Versicherer müssen Teil des digitalen Ökosystems der Generation Z werden

Versicherer müssen Teil des digitalen Ökosystems der Generation Z werden
Ist persönliche Beratung für die Generation Z noch wichtig? Oder werden Finanzprodukte und Versicherungen nur noch online gekauft? Direktor Michael Miskarik von HDI LEBEN spricht mit AFPA-Obmann Johannes Muschik über die Zukunft der Finanzberatung, neue Lebenswelten und digitale Ökosysteme.

Michael Miskarik: Die AFPA hat eine eigene Studie zur Generation Z in Auftrag gegeben. Warum ist gerade diese Zielgruppe für eine Interessensvertretung wie die AFPA so interessant?

Johannes Muschik: Die Generation Z sind junge Menschen zwischen 11 und 25 Jahren. Sie sind die Konsument:innen, Mitarbeitenden und Entscheidungstragenden von morgen. Als erste Generation überhaupt wachsen sie in einer durchgehend digitalen Welt auf, sind untereinander ständig online verbunden und nehmen Informationen anders auf als unsere Generation. Als Interessensvertretung der Versicherungs- und Finanzprofessionist:innen Österreichs wollen wir verstehen, wie die Generation Z tickt, wem sie vertraut und wie man sie erreichen kann. Wir fragen uns: Ist Vorsorge für Junge überhaupt Thema? Hat eine persönliche Beratung für die Generation Z Wert? Oder kauft sie ihre Finanzprodukte und Versicherungen nur noch über Siri, Alexa oder bei Amazon?

Was sind die wichtigsten Ergebnisse der Studie?

Vorausschicken möchte ich, dass es keine Studie in Form von Befragungen, sondern eine sogenannte Szenario Planung war. Ein Projektteam der Wirtschaftsuniversität Wien hat untersucht, welche Trends für die Versicherungs- und Finanzdienstleistungsbranche aus Sicht der Generation Z relevant sind. Es wurden Entwicklungen erforscht, die wir in unserer Gesellschaft bereits jetzt erkennen. Zum einen ist das die ständig zunehmende Automatisierung und Digitalisierung aller Lebensbereiche. Zum anderen ist es das Teilen von Konsumgütern, also dass Güter des täglichen Bedarfs nicht mehr von einem Einzelnen besessen, sondern von mehreren benutzt werden. Diese Entwicklungen schaffen ein neues Marktumfeld, in dem sich unsere Mitgliedsunternehmen behaupten müssen.

Was bedeuten diese Ergebnisse für Finanz- und Versicherungsberater:innen?

Früher erfolgte der Einstieg in ein Beratungs- und Beziehungsverhältnis häufig über das erste eigene Auto und die dazu gehörige Versicherung. Heute nutzt die Generation Z immer häufiger einen Sharing Dienst für E-Roller oder ein Klimaticket. Die erste Kund:innenbeziehung für eine Versicherung beginnt nun, indem beim E-Roller Vertrag eine Unfallversicherung inkludiert ist. Setzt sich der Digitalisierungstrend noch stärker durch, wird auch die automatisierte Vermittlung von Versicherungen eine logische Folge sein. Das könnte bedeuten, dass die persönliche Beratung von digitalen Angeboten abgelöst wird.

Michael Miskarik, Direktor der HDI Lebensversicherung AG in Österreich

Michael Miskarik, Direktor der HDI Lebensversicherung AG in Österreich

Wo sehen Sie einen konkreten Handlungsbedarf?

Marktteilnehmer:innen sollten auf Warnsignale achten und evaluieren, ob sie noch „auf dem richtigen Pfad“ sind. Sie müssen an den zukünftigen Andockpunkten positioniert sein, um in ein Beratungs- und Beziehungsverhältnis mit den Jungen zu kommen. Tun sie das nicht, kann es rasch passieren, dass sie eine immer kleiner werdende Nische bearbeiten, während die Generation Z in ganz anderen Welten unterwegs ist.

