Turbulenzen bieten Chancen

Turbulenzen  bieten Chancen
Die Schwierigkeiten im Bankensektor und auch die Zinsanhebungen der Europäischen Zentralbank ließen die Aktienkurse abrutschen. Doch diese Korrekturen bieten für Mutige ausgewählte Einstiegschancen.

Noch am Sonntagabend des 19. März wurde die Übernahme der zweitgrößten Schweizer Bank Credit Suisse von UBS, der größten Schweizer Bank, verkündet. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) unterstützt die Notfusion mit Liquiditätshilfen im Umfang von 100 Milliarden Franken. Eine Lehre aus dem Lehman-Desaster 2008. Und das Risiko bestand: Die Credit Suisse beschäftigt 50.000 Mitarbeiter und verwaltete Ende 2022 ein Vermögen von 1,32 Billionen Euro. Wenn eine solche Bank finanziell ins Wanken gerät, kann sie schnell andere Institute mitreißen. Markus Kaller, Wertpapierexperte der Erste Bank: „Wir gehen nach wie vor davon aus, dass die europäischen und US-amerikanischen Bankensysteme im Kern gesund sind. Dies gilt insbesondere für die globalen system-relevanten Banken, die seit der Finanzkrise 2008 stark reguliert werden, um sicherzustellen, dass sie auch in wirtschaftlichen Stressszenarien einen Überhang von Aktiva über ihre Verbindlichkeiten haben.“ Natürlich bestehen Risiken, aber die aktuell günstigen Bewertungen bieten Chancen.

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Insgesamt ist die Lage besserals man glauben möchte. In den vergangenen sechs Monaten legten der DAX und der Euro Stoxx 50 im zweistelligen Bereich zu. Auslöser dieser für Anleger erfreulichen Performance waren einerseits Nachrichten, die eine Entspannung der Lage der Weltwirtschaft erwarten lassen, und andererseits Inflationsdaten, die auf eine Abkühlung der Preissteigerungsdynamik hindeuten. Marion Morales Albiñana-Rosner, Vorständin Wealth Management & Private Banking der UniCredit Bank Austria: „In Summe zeigt sich das wirtschaftliche Umfeld in Europa deutlich robuster als noch vor wenigen Monaten angenommen. Das Investmentumfeld erscheint bei einem mittelfristigen Zeithorizont in Europa durchaus attraktiv.“ Hinzu komme, dass der milde Winter das Risiko einer Energiekrise deutlich reduziert habe. Andreas Perauer, Fondsmanager im Team „Aktien, entwickelte Märkte“ in der Raiffeisen KAG: „Zuletzt sorgten vor allem die solide Berichtssaison sowie das unerwartet resiliente Wirtschaftswachstum für Optimismus. Rückenwind kommt zudem nach dem Ende der Null-Covid-Politik auch aus China.“

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Doch durch die Krisebei der Credit Suisse kam es zu einer Fokusverschiebung der Investoren. Perauer: „Bis vor Kurzem galt noch der Bankensektor als großer Profiteur von höheren Zinsen, nun würde ich eher auf defensivere Branchen wie den Gesundheitssektor fokussieren. Angesichts einer hinterherhinkenden Performance seit Jahresbeginn könnte in diesem Sektor ein gewisses Potenzial schlummern.“ Besonders spannend erscheinen hier Werte wie etwa der schuldenfreie Pharma-Spezialist Evotec. Die Aktie des Prüfspezialisten für Wirkstoffe im Pharmabereich ist ein spekulativer Turnaround-Kandidat. Kursfantasien entfacht die jüngste Kooperation mit der Pharmatochter Janssen Biotech vom US-Konzern Johnson & Johnson. Ziel ist die Entwicklung von Tumor-Therapien. Darüber hinaus investiert Evotec in eine Anlage für biotechnologisch hergestellte Arzneimittel in Frankreich und den USA. Und auch Sorgen über die steigenden Zinsen muss sich der MDax-Konzern keine machen. Die Bilanz weist eine Nettoverschuldung von minus 298 Millionen Euro aus. Das bedeutet, Evotec hat mehr Bares als Schulden.

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Auch Versorger wie RWE Potenzial

Im abgelaufenen Geschäftsjahr hat RWE nach vorläufigen Ergebnissen 3,2 Milliarden Euro netto verdient, nach 721 Millionen Euro im Jahr davor. Die Analysten erhöhten im Schnitt in den vergangenen sechs Monaten ihre Prognosen für den Nettogewinn um 55 Prozent auf 2,4 Milliarden Euro. Hauptgrund für die anhaltend hohen Gewinne ist der Energiehandel und der vermehrte Einsatz von Kraftwerken in den Bereichen Wasser, Biomasse und Gas. Mit der Stromerzeugung aus Kernkraft und Braunkohle verdient RWE dagegen immer weniger, weil mehr Kraftwerke vom Netz gehen. In den USA setzte RWE bereits während der Amtszeit von Ex-Präsident Donald Trump auf alternative Energien. Jetzt sorgt das US-Geschäft für Kursfantasien, denn das unter Präsident Joe Biden beschlossene Klima- und Sozialpaket gaben RWE nachträglich recht.

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Während viele Investoren auf ein Ende des Halbleiterbooms setzten und die Infineon-Aktie dadurch um 50 Prozent abstürzte, geht der Boom nun in die Verlängerung. Auch 2023 registrierte Infineon eine steigende Nachfrage nach Leistungshalbleitern und baut deshalb die Kapazitäten weiter aus. Bereits nach dem ersten Quartal, das für Infineon im Oktober begann, hob der Konzern die Jahresprognose an. Vor allem die Energiewende und der Umbau der Autoindustrie sorgen für einen immer weiter steigenden Bedarf an Halbleitern. Nach einem Rekord-Nettogewinn von 2,18 Milliarden Euro im vergangenen Jahr rechnen Analysten 2023 mit 2,5 Milliarden Euro.

Die Zinssteigerungen der vergangenen Monate machen nun auch wieder Anleihen attraktiv. Morales Albiñana-Rosner: „Aufgrund der höheren Rendite offerieren auch Anleihen wieder eine attraktivere Alternative zu Aktien. Auch Euro-Unternehmensanleihen mit guter Bonität sind unverändert interessant. Durch das gestiegene Renditeumfeld sowie die höheren Risikoaufschläge bei Unternehmensanleihen ist dieses Anlagesegment attraktiv.“

Stephan Scoppetta

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