Ich hör' auf zu rauchen: Protektionismus und Mittelfinger-Mentalität

Ich hör' auf zu rauchen: Protektionismus und Mittelfinger-Mentalität
Nach 1,5 Monaten schleichen sich Tabak und Zigaretten zurück in mein Leben und der Geruch löst Sehnsüchte aus. Außerdem kämpfe ich als Ex-Raucherin um Autonomie.
Diana Dauer

Diana Dauer

"Ist das ein Aschenbecher da in der Küche?", sagt die Person, die gerade meine Wohnung verlassen wollte und sich zur Verabschiedung noch einmal umdreht. Der Blick geht über meine Schulter durch die offene Türe zum Sideboard vor meinem Küchenfenster, dem Ort an dem ich rauchte - mindestens jeden Abend, manchmal sogar in der Früh. 

Ich werde zur Seite geschoben. In drei großen Schritten ist die Person am Aschenbecher. Ein schwerer Metallquader, der aussieht, als wäre er ausschließlich zum Ansehen, nicht zur tatsächlichen Benutzung gedacht - und schon gar nicht für so etwas Grausiges, wie Tschick-Stummel. 

Jetzt geht die Inquisition los, befürchte ich. Ich hätte die Beweise verschwinden lassen sollen. "Dumme Diana", denke ich mir, "deine Fassade der starken Abstinenz bröckelt, dumme Diana".

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"Warum ist da eine Tschick drinnen? Du hast wieder geraucht!", werde ich des Bruches bezichtigt. "Nein. Habe ich nicht. Ich schwöre". Die Person glaubt mir ... vielleicht. "Wenn du nicht geraucht hast, wer dann?", blafft mich die Person an, die absurderweise, den Stummel in der Hand dreht und inspiziert, als würde sie nach DNA-Spuren suchen. Was für ein lächerlicher Anblick. "Ich bin schon groß", erwidere ich eingeschnappt und verhalte mich dadurch mit meinen 30 Jahren noch kindischer. Aber der gönnerhafte Protektionismus meines Umfeldes nervt mich. War das in meinem Erwachsenenleben immer schon so? Nein. 

Ich werde häufiger von rauchenden Zeitgenossen und -genossinnen besucht. Aber normalerweise wird der Besuch zum Rauchen zumindest in meinen Innenhof verbannt. An jenem Abend aber hat es in Wien geschüttet, es war kalt und ungemütlich draußen. Also erlaubte ich die Zigarette an meinem Plätzchen in der Küche. Und dann blieb der Aschenbecher stehen, wie eine Rückkehr zu seinem angestammten Platz, der darauf wartet, endlich wieder befüllt zu werden. Aber für das Gefühl der alten Normalität muss ich ertragen, ausgeschimpft zu werden, wie ein kleines Kind, das nicht artig war. Und damit stelle ich fest: Offenbar stehen Zigaretten für mich für Normalität. Und dass ich nun nicht rauche, ist dann was? Ein Ausnahmezustand, der irgendwann beendet wird? Hoffentlich nicht.

Ich sehne mich nach Normalität

Ja, und warum habe ich den Aschenbecher nicht wieder weggeräumt? Ich habe nicht gelogen, nicht ich habe geraucht. Aber es hat mich leider viel zu wenig gestört, dass meine Wohnung durch einen Gast nach all der Zeit (sieben Wochen) wieder in die toxischen Schwaden gehüllt wurde. Ehrlich gesagt, fand ich es fast schön. Es gab mir ein heimeliges Gefühl. Der Geruch hing noch im Raum, als der Besuch schon wieder weg war  - wie verblassendes Parfum, das seine Penetranz verloren hat. 

Bin ich plötzlich schwach?

Mit dem Entzug alias der Entwöhnung habe ich für mein Umfeld offenbar auch an Autarkie eingebüßt. Als praktizierende Süchtige war ich in meinen Rauch-Entscheidungen eigenständig, wurde dafür maximal verurteilt - nun aber als "Entzügling" trage ich offenbar eine ständige Aura der Schwäche. 

Mein Rückfall scheint für die Menschen in meinem Leben unausweichlich. Es macht den Anschein, ich sei als Raucherin gefestigt, als Post-Raucherin fragil. "Bitte hör auf mich zu beschützen", denke ich mir immer wieder und kann vor Frustration nicht dankbar dafür sein. Die scheinbare und plötzliche Zerbrechlichkeit meines Nicht-Raucherinnen-Wesens ist offenbar entweder unterhaltsam oder löst Beschützerinstinkte aus. 

Umso mehr wehre ich mich gegen das unaufgeforderte Beschützen. Immer öfter demonstriere ich Stärke, indem ich zum Rauchen mitgehe und keine Anstalten mache, mein Verlangen nach einer Zigarette zu zeigen - obwohl es in manchen Situationen unverändert da ist. "Du kannst mich nicht brechen und schwach werde ich deinetwegen auch nicht", soll der Auftritt zeigen, der der gesamten Runde irgendwie unangenehm ist.

Ich wehre mich

Selbst Raucher, denen ich nur ab und zu begegne, erwachsen sich in meine Nicht-Raucher-Patronen. Freilich passiert das auf Feiern und unter Einfluss von Alkohol - eine Substanz, die ohnehin zur Verbrüderung und Verhandlung animiert. Da ich diese Menschen aber meist auf Feiern von gemeinsamen Freunde treffe, passierte unsere Verbrüderung rauchend. Und jetzt wird mit allen Mitteln eine neue Verbindung gesucht: eben der vermeintliche herablassende Support. 

Es ist wieder der runde Geburtstag von Freunden, ich stehe mal wieder nicht-rauchend neben Menschen, mit denen ich jahrelang Stunden vor Lokalen und Bars rauchend verbracht habe. Und natürlich geht es mal wieder um mein Nicht-Rauchen. Und diverser könnte die Gruppe nicht sein: Eine Ex-Raucherin, ein Vaper, eine, die Tabak erhitzt und nicht verbrennt und eine "normale" Raucherin. Wir riechen nach verbranntem Popcorn (Heets), Zigaretten und Strawberry-Cheesecake. Und dann fällt in alledem Alkohol-induzierten Schall und Rauch ein Satz durch den Cheese-Cake-Vaper: "Nichts wird jemals eine Tschick schlagen. Nichts zeigt der Gegenwart mehr den Mittelfinger, als sich eine Tschick anzuzünden." Ein Blödsinn natürlich, aber in dem Moment wirkt er tiefgründig.

Und genau in diesem Kampf um meine Autonomie würde ich meiner mich ständig in Obhut nehmenden Umwelt gerne eine grobe Geste zeigen. 

Und trotzdem rauche ich wieder nicht. Oder erst recht nicht. 

Stark bleiben. 

Weiteratmen. 

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