Zeitreise ins alte Shanghai

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Die Betreiber der The Exchange Bar mitten auf dem legendären Bund, der Uferpromenade mit ihren prachtvollen, historischen Kolonialbauten, hüten besondere Kostbarkeiten: Whisky- und Weinspezialitäten. Diese Schätze kommen im tresorähnlichen Ambiente besonders gut zur Geltung.

Shanghai galt früher als „Paris des Ostens“. Bis in die 1940er Jahre war die Stadt zweigeteilt: Die chinesische Altstadt war umgeben von ausländischen Konzessionsgebieten mit eigener Stadtverwaltung und Jurisdiktion. Dieser Mythos der globalen Urbanität verbunden mit Glamour und Dekadenz hat nicht nur überdauert, er wird immer wieder neu belebt.

So auch in der The Exchange Bar, die diese längst vergangene Zeit heraufbeschwört: Die Zeit des „Old Shanghai“. Es ist die glanzvolle Epoche der 1920er- bis 1940er-Jahre. Die heute mit mehr als 20 Millionen Menschen bevölkerungsreichste Stadt Chinas liegt am zentralen Abschnitt der chinesischen Küste und ist immer noch ein bedeutender Finanz- und Warenumschlagsplatz.

Schon damals erlebte Shanghai einen Aufschwung sondergleichen. „Das sichtbarste Vermächtnis jener Jahre ist der Bund - sprich: ,Band’. Diese legendäre Uferpromenade sollte Wall Street, Victoria Embankment und Champs-Elysées in einem werden. Das dahinter liegende Viertel besaß als ,Internationale Niederlassung’ exterritorialen Status“, schreibt der deutsche Reisereporter Stefan Schomann.

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Das Signet der The Exchange Bar im Blackstone Apartments Gebäude am Bund in Shanghai.

Koloniale und postkoloniale Prachtbauten säumen die (jetzt) vierspurige Promenade am westlichen Ufer des Huangpu-Flusses, gegenüber der Sonderwirtschaftszone Pudong.

Heute wie damals: Beliebter Treffpunkt

Die Blackstone Apartments (oder Fuxing Apartments; die genaue Adresse lautet 1331 Fuxing Middle Road) waren die ersten speziell für Expatriates gebauten Luxuswohnungen in Shanghai. Es war auch ein beliebter Treffpunkt der damaligen Hautevolee.

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Verheißungsvoller Blick für Whisky-Aficionados durchs Fenster des "schwarzen" Blackstone-Gebäudes.

Das 1924 errichtete vierstöckige Gebäude besteht aus importiertem Beton und Steinen aus dem Vereinigten Königreich. Diese verleihen dem Gebäude das dunkle äußere Erscheinungsbild.

Im Gebäude der denkmalgeschützten Blackstone Apartments

In diesem denkmalgeschützten Haus also, im ehemaligen französischen Konzessionsgebiet, welches heute auch als Kulturzentrum dient, befindet sich die angesagte neue Exchange Bar des Studio Nòng.

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Durch einen langen gepflasterten Flur gelangt man in den Barsaal.
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Tresorraum: Kostbare Ware - gut unter Verschluss gehalten.

Die Auftraggeber wollten eine Whisky- und Cocktailbar eröffnen, die die Geschichte der Blackstone Apartments widerspiegelt. Die Ursprünge der Bar und der Bezug zur Börse werden prominent zur Schau gestellt. Unter anderem sind beim Eingang alte Zeitungsartikel ausgestellt.

Vertikaler Präsentierteller

Die Designsprache schöpft aus der Ära des Old Shanghai: glamourös und ein wenig schrill, lasziv, träge, geheimnisvoll. Auf jeden Fall einzigartig und ungewöhnlich.

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Unter der Glasplatte der Tische sind Münzen abakusartig angeordnet.
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Wie ein Roulette am Casino-Spieltisch - mit welchem Whisky findet man heute sein Glück?

Herzstück ist die runde Whiskyvitrine, für die Chasing Wang, Gründer des Studios, eine grandiose Idee hatte: Der "vertikale Präsentierteller" erinnert an das Schloss einer alten Banktresortür. Sanftes Licht setzt die kostbaren Flaschen gekonnt in Szene, die wie die Speichen eines Rads angeordnet sind.

