Das weichgezeichnete Parkhaus

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Mitten ins historische Zentrum einer geschichtsträchtigen Stadt wie Chambéry ein „utilitaristisches” Parkhaus zu bauen – das erfordert Mut. Diesen haben das Architekturbüro Hérault Arnod Architectes und der Künstler Krijn de Koning bewiesen und das Parkhaus Q-Park Ravet sehr umsichtig realisiert.

Es gehört schon eine Portion Mut dazu, so in das historische Zentrum einer Stadt einzugreifen, wie es Hérault Arnod Architectes gemeinsam mit dem Künstler Krijn de Koning in Chambéry mit dem Parkhaus Q-Park Ravet getan haben. Nicht nur ist die Parkgarage in nächster Nähe zum prächtigen, alten Schloss und zu einem berühmten Brunnen gelegen. Es befindet sich auch an der Sichtachse der Hauptader der Stadt, der zentralen Geschäftsstraße Rue de Boigne.

Bereits die Römer hatten an der Stelle der heutigen Präfektur des französischen Départements Savoyen eine Siedlung. Offiziell erstmals beurkundet wurde Chambéry 1029. Vom 11. bis zum 13. Jahrhundert war die Stadt eine selbstständige Grafschaft. Und die Alpenstadt wurde zur „Stadt der Kunst und der Geschichte” des Jahres 2006 gekürt.

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Von der zentralen Geschäftsstraße Chambérys, der Rue de Boigne, und dem berühmten Elefantenbrunnen aus gut zu sehen: Das Parkhaus Q-Park Ravet.

Es sollen hier keineswegs Moralkeulen geschwungen werden, ob Städte mehr Parkhäuser benötigen oder hitzige Debatten darüber vom Zaun gebrochen werden – zumal einem die Gesamtkomposition Bewunderung entlockt.

Parkhaus Q-Park Ravet: Mehr als nur ein Zweckgebäude

Denn das Pariser Architekturbüro und der niederländische Künstler kamen zu dieser äußerst phantasievollen Lösung, als sie vor der Herausforderung standen, ein von Natur aus zweckmäßiges Gebäude in Sichtweite zum größten Bauwerk der Stadt hinzustellen: Das im 12. Jahrhundert errichtete Schloss der Grafschaft und des späteren Herzogtums Savoyen.

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Q-Park Ravet, designt von Hérault Arnod Architectures in Zusammenarbeit mit dem Künstler Krijn de Koning.
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Markanter Blickpunkt des mit Weichzeichner-Effekt gestalteten Parkhauses ist das rote „Belvedere”.

Q-Park Ravet ist jedoch mehr als nur ein Zweckgebäude, bei dem üblicherweise funktionale Aspekte als alleiniger baulich-gestalterischer Maßstab dienen. Der geschwungene und durchscheinende Baukörper des Parkensembles ist von der von Arkaden gesäumten Rue de Boigne aus gut sichtbar.

Unübersehbares „Belvedere”

Die Geschäftsstraße im Zentrum Chambérys führt vom Schloss quer durch die Altstadt zum berühmten Elefantenbrunnen, wobei sie den Place Saint-Léger kreuzt. Die Straße läuft perspektivisch genau auf den Q-Park Ravet zu. Eingerahmt ist das Ganze von einer malerischen Bergkulisse.

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Die strategische Lage des Projekts am Ende der historischen Hauptstraße der Stadt führte zum Entwurf einer architektonischen Lösung, …
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... die sowohl den Bewohnern als auch den Besuchern etwas mehr bietet und dem Parkprojekt eine weitere Funktion verleiht.

In Anbetracht des historischen Kontexts haben die Architekten von Hérault Arnod versucht, die rein utilitaristischen Merkmale des Q-Park Ravet durch ein skulpturales, rotes „Belvedere” auf jener Achse, die durch Straße und Schloss entsteht, auszugleichen. Dieser einzigartige Bestandteil des Ensembles wurde in Zusammenarbeit mit de Koning entworfen.

Die Installationen des 1963 geborenen niederländischen Künstlers Krijn de Koning siedeln sich zwischen Architektur und Skulptur an und reichen von musealen oder institutionellen Räumen bis hin zu öffentlichen Plätzen, die er gestaltet.

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Der Aussichtspunkt kann von der Außentreppe vom zweiten Stock aus erreicht werden, ...
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... ohne dass man durch das Parkhaus gehen müsste. Es bietet sich ein spektakulärer Panorama-Ausblick.

Vielschichtigkeit und urbane „Dramatik”

Tagsüber fällt Q-Park Ravet kaum auf. Nachts wird es durch Kontraste, Licht und transluzide Elemente zu Leben erweckt. Die künstlerische Note von de Koning verleiht dem infrastrukturellen Gebäude eine Vielschichtigkeit und urbane „Dramatik”.

Das „skulpturale Belvedere” an der Außenseite des Garagengebäudes ist eine Aussichtsplattform, die strategisch so platziert ist, dass man zum Schloss hinüberblickt. Die Besucher können so von dort aus das historische Kleinod der Stadt bewundern.

