Das Architekturbüro im Stadtbahnbogen 316 hat vorgesorgt. Zwei Zettel kleben an der Eingangstüre aus Glas, die etwas versteckt unterhalb des Zaha-Hadid-Baus am Donaukanal liegt. Darauf zu sehen: Eine riesige Überwachungskamera, darunter ein davonlaufender Mann. Und ein durchgestrichener Geldsack.
Zwielichtige Gestalten dürften hier also regelmäßig ihr Glück versuchen. Das verwundert nicht: Nur vereinzelt kommen Jogger oder ein Radfahrer vorbei – ansonsten ist der Bereich verwaist. Nur einer von neun Stadtbahnbögen in diesem Abschnitt ist vermietet. Das Zaha-Hadid-Haus, das über die historische Trasse gebaut wurde, steht komplett leer. Noch.
Denn schon im Frühjahr 2020 sollen neue Mieter in den Prestigebau einziehen. Für das Grätzel ist es die Chance, das zu werden, als was es erdacht war: ein lebendiger, urbaner Stadtteil am Wasser.
Umbau
Die Vorzeichen sind bereits erkennbar: In allen drei Stiegen des Zaha-Hadid-Hauses wird gebaut. Die Böden sind mit Malervlies abgeklebt, Arbeiter schleifen die Wände ab. „Wo ist der Elektriker?“, ruft einer durch das Stiegenhaus.
Nach Jahren des Leerstands tut sich in dem futuristischen Bau in der Nähe der Müllverbrennungsanlage Spittelau also wieder etwas. Der Grund: Das Gebäude hat einen neuen Eigentümer. Im heurigen Frühling hat die „ZA-HA 10 Immobilien GmbH“ den Komplex um 7,6 Millionen Euro erworben – von der Stadterneuerungs- und Eigentumswohnungsgesellschaft (SEG).
„ZA-HA 10“ will dem Zaha-Hadid-Haus neues Leben einhauchen: mit dem Projekt „Urban Island“, kurz „Urbi“ – laut Website einem „Hotspot für Co-Living“.
Erste Anfragen eingelangt
Konkret heißt das: Künftig werden Studenten und Touristen hier wohnen, sagt Projektmanager Oliver Werbach. Er sitzt in einem der verwaisten Stadtbahnbögen auf einer weißen Lederbank. Rund 700 Quadratmeter Büro- und Gewerbeflächen sind in der alten Stadtbahntrasse und in zwei Sockeln des Hauses verfügbar.
Auch sie sollen wieder Mieter bekommen. „Innovative Firmen, die zur Belebung beitragen“, sagt Werbach. Zum Beispiel soziale Einrichtungen. Oder Lokale, die Gerichte zum Mitnehmen anbieten. „Es gibt schon Anfragen von Mietern“.
Derzeit beschränkt sich die Kulinarik im Zaha-Hadid-Haus noch auf Wurstsemmeln, die die Arbeiter im Erdgeschoß essen. An der Wand lehnen die Muster für die Böden der Wohnungen: Eichenparkett soll es werden. Er ist einer der Zutaten, mit denen studentisches Wohnen hier endlich funktionieren soll.
Von der irakischen Star-Architektin Zaha Hadid († 2016) entworfen und ab 2004 mit finanzieller Unterstützung der Stadt gebaut, wird das Haus am Donaukanal im Februar 2006 eröffnet. Ein Jahr später meldet die verantwortliche Stadterneuerungs- und Eigentumswohnungsgesellschaft (SEG) die Pleite an. Die erhofften Ansiedelungen von Lokalen waren ausgeblieben, Meldungen über Leerstand machten die Runde. Die 2009 eröffnete Park-&-Ride-Garage bei der Gürtelbrücke und Beisl in den dortigen, eigens restaurierten Stadtbahnbögen sollten das Grätzel wiederbeleben – es blieb allerdings beim Versuch.
Die Idee an sich ist nicht neu: Neben Eigentumswohnungen und Miet-Appartements wurden von Beginn an auch WG-Zimmer angeboten. Zwischenzeitlich fungierte das Gebäude als „Boarding-House“ für ausländische Studenten. Zunächst erfolgreich, im Zuge der Abwicklung der SEG-Pleite im Jahr 2007 dann immer weniger – bis das Haus schließlich gänzlich leer stand. Mit ein Grund: „Innen hat das Gebäude architektonisch nicht das gehalten, was es außen verspricht.“
Ein Problem: Die vielen Schrägen. Sie machen das Einrichten schwierig. Deshalb wird „ZA-HA 10“ die Wohnungen komplett vom Innendesigner möbliert vermieten. Dazu gibt es Glasfaser-Internet und eine Klimaanlage, die das Haus mit dem Wasser aus dem Donaukanal kühlen wird. Plus: neue Grundrisse. „Es gab Wohnungen mit bis zu 150 Quadratmetern. Das ist einfach zu groß für den Markt“, sagt Werbach.
Punsch oder Spraydosen
Eine neue Verwendung sollen auch die Freiflächen bekommen. Auf dem Platz zwischen Stiege 1 und 2 ist ein Wochenmarkt geplant. An den zwei Kiosken an der Kante des Fuß- und Radwegs könnte Punsch oder Limonaden ausgeschenkt werden. „Es könnte aber auch ein Spraydosen-Dealer einziehen“, sagt Werbach.
Zwar werden die illegalen Graffiti an den Kiosken und an der Fassade des Hauses im Frühling entfernt. Wandmalereien in „kunstvoller Weise“ seien aber willkommen. Werbachs Anspruch ist jedenfalls, einen Impuls für das gesamte Grätzel zu setzen. „Es soll hier kein einsamer Spot mehr sein.“
Dazu beitragen soll eine bessere Beleuchtung: „In der Nacht funktioniert hier keine Lampe“, sagt Werbach. Deshalb lasse man ein Lichtkonzept erarbeiten. Das Ziel: dunkle Ecken – wie rund um das Architekturbüro – beseitigen, damit das Sicherheitsgefühl steigt. Und um die Architektur hervorheben. Kurzum: Das Zaha-Hadid-Haus ins richtige Licht zu rücken.
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