„Diversität macht Unternehmen erfolgreicher“

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Die Pandemie war in vielen Bereichen der Arbeitswelt ein Katalysator für anstehende Veränderungen. Gundi Wentner von Deloitte Consulting und UBM-COO Martina Maly-Gärtner im Dialog über Empathie von Führungskräften, Jobs mit Purpose und die nach wie vor schwere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Gundi Wentner berät als Partnerin bei Deloitte Consulting Unternehmen bei der Suche nach und der Auswahl von Führungskräften. Martina Maly-Gärtner wurde vor einem Jahr zum Vorstandsmitglied der UBM Development ernannt und zählt das Personalwesen zu ihren Agenden. Die perfekte Schnittmenge für ein aufschlussreiches Gespräch!

Corona hat neue Anforderungen an das Management gestellt. Laut einer Umfrage von Deloitte haben Persönlichkeit und emotionale Intelligenz an Stellenwert gewonnen. Schlägt sich das schon in den Personalgesprächen nieder?

Gundi Wentner: Grundsätzlich haben sich die Anforderungen an Führungskräfte nicht verändert. Führungskräfte werden nach zwei Kriterien bewertet, ihren fachlichen Fähigkeiten und ihren Führungskompetenzen. Die Führungskompetenzen sind durch die Pandemie nicht wichtiger geworden, aber sichtbarer. Entsprechende Defizite treten klarer zutage. Ich bin immer erstaunt darüber, wie oberflächlich in vielen Organisationen die Auswahlverfahren für Führungspositionen sind. Viele Führungskräfte werden primär nach Selbstähnlichkeit rekrutiert. Und dieses Defizit bei der Auswahl rächt sich oftmals später bitter.

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Martina Maly-Gärtner verantwortet bei der UBM die Bereiche Hotel, Human Resources und Versicherungen.

Martina Maly-Gärtner: Die Fachkompetenzen in einem Recruiting-Interview abzugreifen, ist relativ einfach. Herausfordernder ist es aber, in dieser sehr kurzen Zeit die Persönlichkeit des Kandidaten auszuloten. Hier ist es wichtig, die richtigen Fragen zu stellen, um auch auf die Ebene der emotionalen Intelligenz sowie Persönlichkeit kommen zu können.

Wentner: Ein unstrukturiertes Interview hat sicher die geringste Validität. Wir verwenden bei Auswahlverfahren ein ganzes Set an psychologischen Testverfahren oder Simulationsmodelle, wo bestimmte Arbeitssituationen durchgespielt werden.

Ist Führen in Zeiten der Pandemie schwieriger geworden?

Maly: Es ist ein anderes Führen. Die Herausforderung liegt darin, ein Gefühl von Zusammengehörigkeit zu transportieren, obwohl es weniger oder keinen persönlichen Kontakt gibt. Kommunikation ist noch viel wichtiger geworden – wie oft, wie intensiv spreche ich mit meinen Mitarbeitern? Und natürlich ist Empathie gefordert, zu verstehen, wie es den Mitarbeitern geht und welche Tools sie brauchen, um Ihre Ziele erreichen zu können. Wenn einem das nicht gelingt, läuft man Gefahr, die Loyalität der Mitarbeiter zu verlieren.

Man kann ganz klar beobachten, dass Unternehmen, die auf Diversität setzen, erfolgreicher sind.

Gundi Wentner, Partner bei Deloitte Consulting

Wentner: Womit haben Ihre Führungskräfte am meisten gekämpft?

Maly: Teamwork ist ein Eckpfeiler von High Performance. Der Zusammenhalt des Teams wurde vor große Herausforderungen gestellt. Deshalb haben wir versucht, diese Gemeinschaft, diese Community , diese Motivation nach Monaten des erzwungenen Home Office wieder erlebbar zu machen. Wir haben uns bemüht, die Mitarbeiter so früh wie möglich ins Office zurück zu „locken“. Ausschließlich im Home Office zu arbeiten, ist sicher kein Performance Driver. Dazu müssen wir im Büro aber das gewisse „Mehr“ bieten, das „and more“ unserer Strategie „green. smart. and more.“. Wir müssen mehr bieten als das Büro der Vergangenheit, um Gemeinschaft und Loyalität zu fördern. Nur ein schöner Schreibtisch und eine funktionierende IT reicht nicht mehr. Denn die Loyalität zum Unternehmen nimmt im Home Office sicher ab.

