KURIER:Anders als in Österreich gilt Digitalisierung in den USA als sexy. Was kann Wien tun, um das auch zu erreichen?
Peter Hanke: Der Zugang zur Wirtschaft ist in den USA anders als in Österreich. Hier in Kalifornien ist man offener, risikoorientierter und mehr vom Fortschritt getrieben. Da sollten wir uns manche Dinge abschauen.
Sicher ist: Die Digitalisierung kommt, dazu gibt es keine Alternative. Wir müssen den Prozess so begleiten, dass jeder eine realistische Chance hat, dabei zu sein. Mir ist auch wichtig, dass die Rechte des Einzelnen beschützt werden. Neben allem Profitdenken müssen wir auf den Datenschutz pochen. Die Stadt Wien hat eine Fülle von Maßnahmen gesetzt: Wir fördern Firmen bei der Umstellung, bieten Ausbildungen oder digitalisieren Behördenwege.
Wieso passiert Digitalisierung nicht von selbst, also aus der Privatwirtschaft heraus? Wozu braucht es da die Stadt?
Nicht alle Unternehmen sind schon so weit. Die Politik muss daher Schrittmacher sein. Unsere Aufgabe ist, zu unterstützen, um die individuelle Langsamkeit zu überwinden. Ansonsten würden die Betriebe die Digitalisierung erst später angehen – und hätten einen Wettbewerbsnachteil.
Sie sind der erste Wiener Stadtrat für Digitalisierung. Das klingt schon noch etwas komisch im Ohr, oder?
Ja, es klingt ungewohnt. Aber die Bezeichnung spiegelt wider, dass Digitalisierung für mich im Fokus steht.
Das Silicon Valley kann man nicht kopieren, hieß es auf der Reise. Wie soll Wien Ihr erklärtes Ziel erreichen, zur Digitalisierungshauptstadt Europas zu werden?
Wir müssen uns auf Nischen fokussieren. Und zwar auf solche, in denen wir schon jetzt vorne dabei sind. Erstens im Kulturbereich. Streaming bietet die Chance für Wien, mit seinem Kulturcontent anders umzugehen. Mit 5G könnte man – wie beim Fußball – auch Konzerte individuell erlebbar machen: aus der hintersten Reihe oder vom Dirigentenpult.
Zweitens wollen wir bei Cybersecurity einen Schwerpunkt etablieren. Drittens bauen wir den Life-Science-Bereich weiter aus.
Netflix liebäugelt damit, nach Wien zu expandieren.
Netflix versucht, die eigenen Kosten zu optimieren – indem es Standorte aufsucht, die insbesondere bei Personalkosten Vorteile bieten. Das können wir nicht abdecken – und dazu stehen wir auch.
Wenn wir Infrastruktur schaffen – etwa in Form von zwei Studios in Simmering – wird Netflix immer wieder auch in Wien produzieren. Und andere auch.
Nutzen Sie Netflix?
Ich schaue Netflix mit meinen Kindern. Vor allem Natur-Dokus und Fischerserien. Da werden spezielle Techniken gezeigt, wie riesige Fische nur mit Muskelkraft gefangen werden können. Eine gute Ablenkung.
Gab es auf der USA-Reise Überraschungen für Sie?
Ja. Etwa, dass es in puncto Datenverarbeitung an der Westküste auch ein Umdenken gibt. Weg vom reinen Geschäfte machen. Hin zum Erkennen des Risikos, das in der Digitalisierung steckt.
Themenwechsel: Eine böse Überraschung für die SPÖ könnte die Wien-Wahl werden. Ist Ihre Partei gut genug vorbereitet?
Wir haben nicht nur eine tolle Erfolgsbilanz, sondern auch klare Pläne für die nächsten Jahrzehnte. Wir sind zu Recht in mehreren weltweiten Rankings vorne. Die Menschen wissen schon, wie lebenswert ihre Stadt ist und bleiben wird.
Das Ergebnis der SPÖ bei der Nationalratswahl war nicht berauschend.
Das war ein schmerzhaftes Ergebnis. Aber: Eine Bundeswahl ist eine Bundeswahl und eine regionale Wahl ist eine regionale Wahl.
Glauben Sie, dass erst im Herbst gewählt wird?
Wir haben in den vergangenen Jahren in der Koalition gute Arbeit geleistet. Ich gehe davon aus, dass wir das bis zum Ende durchziehen.
Nach der Nationalratswahl gab es viele Zwischenrufe aus den eigenen Reihen – allen voran von der Parteijugend. Ist das schädlich?
Wir haben eine Parteichefin, und ihr ist zu 100 Prozent Anerkennung, Respekt und Gefolgschaft zu leisten.
Gefordert wurde eine stärkere Öffnung der Partei und mehr Mitsprache für die Basis. Ein sinnvoller Weg?
Für eine Partei, die Regierungsverantwortung anstrebt, sind klare Strukturen wichtig. Ein über Jahrzehnte geführter Weg sollte daher nicht vorschnell über Bord geworfen werden.
Also braucht es keine Wahl des Vorsitzenden durch alle Mitglieder?
Wir sollten dort bleiben, wo wir uns immer wohlgefühlt haben.
Man hört parteiinterne Kritik, dass die SPÖ das Klima-Thema verschlafen und so an die Grünen verloren hat.
Für 2020 haben wir in Wien das erste Klimabudget Österreichs geschnürt. Mehr als 900 Millionen Euro sind veranschlagt. Vom Öffi-Ausbau über Baumpflanzungen bis zu thermischen Sanierungen. Das muss uns erst mal jemand nachmachen.
Peter Hanke ist seit Mai 2018, dem Amtsantritt von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), Stadtrat. Er ist zuständig für Wirtschaft, Finanzen, Digitalisierung und Internationales. Zuvor war der 55-Jährige Manager der stadteigenen Wien Holding.
Am Dienstag präsentierte Hanke die Wirtschaftsstrategie 2030. Gefördert werden sollen der Medizin- und Life-Science-Bereich, Produktion in der Stadt, internationale Unternehmen, Digitalisierung, die Kultur- und Kreativbranche sowie der Smart-City-Ansatz.
#Die Reise kaum auf Einladung der Stadt Wien zustande.
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