Interview: Eigenverantwortung heißt, auch für die eigene Zukunft vorsorgen

Interview: Eigenverantwortung heißt, auch für  die eigene Zukunft vorsorgen
Direktor Michael Miskarik, Niederlassungsleiter der HDI Lebensversicherung AG in Österreich, spricht mit Ingrid Korosec, Präsidentin des Seniorenbunds, über die Auswirkung der Teuerung, Pensionsanpassung und die Notwendigkeit finanzieller Eigenvorsorge

Michael Miskarik: Die hohe Inflation und die massiven Preisanstiege bei Energie und Nahrungsmitteln belasten nicht zuletzt ältere Menschen besonders stark. Als Seniorenbund-Präsidentin fordern Sie daher eine Inflationsanpassung der Pensionen sowie zusätzliche Maßnahmen gegen die Teuerung. Warum sind Ihnen die gesetzlich vorgesehenen 5,8 Prozent zu gering?

Ingrid Korosec: Durch die hohe Inflation bildet die gesetzliche Anpassung die reale Teuerung nicht mehr ab. Allein der wöchentliche Einkauf ist derzeit um mehr als 19 Prozent teurer als im Vorjahr. Wir müssen bei den Seniorinnen und Senioren Armut verhindern und die Kaufkraft erhalten.

Wie könnten solche zusätzlichen Maßnahmen gegen die Teuerung aussehen?

Diese Woche habe ich beim Verhandlungsauftakt mit Sozialminister Rauch meine Forderung nach einem umfangreichen Pensionistenpaket klar gemacht, das die reale Teuerung abbilden muss. Zusätzlich zur vollen gesetzlichen Anpassung fordere ich finanzielle Zuschüsse für kleine Pensionen und insbesondere für den Mittelstand sowie eine Teuerungsbremse durch weitere Maßnahmen der Bundesregierung, vor allem bei Gas, Strom und Benzin. Außerdem will ich für die Zukunft per Gesetz den Berechnungszeitraum der gesetzlichen Anpassung ändern, um die reale Inflation besser abzubilden.

Wie begegnen Sie der Kritik, dass Ihre Forderungen das Pensionssystem noch weiter in Schieflage bringen und die Umverteilung von Jung zu Alt dadurch zusätzlich verstärken würden?

Ich verstehe die Sorgen der Jugend, Generationengerechtigkeit bedeutet aber auch Pensionsgerechtigkeit. Erstens sind Pensionen Versicherungsleistungen, deren Werterhalt allen per Gesetz zusteht. Zweitens verhindern gerade krisenbezogene Entlastungen eine Schieflage im System. Drittens sind die Seniorinnen und Senioren ein großer Wirtschaftsfaktor mit 17 Milliarden Euro Steuer- und 50 Milliarden Euro Konsumleistung, die die Wirtschaft und auch die Jugend stärken.

Sie warnen immer wieder vor einer drohenden Altersarmut. Wer ist aus Ihrer Sicht hier besonders gefährdet?

Der Vergleich sagt alles: Jede zweite gesetzliche Pension liegt unter 1270 Euro brutto, das sind nur 95 Euro monatlich über der Armutsgrenze von 1175 Euro brutto! Das trifft besonders Frauen, die Kindererziehung und Pflege leisten. Darum kämpfe ich für das automatische Pensionssplitting als Anerkennung von Kindererziehung als Arbeit. Außerdem warne ich vor der Teilzeitfalle, in die jede zweite Frau tappt.

Sie sprechen mit Teilzeitarbeit einen Grund an, der immer wieder für die im Vergleich deutlich geringeren Alterspensionen von Frauen genannt wird.

Halbe Arbeit bedeutet halbe Pension, das muss allen klar sein. Teilzeit ist eine Übergangslösung, kein Lebensarbeitsmodell! Die meisten Frauen wollen Vollzeit arbeiten, können aber nicht. Wir müssen die Voraussetzungen verbessern, etwa durch Ausbau der Kinderbetreuung. Jene, die nicht Vollzeit arbeiten wollen, müssen wir stärker über die Folgen aufklären.

Sollten Frauen Ihrer Meinung nach in Bezug auf die Altersvorsorge mehr finanzielle Eigenverantwortung übernehmen?

Natürlich! Wer heute Teilzeit arbeitet, muss sich bewusst sein, dass er oder sie privat vorsorgen muss, statt sich auf den Partner zu verlassen. Eine Unfallversicherung ist für viele selbstverständlich, Altersvorsorge aber nicht. Ich möchte gerade an die Jugend appellieren, die wegen Studium und Ausbildung etwa 10 Jahre später zu arbeiten beginnt als früher. Auch die Sichtweise auf Arbeit ist im Wandel. All das hat negative Auswirkungen auf die Pension. Eigenverantwortung heißt, eigene Entscheidungen zu treffen, aber auch für die eigene Zukunft vorsorgen.

Besten Dank für das informative Gespräch.

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