Turmbau zu Arles
Silbern glänzt er am Tag, golden in der Nacht. Der 56 Meter hohe Turm des Luma Arles wirft das vorhandene Licht je nach Tageszeit und Reflexionswinkel der Fassadenelemente in wechselnden Farbschattierungen zurück. Für die Gebäudehülle verbaute Stararchitekt Frank Gehry 11.000 Alumiumkästen. Auf den Betrachter wirken sie wie digitale Pixel eines aus der Weite herangezoomten Felsens. Wohl ein Wink auf die Widmung des spektakulären Baues, der ein Hotspot für neue Kunstformen werden soll.
Mit dem Arts Resource Building, wie der Turm offiziell heißt, hat Gehry dem Architektur-Stil Dekonstruktivismus ein weiteres Kapitel hinzugefügt. Er gilt als einer der wichtigsten Vertreter dieser Stilrichtung und wurde mit dem Beinamen „Picasso der Architektur“ bedacht. Sein Wohnhaus in Santa Monica ging als erster dekonstruktivistischer Bau in die Annalen der Architekturgeschichte ein.
Wirtschaftsmotor Architektur
Das Spektakuläre, das dieser Stil mit sich bringt, hat mittlerweile auch eine kalkulierte wirtschaftliche Komponente. Das von Gehry entworfene Guggenheim-Museum in Bilbao etwa hat der baskischen Hauptstadt zu ungeahntem Aufschwung verholfen. Auf diesen Bilbao-Effekt hofft man nun auch in der südfranzösischen Stadt Arles.
Hohe Arbeitslosigkeit und schlechte wirtschaftliche Aussichten brachten vermehrt Hoffnungslosigkeit in die antike Römerstadt. Wie viele andere Provinzstädte hat Arles unter dem Niedergang der Industrie stark gelitten. Die Maschinenwerkstätten der französischen Bahn, die einst 1.200 Arbeiter beschäftigten, wurden bereits 1984 stillgelegt. Just dieses Gelände, der Parc des Ateliers, soll nun der Dreh- und Angelpunkt für die wirtschaftliche Wende werden.
Maja Hoffmann, Miterbin des Schweizer Pharmakonzerns Hoffmann-La-Roche, hat das mehrere Hektar große Areal bereits vor zehn Jahren für rund zehn Millionen Euro erworben. In den Ausbau des neuen Kulturzentrums steckte die Mäzenin weitere 150 Millionen Euro. Damit ist es eines der größten privaten Kulturprojekte Europas.
Luma Arles, ein interdisziplinärer Think Tank
Das Luma Arles, das in einer ersten Etappe 2018 eröffnet wurde, versteht sich als interdisziplinärer Think Tank. Das Zentrum will nicht nur zeitgenössische Kunst und neue Medien abfeiern, sondern auch einen Ideenpool und regen Austausch zu den Themen Ökologie, Kultur und Menschenrechte bieten. Dabei soll das Konzept der Ausstellung komplett neu überdacht werden. Künstler, Wissenschafter, Philosophen und Forscher aus den verschiedensten Bereichen werden hier in gemeinsamen Projekten zusammengebracht. Damit hat das Luma den neuen Mega-Museen der internationalen Metropolen etwas Entscheidendes voraus. Während diese meist in den alten Schubladen von Kunst und deren Präsentationsformen verhaftet bleiben, schaut man in Arles weit über den Tellerrand hinaus.
Kritik an Hoffmanns Einfluss
Ein ambitioniertes Projekt, das ohne die finanzielle und ideelle Unterstützung von Maja Hoffmann nicht zu realisieren wäre. Mit ihrem Engagement möchte die Unternehmerin zeigen, welche Auswirkungen Kunst und Kultur auf einen Ort haben können. Hervé Schiavetti, der kommunistische Bürgermeister von Arles, steht voll und ganz hinter der kunstaffinen Pharmaerbin. Dank ihr werde der Ruf von Arles bis nach New York, London und Berlin dringen, so die Überzeugung des Politikers. Jährlich soll das Luma Arles zwischen 300.000 und 500.000 Besucher zusätzlich in die historische Stadt in der Provence locken. Der wirtschaftliche Mehrwert ist für ihn vorprogrammiert.
Dennoch kommt die Botschaft bei vielen – ähnlich dem Turmbau zu Babel – noch nicht wirklich an. Der weitgreifende Einfluss der „Königin von Arles“, wie sie in den französischen Medien gerne genannt wird, geht für manche zu weit. Hoffmann fungiert als eine Art regionaler Inkubator. Neben ihrem Engagement im Luma Arles sitzt sie im Aufsichtsrat der Van Gogh Stiftung, besitzt das Bio-Sternelokal „La Chassagnette“ sowie mehrere schicke Art Hotels in der Gegend. Außerdem finanziert sie die Rencontres d’Arles, eines der bedeutendsten Fotofestivals der Welt.
Gehrys Turm wird zwar erst ab 2021 voll genutzt werden können, doch der Einfluss des neuen Kunst- und Kulturzentrums zeichnet sich bereits jetzt ab. Der südkoreanische Künstler Lee Ufan lässt derzeit ein altes Stadthaus vom japanischen Stararchitekten Tadao Ando zu einer Mega-Galerie umbauen. In der Innenstadt werden eifrig weitere Galerien, hippe Läden und Pop-up-Bars eröffnet. Und im einst heruntergekommenen Viertel La Roquette tummelt sich schon jetzt die Pariser Schickeria.
Text: Gertraud Gerst
Foto: Getty Images, Hervé Hote, Joana Luz, Arles Tourisme
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