Eltern sollten an die Arbeitswertsicherung ihrer Kinder denken
Michael Miskarik: Pandemie, Krieg, Energiekrise und Teuerung – die letzten Monate waren für uns als Gesellschaft nicht einfach. Zahlreiche Studien sahen vor allem Kinder und Jugendliche als Leidtragende dieser Entwicklung. Wie geht es unserer Jugend heute?
Jürgen E. Holzinger: Fachleute gehen davon aus, dass sich die aktuellen Unsicherheiten besonders auf junge Menschen belastend auswirken. Bereits die letzten Monate waren herausfordernd und haben ihre Spuren hinterlassen. Vor allem der fehlende soziale Kontakt während der Pandemie hatte spürbare Folgen: Die jüngste Studie des Departments für Psychologie und Biopsychosoziale Gesundheit der Donau-Universität Krems zur psychischen Gesundheit von Schülerinnen und Schülern liefert dazu erste Zahlen. Demnach weisen 62 Prozent der Mädchen und 38 Prozent der Burschen eine mittelgradig depressive Symptomatik auf. Darüber hinaus haben sich depressive Symptome, Angstzustände aber auch Schlafstörungen verfünf- bis verzehnfacht. Rund ein Fünftel der Mädchen und 14 Prozent der Burschen leiden unter wiederkehrenden suizidalen Gedanken, d. h. sie denken entweder täglich oder an mehr als der Hälfte der Tage an Selbstmord.
Was bedeutet das langfristig für unsere Gesellschaft?
Wir haben es mit einer Generation von jungen Menschen zu tun, die in einem höheren Maße mit psychischen Problemen zu kämpfen hat als viele Generationen davor. Daher wurden die staatlichen Mittel für psychosoziale Maßnahmen heuer bereits um 2,9 Millionen Euro aufgestockt – ab 2023 sollen es jährlich um 1,9 Millionen Euro mehr sein. Doch die Auswirkungen der Pandemie werden wir noch viele Jahre lang spüren: So ist unter anderem zu erwarten, dass die Zahl der berufsunfähigen Menschen aufgrund psychischer Erkrankungen massiv ansteigen wird. Das bedeutet aber nicht nur einen Stresstest für unser staatliches Sozialsystem, sondern auch für uns als Gesellschaft. Eltern sollten sich daher die Frage stellen, ob es nicht sinnvoll wäre, die Arbeitskraft ihrer Kinder frühzeitig abzusichern, denn es ist zu befürchten, dass die staatliche Vorsorge nicht ausreichen wird.
Wo sehen Sie die Grenzen der staatlichen Vorsorge?
Mit einer Berufsunfähigkeit ist in Österreich ein dauerhafter Einkommensverlust für die gesamte Restlebenszeit verbunden, obwohl alle Erwerbstätigen in der öffentlichen Pensionsversicherung gegen Berufsunfähigkeit pflichtversichert sind und damit ein staatliches Sicherheitsnetz vorhanden ist. Aber dieses Netz hat Lücken. So ist der Anspruch auf eine Pensionsleistung nicht automatisch gegeben, vielmehr wird die Erfüllung einiger Kriterien vorausgesetzt. Unter anderem müssen vor dem Versicherungsfall mindestens sechs Versicherungsmonate erworben worden sein. Dabei werden Schul- und Studienzeiten für diese Wartezeit nur dann berücksichtigt, wenn für sie Beiträge entrichtet wurden.
Dennoch sind in Österreich nur rund vier Prozent der Erwerbstätigen mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung abgesichert und die durchschnittliche Versicherungssumme liegt deutlich unter dem erwarteten Einkommensverlust. In den USA und in Deutschland liegt die Quote mit etwa einem Drittel der Beschäftigten wesentlich höher. Woran liegt das?
Für die geringe Verbreitung in Österreich gibt es unterschiedliche Gründe: Einerseits wird das Risiko, berufsunfähig zu werden, falsch wahrgenommen und andererseits sind die Erwartungen an die staatliche Absicherung zu hoch. Hinzu kommt mangelndes Wissen über Versicherungsmöglichkeiten. In Österreich werden jährlich rund 55.000 Anträge auf BU-/Invaliditätspension gestellt, doch die große Mehrheit wird abgelehnt.
Sehen Sie hier den Staat in der Pflicht? Oder wer trägt dafür die sozialpolitische Verantwortung?
Es braucht beim Thema Berufsunfähigkeit und dem dazugehörigen Reha-Prozess dringend eine tragfähige Reform. Die im Jahr 2014 in Kraft getretenen Änderungen haben nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Vor allem im Bereich der Psyche braucht es mehr Maßnahmen. Bereits heute sind mehr als 60 Prozent der Betroffenen auf Grund psychischer Probleme mit dem Thema Berufsunfähigkeit/ Invalidität konfrontiert. Als Verein ChronischKrank Österreich werden wir uns auch weiterhin sowohl für Betroffene als auch für eine umfassende Reform einsetzen.
HDI LEBEN empfiehlt allen, die ihren ARBEITSWERT nachhaltig absichern wollen, ein umfassendes Beratungsgespräch mit einem vertrauensvollen, zuverlässigen und fachlich kompetenten Vorsorgespezialist:innen.
Orientierung finden Interessierte unter: www.hdi-leben.at/beratersuche
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