Wienerisch: Wo der „Gschwuf“ einen „Quiqui“ erleidet
Der Wiener Sprachliebhaber hat nicht zu viel versprochen: Das Gasthaus „Lebenstraum“ in der Brigittenau ist ein Traum für all jene, die auf die Fusion zwischen altem und heutigem Wien stehen: Die Schank beim Eingang ist noch original, die holzvertäfelten Wände ebenso.
Der Spruch an den Stammtischen auch. Nur die Wirtin mit Eltern im Kosovo und akademischer Ausbildung in Frankfurt am Main benötigt noch ein wenig Nachhilfe im „Weanerischen“ vom Brigittenauer Urgestein, dem Pädagogen Otto Luif.
Stiege 4/Tür 8
Der Lehrer im Ruhestand hat es sich schon vor längerer Zeit zu seiner Aufgabe gemacht, die Sprache seiner Mutter und seines Vaters zumindest für die nächste Generation am Leben zu erhalten.
„Aufgewachsen bin ich auf dem Brigittaplatz 9“, sagt Otto Luif. „Stiege 4/Tür 8.“ Das bedeutete in den 1950er-Jahren: ein Hausmeister, der Maschek hieß, die Kinder oft „Gfrasta“ nannte, Kinder, die alle Fußball und „Räuber und Gendarm“ spielten und, weil ihre Eltern im Gemeindebau wohnten, nicht den Funken einer Chance besaßen, nach der vierten Klasse Volksschule in ein Gymnasium zu gehen.
Immerhin lernten sie in ihrem Milieu neben Deutsch noch ein anderes Deutsch. In diesem Deutsch hieß der Liebhaber „Gschwuf“ – und zum Tod sagte man „Quiqui“.
Auf die Frage, warum er sich für die Erhaltung des Wiener Dialekts persönlich engagiert, erklärt Otto Luif, der H. C. Artmann, Helmut Qualtinger, Georg Danzer und Wolfgang Ambros als seine sprachlichen Vorbilder und geistigen Wegbegleiter bezeichnet: „Während er in der Musik eine Hochkonjunktur erlebt, reden ihn die Leute heute nur mehr selten.“
„Gstettn aus Marzipan“
Den Hinweis, dass sich die Sprache von Generation zu Generation weiterentwickelt, lässt Luif, der unter anderem auch Jugendliche mit nicht-deutscher Muttersprache in Deutsch unterrichtet hat, nur zum Teil gelten: „Wenn es stimmt, dass Sprache Wirklichkeit erzeugt, dann ist das Vergessen des Dialekts schon schade. Uns kommt dadurch die Seele abhanden.“
Während vorne am ersten Tisch einer einen Vierziger beim Schnapsen ansagt, führt Lehrer Luif im „Lebenstraum“ aus: „Die Hochsprache ist der Kopf, aber das Wienerische ist etwas anderes, das ist das Gefühl.“ Schön seien auch die Doppeldeutigkeit und der Widerspruch, wenn es etwa im Gedicht die an sich hässliche „Gstettn aus Marzipan“ gibt.
Der Wiener Musiker und Buchautor Karl Stirner hat im KURIER gemeint, dass der viel zitierte Wiener Schmäh von der Schmähung und von der Bösartigkeit abstammt. Dieser These kann sich Otto Luif nicht zur Gänze anschließen: Nur beim „gfäudn“ Schmäh würde das stimmen.
Die Sprachkurse in der Brigittenau hat der Wiener Volksbildner für Menschen kreiert, die schon länger in Wien leben. Seinen Crashkurs in der Urania empfiehlt er in erster Linie Deutschen, „die oft nicht wissen, warum sie bei uns in Wien auf die Schaufel genommen werden“.
„Dea hod’s guad“
In der Schule hätte ihm der Dialekt zumindest zu Beginn nicht geholfen, erinnert sich der Pädagoge, der zwei Jahre lang an einer islamischen Privatschule unterrichtet hat: „Meine Aufsätze waren gut, aber mit vielen Fehlern.“
Wie andere Vortragende auch baut Otto Luif den Tod fix in seine Programme ein. Der Versuch der Wiener und Wienerinnen, sich über das, was sie besonders fürchten, lustig zu machen, sorgt überall für Heiterkeit. Genüsslich erzählt der Vortragende im „Lebenstraum“, dass Trauergemeinden bei einem Begräbnis in Skandinavien bedauern, dass der eben Verstorbene dieses oder jenes nicht mehr erleben darf. In Wien heißt es dagegen nach einem „Quiqui“: „Dea hod’s guad, dea hod’s scho hinter sich.“
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