Laut Recherchen des Profil bezahlte die FPÖ Werbeanzeigen auf Türkisch und hielt eine Pressekonferenz nur für türkische Medienvertreter – die Blauen bestreiten das.
ÖVP wittert Chance auf Stimmenzuwachs
Für die ÖVP war das ein gefundenes Fressen. Die blauen Kontrahenten wurden als unglaubwürdig mit einer Nähe zum politischen Islam bezeichnet. Die Strategie der Stadttürkisen ist klar – nach den eher schlechten Umfrageergebnissen wittert man nun die Chance, wieder Stimmen von der FPÖ zurückzugewinnen. Dass das von Erfolg gekrönt ist, bezweifelt Politikexperte Thomas Hofer. „Es ist zwar unangenehm, den blauen Stammwählern die Linie zu erklären, aber man darf das auch nicht überschätzen.“
Konservative Milieus
Grundsätzlich sei es für die FPÖ und die ÖVP jedenfalls sinnvoll, sich um die migrantischen Communitys zu bemühen. „Diese Milieus sind gesellschaftspolitisch oft rechts der Mitte angesiedelt, erklärt Hofer – also für Blau und Türkis attraktiv.
„Österreicher mit Migrationshintergrund sind oft konservativ, da sie nicht wollen, dass illegale bzw. kriminelle Asylwerber das zerstören, was sie sich selbst aufgebaut haben. In dieser Bevölkerungsgruppe kenne ich niemanden, der sich von einem Kreuz diskriminiert fühlt oder sich gegen Deutschpflicht wehrt“, sagt Leonhard Wassiq, Bezirksparteichef der ÖVP Floridsdorf und jener Mann, wegen dem die FPÖ den Ausdruck „Afghanen-Mahrer“ bemühte. Wassiq ist der Sohn afghanischer Eltern. Bei der ÖVP gilt er als das Gesicht für erfolgreiche Integration.
Dass die FPÖ darauf anspielt, dass es rund um seine Ernennung zum Bezirksparteiobmann Gerüchte gab, dass er „mit Familienclans und fremdländischen Freunden“, wie die Krone damals schrieb, die Wahl manipulierte, ist für ihn „schlichtweg falsch und rassistisch, in meinem Vorstand sind ausschließlich Österreicher und am Parteitag war kein einziger Afghane“.
Auch wenn man sich gegenseitig vorwirft, sich anzubiedern, will niemand gänzlich die Wählerinnen und Wähler mit Migrationshintergrund vergrämen – immerhin gibt es in Wien rund 200.000 davon.
Im Fall der FPÖ klingt das so: Man ziehe eine Trennlinie zwischen jenen, die sich „integriert haben, fleißig arbeiten, die deutsche Sprache gelernt haben“ und den anderen. Die ÖVP versucht sich indes an einer Plakatkampagne, auf der unter anderem „Deutsch ist Pflicht. Habibi“ zu lesen ist.
Kein neues Phänomen
Neu ist das Umgarnen bestimmter Bevölkerungsgruppen jedenfalls nicht. Der ehemalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache warb einst mit „Liebe deine Nächsten“ und versah ein Inserat im Magazin Kosmo mit dem Zusatz „Für mich sind das auch gut integrierte Zuwanderer“.
Konkret wurde die serbische Community damit angesprochen. Strache, der ebenfalls händeringend um Wählerstimmen kämpft, hat sich in der Causa rund um die FPÖ auch bereits zu Wort gemeldet: „Die Anbiederung der FPÖ Wien an den politischen Islam ist unerträglich und ein Verrat an freiheitlichen Wählern“.
Roter Vorteil
Die SPÖ ist bei Wählern mit Migrationshintergrund übrigens auch keine zu vernachlässigende Größe: Bei der Wien-Wahl 2020 haben laut OGM-Institut sowohl in Serbien als auch in der Türkei geborene Österreicher mit 45 bzw. 46 Prozent öfter die SPÖ gewählt als die Gesamtbevölkerung, die mit 41,6 Prozent für die Roten votierte. Grüne, Neos und ÖVP waren schlechter angeschrieben als in der Gesamtbevölkerung, die FPÖ bei den in Serbien geborenen Österreichern leicht besser.
Trotz dieses Vorteils will Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), dass das Wahlrecht weiterhin an die österreichische Staatsbürgerschaft geknüpft bleibt, wie er am Montag betonte.
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