Tangente St. Pölten: „Kampf um die Stadt“ im Wrestling-Ring und anderswo
Fragen der Teilhabe werden aus lokaler und globaler Perspektive behandelt, die oftmals näher beieinander liegen, als man denken mag. Da wären etwa die Mechanismen von Macht und politischer Verantwortung, die der aus dem Iran stammende Regiestar Amir Reza Koohestani in seiner Inszenierung von Friedrich Schillers „Maria Stuart“ durchleuchtet: Er stellt Bezüge zur Notlage von Frauen im Iran her, die inhaftiert werden, weil sie nach mehr Autonomie verlangen. Die Weltpremiere findet am 13. September im Landestheater Niederösterreich (19:30 Uhr) statt.
Und da ist der öffentliche Raum: Ort des Austauschs, der Begegnung und des sozialen Miteinanders, aber auch Schauplatz von Kommerzialisierung und Verdrängung. Zwischen diesen beiden Polen entstehen weltweit tiefgreifende Konflikte, in St. Pölten werden sie beim Wrestling ausgetragen. Julian Warners und Veronika Maurers „Kampf um die Stadt. Eine Wrestlingshow“ ist eine lustvolle Auseinandersetzung mit Gentrifizierung, Overtourism, Kultur- und Klassenkampf, bei der professionelle Wrestler:innen gegeneinander antreten (14. und 15. September, Jahnturnhalle, 19.30 Uhr).
Im Landestheater Niederösterreich erzählt am 19. und 20. September (19:30 Uhr) das dokumentarische Musiktheater „The Days Out There“ von einer Gruppe von Cis-Frauen und Trans*-Menschen, die in argentinischen Gefängnissen inhaftiert waren. Die Produktion der aus Buenos Aires stammenden Schriftstellerin und Regisseurin Lola Arias ist erstmals in Österreich zu sehen. Ein berührendes Theaterstück über Existenzkämpfe und Freiheitsutopien - mit viel Musik.
Im Festspielhaus St. Pölten ist am 20. September (19:30 Uhr) mit Kyle Abraham einer der gefragtesten US-amerikanischen Choreografen und Tänzer der Gegenwart zu Gast. Seine Choreografien beschäftigen sich mit den Lebensrealitäten von Schwarzen und queeren Menschen in den USA und vereinen Elemente aus Streetdance, Hip-Hop und Ballett. „Cassette: Volume 1“ ist Abrahams tänzerische Reise in die eigene Jugend der 1980er- und 1990er-Jahre.
In „Der Garten der Lüste“, benannt nach dem berühmten Gemälde von Hieronymus Bosch, befragt der gefeierte französische Theatermacher Philippe Quesne mit seiner Performancegruppe Vivarium Studio am 27. September (19:30 Uhr) im Festspielhaus St. Pölten die Entwicklung der Menschheitsgeschichte und die Albträume der Gegenwart. Ebenfalls im Festspielhaus zeigt Joana Tischkau am 4. und 5. Oktober (jeweils 19:30 Uhr) die Revue „Yo Bro“ und seziert stereotype Rollenbilder, ausgehend von Familien-Fernsehabenden der 1980er- und 90er-Jahre.
Einmal mehr setzt sich die Tangente auch mit lokaler Geschichte auseinander. Industriebetriebe haben viele Jahre lang nicht nur das Stadtbild geprägt, sondern sich auch in die gesellschaftliche Struktur und Stadtkultur eingeschrieben, etwa durch den Zuzug von Gastarbeiter:innen, die ab Mitte der 1960er-Jahre nach St. Pölten kamen. Auch ihnen ist das von Esra Özmen und Thomas Kern kuratierte Festival für Arbeiter:innenkultur „Working Class!“ gewidmet, das sich am 20. und 21. September mit verschiedenen Aspekten des Themas beschäftigt. Lieder der Proletenpassion treffen dabei auf klassenkämpferisches Kabarett, Gedichte über Gastarbeit auf Porträts von Arbeiter:innen, anarchischer Ska-Punk auf klassenbewussten Rap mit u.a. Eko Fresh (Bild unten) und EsRap. Es gibt viel zu besprechen – und zu feiern!
Mehr Infos zum Programm der Tangente und zu den Tickets gibt es auf der Website: www.tangente-st-poelten.at