Eine ähnlich originelle Platzierung der Flaschen mit den Spirituosen ist im Moon Club in Prag zu sehen.

Anleihen bei der Geld- und Börsen„sprache“

Studio Nòng hat auch Motive wie den Abakus und alte Münzen als Dekorelemente eingesetzt. Sie finden sich unter den Glasplatten auf den Stehtischen. Teils sind sie in Form eines angedeuteten Schachbretts angeordnet.

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The Exchange Bar, von Studio Nòng nach "Old Shanghai" durchgestylt.
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Schon der Eingang der Exchange Bar ist geheimnisvoll: Er befindet sich an der Seite des Gebäudes. Und nur wer den Schließmechanismus der Türe durchschaut, gelangt hinein. Fast so, als wollten die Betreiber der Bar unter sich bleiben, mit guten Freunden der Familie.

Der lange, mit Mosaikfliesen gepflasterte Gang führt einen Schritt für Schritt weg von der Hektik der lauten und schrillen Umgebung. Er lässt einen allmählich in eine andere Welt gleiten. Die obere Bogenform des weitläufigen, symmetrisch entworfenen Raums deckt sich mit dem ikonischen geschwungenen Balkon an der Fassade der Blackstone Apartments.

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Nachdem man die Bar über den langen dunklen Gang mit in Banktresoren und Schließfächern sicher verwahrten flüssigen Kostbarkeiten betreten hat, erblickt man die Gäste im erhellten, weitläufigen und symmetrische Raum.

Glamourös, schrill, lasziv ... und auf jeden Fall geheimnisvoll

Die geschwungene Form der Galerie oben im Raum, auf der sich weitere flüssige Schätze befinden, deckt sich mit dem ikonischen geschwungenen Balkon an der Fassade des Blackstone Apartments. Die Wand hinter der hölzernen Bar ist mit diversen Resten antiker Stelen verziert.

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Mit den Holzelementen könnte dies fast auch eine italienische Bar sein, in der sich die Paten ein Stelldichein geben.
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Die Auswahl an feinen Whiskys und Weinen - und damit die Versuchung - ist groß.

Vor dem Hintergrund der roten Ziegelsteine verschieben sich Raum und Zeit. Man könnte sich fast in einer italienischen Familientaverne wähnen. Die Atmosphäre ist geheimnisvoll und wirkt geschichtsträchtig.

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Whiskyflaschen wie auf dem vertikalen Präsentierteller
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Geheimnisvoll. Unter den Glasflächen der Tische sind Münzen aufgelegt.

Peephole zur Bar

Interessantes Detail der Whisky-Tresor-Drehscheibe: Von den Sanitäranlagen aus kann man durch sie hindurch in jeden Winkel der Barräume sehen - wie durch eine Schlüsselloch.

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Das Highlight in The Exchange Bar: Die Whiskyflaschen sind auf einer dem Tresorschloss nachempfundenen Scheibe präsentiert. Von den Sanitärräumen aus hat man den Einblick in jeden Winkel der Bar - wie durch ein Schlüsselloch.

Zwei Kisten hinter der Bar an der Seite des Foyers haben ebenfalls Bankbezug: Eine stammt aus einem Tresorraum, die andere aus einem chinesischen Kontoraum.

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Flaschen in Tresorräumen so weit das Auge reicht.
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Nòng bedeutet im Chinesischen „tun“, „schaffen“ und „ausführen“. Es steht laut Chasing Wang, dem Firmengründer, auch für Reinheit, instinktive Reaktion und tiefe Leidenschaft.

Als Substantiv bezieht sich der Begriff auch auf typische Shanghaier Gassen. Die beiden Gründer des Unternehmens, neben Wang noch Neal Zhu, sind genau in solchen Gässchen aufgewachsen. Beide haben im Ausland studiert und möchten in einem eklektischen Ansatz kulturelle Kontexte spielerisch in moderner Designsprache gießen.

Text: Linda Benkö Fotos: Chasing Wang / Studio Nòng

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