Die Renaissance des Baustoffs Stroh

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Der Trend zu nachhaltigen Baumaterialien ist nicht zu stoppen. Derzeit erlebt etwa das Bauen mit Stroh eine Renaissance. So gibt es neben den klassischen Strohballen nun auch Dämm- und Bauplatten aus Stroh.

In den eigenen vier Wänden will man es gemütlich und angenehm haben. Dazu gehört auch, dass die unmittelbare Umgebung frei von Schadstoffen ist. Denn das Bewusstsein über schädliche Chemie in Einrichtungsgegenständen, Böden oder Baustoffen ist in den vergangenen Jahren enorm gestiegen.

Konsumenten und Mieter sind dafür zusehends sensibilisiert und immer weniger bereit, Beeinträchtigungen der Gesundheit und des Wohlbefindens in Kauf zu nehmen. Im Wohnbau werden daher Materialen wie der Baustoff Stroh wieder interessant.

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Bauen mit Stroh hat eine lange Tradition ...
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... und kommt jetzt wieder in Mode.

Gewöhnliche Baustoffe, Möbel oder Teppiche können unbemerkt über Jahre giftige Stoffe an die Raumluft abgeben, die die Bewohner über die Atemwege und die Haut aufnehmen. Im Fall eines Wohnungs- oder Hausbrands können sogar tödliche Gase entstehen.

Bauen mit Stroh als zertifiziertem Baumaterial

Strengere Verordnungen, Regelungen sowie Bau-Normen und nicht zuletzt die Klimaziele verleihen dem Trend zu umweltfreundlichen und nachhaltigen Baumaterialien zusätzlichen Auftrieb. Und so rückt das Bauen mit Holz aber auch mit anderen hochwertigen natürlichen Stoffen immer mehr beziehungsweise wieder mehr in den Fokus.

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Lasttragenden Strohballen werden viele baubiologische und ökologische Vorteile zugeschrieben.
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Experten rühmen das behagliche und gesunde Raumklima als Vorzüge von Stroh als Dämmstoff.

Auch der traditionelle Baustoff Stroh wird wieder entdeckt, zumal sich die Bautechniken weiterentwickelt haben. Stroh weise laut Bauexperten gerade auch für den modernen Hausbau vielfältige Vorzüge auf: behagliches und gesundes Raumklima, baubiologische und ökologische Vorteile. In Kombination mit Lehm kommen die Vorzüge der Dämmung mit Stroh besonders gut zur Geltung, wird etwa die Architektin Margareta Schwarz auf der Webseite www.energieleben.at zitiert: „Stroh und Lehm lieben sich. Das Stroh sorgt für Wärme und der Lehm für die Kühle“.

Feuerbeständig

Häuser mit Strohballen als Grundsubstanz sind keine Seltenheit. „Stroh ist als zertifiziertes Baumaterial seit 2010 behördlich zugelassen und wird als Baumaterial der offiziellen Baustoffliste geführt”, heißt es bei der niederösterreichischen SonnenKlee GmbH. Außerdem könne man für Stroh als geprüftem ökologischem Dämmstoff mit der Österreichischen/Europäischen Technischen Zulassung Wohnbauförderung beantragen.

„Die tiefsitzenden Vorurteilebezüglich der Brandgefahren von Stroh sind längst widerlegt. Durchdie starke Pressung und Kompression des Strohs mit entsprechendemWandaufbau wird sogar Brandschutzklasse F90 und mehr erreicht, dasheißt eine Mindestfeuerwiderstandszeit von 90 Minuten istgewährleistet”, so die Experten bei SonnenKlee. Abgesehen von dermechanischen Pressung der Strohballen seien zum Schutz des Strohs vorUngeziefer und Feuchte keine weiteren Maßnahmen oder schädlichenZusatzstoffe notwendig.

Günstig, nachwachsend und langlebig

Strohballen werden im Aufbau wie Ziegel eingesetzt. Laut www.unserstrohhaus.at gibt es drei Bauvarianten: Die lasttragende Bauweise mit Wandstärken von 90 bis 130 cm, die Holzriegelkonstruktion mit ganzen Strohballen (Wandstärke 44-59 cm) und die jüngeren Varianten, Holzriegelkonstruktionen mit einblasfähigem Baustroh und Wandstärken von nur 24 bis 44 cm.

Das regionale Material ist nahezu unbegrenzt verfügbar. Im DIY-Verfahren lässt sich damit einiges an Baukosten sparen. Auch haben in Strohballenbauweise errichtete Häuser eine vergleichsweise lange Lebensdauer. Bauexperten führen gern das 1903 in Nebraska erbaute Haus Burke an, das älteste selbsttragende Strohballenhaus der Welt, das heute noch in seiner vollen Pracht stehe. Und die Kompostierbarkeit ist nahezu gänzlich gegeben.