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Gerundete Kanten mildern die Massigkeit

Das Team von Hérault Arnod Architectes hat sich für den Q-Park Ravet der Form des Dreiecks mit abgerundeten Kanten bedient. Diese reduzieren die Wuchtigkeit des Baukörpers und schaffen Fluchtlinien. Im Endeffekt erscheint das Gebäude kleiner als es ist.

Die Kurven am den Schenkelende des Dreiecks korrespondieren auch mit den abgerundeten Gemäuern der benachbarten historischen Gebäude. So fügt sich das neue Parkhaus auch besser in sein Umfeld ein.

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„Weichzeichner-Effekt”

Verstärkt wird dieser „Weichzeichner”-Effekt durch die transluzente Fassade mit ihrem U-förmigen Metallprofil, das sich von der Straße bis zum obersten Stockwerk um das Gebäude zieht. Zwischen diesen metallischen Abschnitten verbergen Glasstreifen das Innere des Gebäudes in einem Muster, das sowohl innerhalb als auch außerhalb des Garagenkomplexes sichtbar ist.

Die Fassaden sind zu 50 Prozent durchbrochen, was die Brandsicherheit erhöht. Diese Zwischenräume ermöglichen den Nutzern interessante Ausblicke auf die Stadt. Die Glasstreifen der Fassaden sind in einem Winkel von 45 Grad angeordnet. Diese bestehen zu 60 Prozent aus recyceltem Glas, das opalisierend emailliert wurde.

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Das Parkhaus Q-Park Ravet ist ein leichtes und durchlässiges Gebäude.
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Auch die opalisierend emaillierten Glasstreifen lassen das Gebäude fast ätherisch erscheinen.
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Das liegt daran, dass die Fassaden zu 50 Prozent leer sind.
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Das Muster der Glasstreifen ist sowohl von innen als auch von außen zu sehen.

Tagsüber kommt das Gebäude mit seinen 499 Stellplätzen in erster Linie seiner funktionalen Bestimmung nach. Auf dem Dach des Parkhauses befinden sich mit Photovoltaikzellen ausgestattete Beschattungsstrukturen, die die Autos schützen.

Nachts wird die Parkgarage dank der Innenbeleuchtung in warmes Licht getaucht, das zudem die städtische Umgebung mitbeleuchtet. Ähnlich originell und interessant ist auch das B&O Parkhaus in der bayrischen Stadt Bad Aibling aus der Hand von HK Architekten.

Rundum-Panoramablick

Auf dem Dach befinden sich Photovoltaik-Paneele. Im Inneren des dreieckigen Innenhofs befindet sich ein Garten. Er ist mit Farnen, Immergrün, Ahorn, Hortensien, Kiefern, Feigenbäumen, Lavendel und verschiedenen Gräsern bepflanzt. Die Gestaltung verleiht dem Ganzen eine gewisse Naturnähe.

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Tagsüber kommt die Funktionalität des Gebäudes voll zur Geltung.
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Nachts ändert sich die Wahrnehmung dank der Innenbeleuchtung, die auch das Stadtbild sanft beleuchtet.

Die mediterane Vegetation der nach Süden ausgerichteten Terrasse besteht aus Schirmkiefern, Feigenbäumen, Lavendel und Gräsern.

Der an das Hauptgebäude angebaute, sehr rote und auffallend auskragende Aussichtspunkt verleiht dem Gebäude einen urbanen Schliff. Er ist über eine Außentreppe im zweiten Stock erreichbar. So ist es nicht zwingend nötig, durch das Parkhaus zu gehen, um dorthin zu gelangen. Von oben, zur Rue de Boigne hin, bietet sich der atemberaubende Blick auf die Stadt, den Fluss, das Schloss und die Alpen.

Die architektonische Handschrift besteht in der Komplementarität zwischen den geschwungenen, minimalen und lichtdurchlässigen Fassaden des Parkhauses und dem skulpturalen, orthogonalen und farbigen „Dachbalken”.

Hérault Arnod Architectures ist ein Pariser Architekturbüro, das in den frühen 1990er Jahren von Yves Arnod und Isabel Hérault in Grenoble gegründet wurde. Das Team besteht aus fünfzehn Architekten mit unterschiedlichen Profilen und Nationalitäten.

Das Studio entwickelt verschiedene Projekte, von kleinen architektonischen Objekten bis hin zu Projekten von territorialem Ausmaß. Auftraggeber sind sowohl Private als auch öffentliche Stellen. Zu den realisierten zählen Offices, Konzert- und Theatersäle, Sport- und Kultureinrichtungen, Wohnungbauten, Gebäude mit Mischnutzung und vieles mehr.

Der Wille, sich von vorgefertigten Lösungen oder der Umsetzung nach Schablone x zu lösen, impliziert bei jedem Projekt einen „Forschungsprozess, der in sachdienliche und originelle Lösungen mündet, die ihre Substanz aus der Besonderheit des Umfelds beziehen”, heißt es. Ausgehend von diesen Kontextstudien kämen sehr unterschiedliche Gebäude hervor.

Text: Linda Benkö Fotos: Cyrille Weiner / v2com

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