WK-Präsident: "Wir schreien aus vollen Kräften"

Ruck: "Betroffene ins Boot holen"
Wiens Wirtschaftskammer-Präsident Walter Ruck über Bürokratie und Lifestyle.

Wiens Wirtschaftskammerpräsident Walter Ruck sorgt sich um seine Betriebe. Vor allem die schrumpfenden Betriebsflächen in der Stadt führen seiner Meinung nach zur Absiedelung von immer mehr Betrieben. Von der Politik wünscht sich Ruck mehr Wirtschaftskompetenz: "Ich habe den Eindruck, dass in der letzten Zeit Lifestyle die wirtschaftliche Vernunft schlägt."

KURIER: Herr Ruck, im Mai waren in Wien 120.00 Menschen arbeitslos, um 10,8 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Wieso schafft es die Wiener Wirtschaft nicht, mehr Arbeitsplätze zu schaffen?

Walter Ruck: Man muss hier zwei Dinge unterscheiden. Die Beschäftigung in Wien ist auf einem Rekordstand. Die Wiener Wirtschaft schafft mehr Arbeitsplätze als je zuvor. Die Frage ist aber , wie man die Rahmenbedingungen seitens der Politik verbessern kann.

Die Zeit drängt. Wien wächst rasant, der Arbeitsplatzbedarf wird noch größer werden. Gleichzeitig wandern immer wieder Betriebe ab. Warum?

Ein Grund dafür ist, dass die Flächen für Betriebe immer weniger werden. 1992 hatten wir noch 2800 Hektar Betriebsflächen, 2015 sind es nur noch 2190 Hektar. Umgerechnet entspricht der Verlust an Betriebsflächen in Wien fast 900 Fußballfeldern. Wir müssen daher noch vehementer jede Betriebsabsiedelung , gleichzeitig aber auch jeden Flächenverlust verhindern.

Warum schreit die Wirtschaftskammer nicht schon längst auf?

Wir schreien aus vollen Kräften, und das schon seit langem. Wenn man produzierende Unternehmer in dieser Stadt halten will und neue Firmen ansiedeln will, braucht man Platz.

Es gibt immer wieder die Aussage von Unternehmern, dass ihnen Fachkräfte fehlen. Produziert Wien als Bildungsstandort an den Bedürfnissen vorbei?

Nein, das glaube ich nicht. Ein großer Teil unseres Problems sind jene Personen, die weniger qualifiziert sind. Die machen einen großen Teil der Arbeitslosen aus. Jetzt gibt es Maßnahmen zur Nachschulung, die wirklich gut sind. Hier müssen wir vielleicht noch mehr Geld investieren. Aber ich habe auch den Eindruck, dass man die Betroffenen nicht mit ins Boot holt. Denn vielen Jungen fehlt einfach der Antrieb, dass sie eine Ausbildung machen.

Wird es den Leuten zu einfach gemacht, nicht arbeiten zu müssen – Stichwort soziale Hängematte?

Mir gefällt der Begriff der sozialen Hängematte nicht. Aber es gehört zur Weiterentwicklung und Qualifizierung auch die Eigeninitiative dazu.

Viele Unternehmer stöhnen unter der wachsenden Bürokratie, auch in der Wirtschaftskammer.

Wir arbeiten ständig daran, unsere eigenen Leistungen für die Unternehmer zu verbessern. Das Feedback, das wir bekommen, ist sehr erfreulich. Ich habe auch Verständnis dafür, dass man eine Stadt anders verwaltet als eine kleine Gemeinde. Aber wenn ich mein Heil in bunten Zebrastreifen und singenden Kanaldeckeln sehe, dann fragen sich die Leute, die hier ernsthaft arbeiten, ob da die Rahmenbedingungen für mich noch stimmen.

Hat sich die Stadtregierung also zu sehr um die Mariahilfer Straße gekümmert?

Wenn ich das Wien der Zukunft planerisch betrachte, kann man es nicht nur auf eine Fußgängerzone reduzieren. Gerade in der letzten Zeit hat man den Eindruck, dass Lifestyle wirtschaftliche Vernunft schlägt. Nicht jede Idee, die witzig aussieht, wie den Ring zur Fußgängerzone zu machen, würde dem Wirtschaftsstandort Wien gut tun.

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