Wie kann die Generation Z am besten angesprochen werden? Welche Bedürfnisse müssen berücksichtigt werden?

Man muss Teil ihrer Ökosysteme und Lebenswelten werden. Mit Lebenswelt meine ich ein Umfeld, in dem sich jemand aufhält und das ein Fokus-Thema hat – etwa Familie, Sport, Haus & Heim. Jeder Mensch bewegt sich im Laufe seines Lebens durch solche Lebenswelten. Und alle haben immer auch mit Geld, Finanzdienstleistungen und Versicherungen zu tun. Wer ein Haus bauen will, braucht einen Kredit. Wer Sport treibt, braucht Versicherungsschutz. Wer eine Familie gründet, braucht Absicherung und finanzielle Vorsorge. Will man die Generation Z an solchen Andockpunkten erreichen, muss man schon davor Teil ihrer Lebenswelten geworden sein.

Braucht die Generation Z neue Lösungen? Oder reicht es, bewährte Angebote wie Lebensversicherungen an die geänderten Bedürfnisse der jungen Menschen anzupassen?

Ich bin der Überzeugung, dass es nicht unbedingt neue Produkte braucht. Die finanziellen Lebensfragen bleiben die gleichen. Beispielsweise ist das Ansparen für große Anschaffungen oder das Vorsorgen für die Pension auch für junge Menschen ein wichtiges Thema. Absehbar ist, dass die Generation Z nicht gezielt nach geeigneten Vorsorgeprodukten fragen wird. Vielmehr wird für unsere Branche entscheidend sein, dass wir die Lebenswelten der Jungen verstehen und uns darauf vorbereiten. Wir werden sie dort abholen müssen, wo sie sind. Das wird sehr wahrscheinlich in ihren digitalen Ökosystemen sein.

Braucht die Generation Z noch eine persönliche Beratung oder reichen digitale Ansprechpartner:innen?

Die Ergebnisse der Szenario Planung legen nahe, dass die Generation Z auf persönliche Beratung Wert legt. Es gibt auch heute schon ein breites Online-Angebot, allerdings bleiben dabei wichtige Fragen unbeantwortet: Ist man ausreichend abgesichert? Zahlt man zu viel? Kriegt man im Leistungsfall zu wenig – oder gar nichts? Darüber kann nur eine kompetente Beratung Auskunft geben. Gleichzeitig ist diese aber aufgrund überbordender Regulierung enorm schwierig geworden. Heute verbringen Mitarbeiter:innen unserer Mitgliedsunternehmen bis zu 40 Prozent ihrer Arbeitszeit damit, gesetzliche Auflagen zu erfüllen. Für den tatsächlichen Kontakt mit Kund:innen bleibt immer weniger Zeit. Und damit sind wir bei der eigentlichen Herausforderung! Vielleicht sollten wir uns fragen: Bekommt die Generation Z noch persönliche Beratung oder muss sie sich vermehrt mit Online-Tools und Bots begnügen?

Johannes Muschik, Obmann der AFPA

Johannes Muschik, Obmann der AFPA

Johannes Muschik ist Obmann des Verbandes der Versicherungs- und Finanzprofessionisten Österreichs, AFPA, und Vorstandsmitglied und ehemaliger Chairman von FECIF, dem Europäischen Dachverband der selbständigen Versicherungsvermittler:innen und Finanzberater:innen in Brüssel. Er nimmt laufend an EU Konsultationen zu neuen Richtlinien, Verordnungen und Leitlinien der Aufsichtsbehörden teil. Johannes Muschik ist geschäftsführender Gesellschafter der VermittlerAKADEMIE.

HDI LEBEN empfiehlt jungen Menschen ein umfassendes Beratungsgespräch zu den Themen Vermögensaufbau und private Altersvorsorge. Orientierung finden Interessierte unter https://www.hdi-leben.at/beratersuche

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