Wentner: Ich bin total Ihrer Meinung, dass es klug, richtig und die Aufgabe eines Unternehmens ist, den Mitarbeitern einen Arbeitsplatz anzubieten, an dem sie gut arbeiten und auch Gemeinschaft erfahren können. Bei uns wollten gerade die jungen Mitarbeiter unbedingt wieder ins Büro zurück, um diese Gemeinschaft leben zu können. Ganz generell geht es am modernen Arbeitsmarkt um Flexibilität, wobei die Abgrenzung zwischen Arbeitswelt und Privatleben eine große Herausforderung ist.

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Gundi Wentner ist Partnerin beiDeloitte Consultingund berät Top Executives und Aufsichtsräte in der Suche und Auswahl von Führungskräften.

Maly: Ein weiterer Punkt, der für das Büro spricht, ist sicher die Kreativität durch gegenseitige Anregung. Die bleibt bei Remote Work oft auf der Strecke.

In einer aktuellen Studie von Deloitte geht es um die „Kraft der Organisation“. Was genau verstehen Sie darunter?

Wentner: Es geht darum, den Menschen Zusammenhalt zu bieten und Sinn bei der Arbeit, um „Purpose“.

Die UBM hat sich Nachhaltigkeit auf ihre Fahnen geschrieben. Wie kommt das beim Recruiting an?

Maly: Nachhaltigkeit steht bei vielen Kandidaten ganz oben auf der Prioritätenliste, unsere neue strategische Ausrichtung kommt am Arbeitsmarkt extrem gut an. Ob es das Thema Holzbau ist oder die Entwicklung „smarter“, intelligenter Immobilien – all das begeistert vor allem junge Jobbewerber.

Wentner: Genau darum geht es vielen jungen Leuten - einen Sinn in der Arbeit zu finden und einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Vor allem junge Leute achten auf diesen gesellschaftlichen Impact, neben den eigenen Entwicklungsmöglichkeiten.

Auf politischer Ebene ist in Deutschland und Österreich noch viel zu tun. In Norwegen etwa ist es ganz normal, dass eine Frau mit Kind arbeiten geht.

Martina Maly-Gärtner, COO UBM Development

Die EU Taxonomie fordert künftig Diversity. Gemäß einer Umfrage von Deloitte sind aber nur 33 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzt. Welche Voraussetzungen müssen in Unternehmen und auf politischer Ebene geschaffen werden, um hier weitere Fortschritte zu erzielen?

Wentner: Ein Problem dabei ist sicher die Rekrutierung nach Selbstähnlichkeit, die Systeme reproduzieren sich. Dabei kann man ganz klar beobachten, dass Unternehmen, die auf Diversität setzen, erfolgreicher sind.

Maly: Es ist aber auch auf politischer Ebene noch viel zu tun. Das Thema Kinderbetreuung ist nach wie vor nicht gelöst, da müssen in Deutschland und Österreich erst noch die passenden Strukturen geschaffen werden. In Norwegen etwa ist es ganz normal, dass eine Frau mit Kind arbeiten geht, da gibt es aber auch die notwendige Infrastruktur.

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Die Kombination von Frau und Mann trägt wesentlich zum Unternehmenserfolg bei, sagt Martina Maly-Gärtner.

Wentner: Österreich und Deutschland sind auf diesem Feld total rückständig. Das beginnt bei der Betreuung von Kleinkindern und geht hin bis zum Schulabschluß im 18. Lebensjahr. Haben wir Ganztagsschulen in Österreich? Nein! In manchen skandinavischen Ländern gehen die Kinder zu Schuljahresbeginn mit der Schultasche in die Schule – und nehmen diese dann das ganze Schuljahr über nie wieder mit nach Hause, weil alles Schulische in der Schule erledigt wird. In Deutschland und Österreich sind Kinder und Vollzeitberufstätigkeit nur schwer miteinander zu vereinbaren. Und Teilzeit wiederum ist für Frauen die Karrierefalle schlechthin. Die politischen Rahmenbedingungen sind eine Katastrophe. Ich würde zum Beispiel die Karenzzeit neu regeln und festlegen, dass die volle Karenzzeit nur dann möglich ist, wenn der Mann die Hälfte davon nimmt.

Maly: Es ist noch immer nicht bei vielen Unternehmen angekommen, dass es bereits nachgewiesen ist, dass die Kombination von Frau und Mann wesentlich zum Unternehmenserfolg beiträgt, schon allein aufgrund der unterschiedlichen Persönlichkeiten und Verhaltensmuster, die Frauen und Männer mit sich bringen. Ich versuche immer darauf zu achten, dass eine gute Balance in den Teams hergestellt wird.

Wentner: In Gruppen von Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund – und das Geschlecht ist nun einmal ein starkes Unterscheidungsmerkmal – wird etwa besser zugehört, weil man neugierig ist.

Moderation: Karl Abentheuer Fotos: Philipp Horak, Supersusi

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