßes Hexchen“
Leute, die kurz vor Betreten des Fliegers noch schnell ein SMS mit „hdl“ („Hab dich lieb“, das kennen Sie doch?) abschicken, sollten jetzt besonders aufmerksam weiterlesen: Gerade historische Liebesbriefe zeigen uns, mit welch heißem Herzen einst verzweifeltes Begehren, unerträgliche Sehnsucht und hoffnungslose Liebe in Zeilen gegossen wurden. Sind deren Verfasser noch dazu berühmte Menschen, ja manchmal Giganten, wird die Sache pikant: Einstein, der seine Angebetete „süßes Hexchen“ nannte? Churchill, der an seinen „Miezekätzchen“ schrieb? Und Mozart, der – rotzfrecher Bengel, der er war – seine Liebste ein „Bagatellerl“ taufte: Der Sturm der Liebe macht auch vor Genies nicht Halt. Und schützt nicht vor erfinderischen Kosenamen.
"Delphin am Horizont"
Erich Maria Remarque etwa: In Venedig lernte der berühmte Autor Marlene Dietrich kennen. Beim Tanz, als sie ihm zuraunte: „Wozu wollen wir uns wehren?“, lernte er sie lieben. „Ich glaube, wir sind einander geschenkt und gerade zur rechten Zeit“, schrieb er ihr später. Haltlos betete er die Filmdiva an, zügellos überzog er sie in seinen Briefen mit fantasiereichen Anreden und Huldigungen: „Delphin am Horizont, du mit den Taubenfüßen, leuchtendes Gespinst“, schrieb er ihr, dann wieder: „Engel, Blitz der Verkündigung, Madonna meines Blutes, ach ich will hinaus und fahren und dich suchen auf allen Straßen.“ Wer angesichts dieser Wortgewalt sein Herzblatt weiterhin „Schatzi“ nennt, dem ist nicht mehr zu helfen.
Doch Drama können nicht nur Schriftsteller. Auch stolze Feldherren. „... die Reize der unvergleichlichen Josephine erwecken in meinem Herzen stets von Neuem eine verzehrende Gluth“, ließ Napoleon Bonaparte diese wissen. Danach flehte der Eroberer um Gnade: „Ach! ich bitte Dich, laß mich einige Deiner Fehler sehen, sei weniger schön, weniger anmuthig, weniger zärtlich, weniger gut (...).“ Der kaiserliche General flüchtete sich in die Kapitulation.
Wie auch andere starke Persönlichkeiten weiche Knie bekamen: Hemingway schrieb in seinen Briefen zwar über Panzer, Jagen, Trinken, aber eben auch: „Bitte, liebe mich sehr und immer“ (an Mary Welsh). Frida Kahlo, eine stolze Frau, redete sich ein, die zahllosen Affären ihres Diego Rivera zu akzeptieren und bat um wenigstens einen Zipfel vom Glück: „Liebe mich ein kleines bisschen.“
Franz Kafka hingegen ist berühmt dafür, sich fortdauernd selbst zu verunglimpfen: „Bleib in der Täuschung, daß Du mich nötig hast“, rief er Felice Bauer an. Andererseits kasteite er sich mit großem Geschick, wie an anderer Stelle zu lesen ist: „Ich erschrecke, wenn ich höre, daß Du mich liebst“, bekannte er, „und wenn ich es nicht hören sollte, wollte ich sterben.“
Wer liebt, der schreibt. Weil die heftigsten Herzturbulenzen danach verlangen. Weil oft große Entfernungen verhindern, dass die Liebenden lieb sein dürfen zueinander und ein Brief Trost spendet. Und weil es andere Widrigkeiten Sonderzahl gibt, die es zu überwinden gilt. Missbilligende Mütter, fesche Rivalen, schwindende Gefühle ...
„... und wenn ich meinen Kopf aufs Schafott legen müßte“
Stets geht es um alles oder nichts (manchmal im wahrsten Wortsinne), immer ist es höchst dringlich: „... ich muß Dich heute abend sehen, und wenn ich meinen Kopf aufs Schafott legen müßte“, formulierte Voltaire in einem Brief an Olympe Dunoyer. Eine Ansage, die eher nicht nach unverbindlichem Gspusi klingt.
In der Tat riet der Dichter der 17-jährigen Hugenottin Pimpette, die er anbetete (und sie ihn) sogar, sich in Männerkleidung zu ihm zu schleichen. Der Liebesbrief als Anleitung zur Flucht, auch das gab es: Immerhin stand Voltaire unter Bewachung, Pimpettes Mutter, die für die 17-Jährige eine wohlhabendere Partie vorsah, hatte die Botschaft zu Hilfe gerufen.
Oscar Wilde wiederum landete wegen seiner (Männer-)Liebe im Zuchthaus. Die Existenz des Dichters war zerstört. Vor der Urteilsverkündung schrieb er: „Selbst mit Schmutz beworfen, werde ich noch Dein Lob singen, aus dem tiefsten Abgrund werde ich Dich anrufen. In meiner Einsamkeit wirst Du bei mir sein.“ Liebesschwüre in höchster Bedrängnis. Und von einer Ehrlichkeit, die auch im Liebesbrief von heute unabdinglich ist.
Zu hitzig sollte man aber nicht vorgehen, weiß Helmut Barz. Der Deutsche ist professioneller Liebesbriefschreiber. 80 Prozent seiner Kunden sind Männer. Eine von Barz’ Hauptaufgaben: „Den ungestümen Wünschen meiner Klienten Einhalt zu gebieten.“
Für alle, die am Valentinstag selbst zur Feder greifen, hat er einen Tipp: Kitsch zu vermeiden. „Wenn man nichts mit Spaziergängen bei Sonnenuntergang anfangen kann, sollte man auch nicht vom Wunsch danach schreiben. Das rächt sich irgendwann.“
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