Bau auf Bambus

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Die vietnamesische Stadt Vinh hat, wenn es um ihre Architektur geht, keinen besonders guten Ruf. Doch das Architekturstudio Vo Trong Nghia hat das Nocenco Café im Zentrum umgestaltet und damit ein neues Wahrzeichen erschaffen.

Diverse Reiseführer führen Vinh als hässlichste Stadt in Vietnam. Deswegen ist die Hauptstadt der Provinz Nghe An meist nur ein Zwischenstopp für Touristen auf der Durchreise nach Hanoi. Das Stadtbild ist von Plattenbauten im DDR-Stil und baufälligen Häuserfassaden geprägt, an denen sich ein schier endloses Gewirr an Menschen vorbeischiebt.

Zahlreiche politische und wirtschaftliche Umbrüche haben ihre Spuren in Vinh hinterlassen. Die Zeiten, als Vinh zur blühenden Industrie-Metropole Vietnams aufgestiegen war, sind lange vorbei. Die Bombardements während des Vietnamkriegs veränderten die Stadt weiter nachhaltig: Sie ließen von historischen Gebäuden und Straßen so gut wie nichts mehr übrig. Nach Ende des Krieges wurde der Wiederaufbau mit Hilfe der damaligen DDR unternommen. Vinh wurde zu einer Art sozialistischen Modellstadt – zumindest aus architektonischer Sicht.

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Kolonial-Café

Zahlreiche Häuser im Kolonialstil finden sich neben den Wohnblöcken im Plattenbau-Stil ebenfalls in Vinh; ein Relikt aus der französischen Besetzung Vietnams im 19. und 20. Jahrhundert. Nach der Zerstörung der Originalbauten durch den Krieg wurden diese – teilweise notdürftig – saniert und renoviert. In einem ebensolchen, einem siebenstöckigen Betongebäude, liegt das Nocenco Café. Der Hausbesitzer wollte das oberste Stockwerk samt dazugehöriger Dachterrasse zu Kaffeehaus und Club umgestalten lassen.

Den Auftrag bekam schließlich das Architekturstudio Vo Trong Nghia (VTN), wobei das Vorhaben zu einer Herausforderung wurde, denn die Fassade des Gebäudes sollte auf keinen Fall verändert werden. Vielmehr sollte sie als Ergänzung zum Design funktionieren.

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Bambus-Höhle

Auf der Suche nach dem geeigneten Material entschieden sich die Architekten schließlich für Bambus. Als Baustoff lässt sich dieser leicht in hohe Stockwerke transportieren und gut in einen bestehenden Raum einfügen. Aufgrund seiner Eigenschaften in puncto Leichtigkeit, Haltbarkeit, Formbarkeit und Schönheit wurde Bambus von den Architekten auch schon in früheren Projekten eingesetzt. So entwarf VTN beispielsweise 2018 für die Biennale in Venedig den Bambus Stalaktiten Pavillon.

Wir hatten uns einige lokale Materialien wie Ziegel oder Stein angeschaut, aber schließlich entschieden wir uns für Bambus.

von Vo Trong Nghia

"Wir hatten uns einige lokale Materialien wie Ziegel oder Stein angeschaut, aber schließlich entschieden wir uns für Bambus.", erklären die Architekten. Hinzu kommt, dass Bambus in der Region leicht zu beschaffen ist. Für das Nocenco Café wurden Wände, Decken und Kuppeln aus Bambus errichtet, die zusammen eine selbsttragende Struktur ergeben. Die bereits zuvor vorhandenen zehn Betonsäulen verkleideten die Architekten ebenfalls mit Bambus, zusätzlich baute man vier weitere Säulen aus Bambus. So wurden separate Bereiche im Café möglich, die nicht komplett abgetrennt sind, aber doch genug Raum für Privatsphäre geben.

Ein neues Wahrzeichen

Aufgrund der Lage in den oberen Geschossen bietet sich vom Inneren sowie der Dachterrasse ein wunderbarer Blick über die Stadt. Die Idee dahinter erklärt VTN: "Der höhlenartige Raum kann nie in seiner Gesamtheit erlebt werden, aber dafür hat man von überall Sicht auf die umliegende Stadt."

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Wirft man einen Blick in das Innere und auf die Einrichtung des Cafés, stechen die Tische und Stühle aus Holz, vereinzelt mit Tischplatten aus Glas, ins Auge. Die Kombination aus Pflanzen, die über die Geschosse verteilt sind, dem Blick über die Skyline und der Bambusstruktur, führen zu dem Gefühl, sich gleichzeitig drinnen und draußen zu befinden.

Damit wurde ein Ambiente geschaffen, das Gemütlichkeit und gleichzeitig eine gewisse Aufgeräumtheit vermitteln. Wer tagsüber einen Kaffee genießen möchte, wird von dem Sonnenlicht, das durch die höhlenartigen Wände scheint und ein schönes Lichtspiel ergibt, überrascht, während abends die Skyline der umliegenden Stadt glitzert.

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So wurden das Café und die Dachterrasse zum heimlichen Wahrzeichen, denn schon aus der Ferne sieht man die Konstruktion der Bambuskuppel über den Dächern von Vinh. Ob damit der inoffizielle Titel der hässlichsten Stadt von Vietnam aberkannt wird, lässt sich schwer vorhersagen. Ein Schritt in die richtige Richtung ist das Nocenco Café definitiv.

Text: Resi Reiner Fotos: Vo Trong Nghia (VTN)

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