Neues Verfahren

Stroh wird gern auch in Plattenform im Innenausbau verwendet. Die deutsche Strohplattenwerk Müritz GmbH hat ein neues Verfahren entwickelt, das die Strohplatte zu einem „vollökologisch und komplett biologisch abbaubaren” Produkt mache, bei dem weder schädliche Bindemittel, noch Klebemittel zur Anwendung gelangen. Man habe eine eigens entwickelte Substanz auf Mineralbasis entwickelt („LOS-ADD”), die die herkömmlichen, teils giftigen Chemikalien ersetze. Dies sei einer von vielen Gründen, warum die Strohplatte aus Müritz nicht brennbar sei, heißt es.

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Strohplatten der neuesten Generation sind „vollökologisch und komplett biologisch abbaubar”.
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Strohplatten aus dem Werk in Müritz: Ohne schädliche Bindemittel oder Klebemittel.

Die Rohstoffe werden den Angabenzufolge umweltschonend – mit niedrigem Produktionsdruck undniedriger Produktionswärme – verarbeitet. Die Strohplatten seienatmungsaktiv, sehr leicht und besäßen gleichzeitig eine hoheFestigkeit. Zudem verfügten die Platten über eine sehr guteWärmedämmung sowie Flüssigkeitsresistenz. Auch Schimmelfreiheitund Brandsicherheit sei gegeben. Das deutsche Strohplattenwerk hatsich ihr Herstellungsverfahren patentieren lassen.

„Der Einsatz-Schwerpunkt wird imInnenausbau und bei der Verwendung als Möbelplatte liegen.“ DieProdukte können als Innenwand-Dämmplatten als Trennwandsystemfungieren, als Fußboden- oder Dekor-Element. Sogar im Schiffs-,Schienen- und Fahrzeugbau können sie zur Innenwandverkleidung, alsFußboden, als Dekorelement oder zur Möbelherstellung eingesetztwerden.

Die Anwendungen der Platten sind vielfältig. Umweltfreundliche und brandsichere Werkstoffe erlangen im Schiffsinnenbau, Möbelbau, ökologischen Hausbau sowie in der Innen- und Außendämmung zunehmend an Bedeutung.

Christian Losehand, Gründer und Geschäftsführer der Strohplattenwerk Müritz GmbH

Die Dämmplatten sind erhältlich ineinfacher Ausführung oder als Sandwichplatte (als Grundplatte fürden Möbelbau oder im Innenausbau als Wand- bzw. Deckenpaneel), diedünnen Verkleidungsplatten wiederum eignen sich für denInnenausbau, als Wandverkleidungselement oder beispielsweise beimMesse- und Ausstellungsbau, präzisiert Christian Losehand, Gründerund Geschäftsführer der Strohplattenwerk Müritz GmbH.

Ersatz für Styropor

„Da sich die gesetzlichen Anforderungen hinsichtlich Brandschutz und Einhaltung von Schad- und Giftstoffgrenzen stetig erhöhen, sehen wir für die neuen Produkte großes Marktpotential”, meint Thomas Reichau, Vertriebsleiter der Strohplattenwerk Müritz GmbH. Vor allem die Sandwichplatte, mit der man die Styropordämmung ersetzen wolle, berge großes Potential.

Aktuell schafft die Produktionsanlage in der Kleinserienfertigung circa 30.000 m² pro Jahr im 1-Schichtbetrieb, das könne in einem nächsten Schritt auf 50.000 m² im 2-Schichtbetrieb ausgedehnt werden. Für mehr brauche es dann wohl eine weitere Finanzierungsrunde.

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Vertrieben werden die Platten an Großhändler und- abnehmer im B2B-Bereich sowie an Wohnungsgesellschaften.

Der Vertrieb richte sich primär an Großhändler (Baustoffhändler und -lieferanten sowie Holzgroßhändler) und an Großabnehmer im B2B-Bereich wie Wohnungsgesellschaften. „Konkrete Gespräche mit möglichen Kooperationen, unter anderem mit einem ökologischen Baustoffhändler für Italien, haben bereits stattgefunden”, heißt es.

Investment für die Crowd

Noch bis 2. September 2019 bekommt man bei der Crowdinvesting-Kampagne des Strohplattenwerks Müritz auf der Plattform www.greenrocket.at die „Early-Bird-Verzinsung“ in Höhe von 7,5 Prozent jährlich. (Anm. d. Red.: Wie bei jedem Crowdinvestment kann ein Verlust des eingesetzten Vermögens nicht ausgeschlossen werden)

Einen ersten Großauftrag hat das Strohplattenwerk Müritz schon unter Dach und Fach: Für die Sanierung einer der ersten Renaissancebauten in Mitteldeutschland, des Residenzschlosses in der Kleinstadt Dessau in Sachsen-Anhalt, wird das deutsche Startup 1.400 m² seiner „strohlos Platten” liefern. Sie sind für den Innenausbau der Galerieräume bestimmt.

Text: Linda BenköFotos: Ammodramus, John Cross, gettyimages (allou, ewg3D, anandoart), Strohlos Produktentwicklungs GmbH

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