Wiener Polizei geht auf Migranten zu

Wiener Polizei geht auf Migranten zu
Die Exekutive will so das Vertrauen stärken. Mehrsprachigkeit ist dabei der größte Trumpf.

2010 gegründet, hat das Referat "Minderheitenkontakte" der Wiener Polizei mittlerweile alle Hände voll zu tun. Ziel ist es, ein möglichst reibungsloses Zusammenleben der diversen ethnischen Gruppen zu fördern und das Vertrauen der Bürger mit Migrationshintergrund in die Polizei zu stärken.

Leiter Alfred Schön erklärt: "Der Vertrauensaufbau ist nicht leicht. Denn die Polizei hat in vielen Herkunftsländern nicht den besten Ruf. Korruption, Schikanen und Machtdemonstrationen gehören in manchen Polizei-Apparaten zum Tagesgeschäft. Viele Migranten trauen sich nicht zu uns."

Also geht die Exekutive auf die diversen Bevölkerungsgruppen zu. Einer dieser Beamten ist Mladen Mijatovic, 31. Er flüchtete 1993 mit seiner Mutter aus Bosnien-Herzegowina nach Österreich. 2009 wurde er Polizist. Er spricht Deutsch, Englisch, Bosnisch, Kroatisch und Serbisch: "Mit Menschen in ihrer Muttersprache zu reden hilft sehr. Denn die Probleme im Leben sind nicht immer im Strafrecht zu Hause."

Drei bis vier Treffen mit verschiedenen in Wien lebenden Communitys stehen pro Woche auf dem Programm. Dabei werden Alltags-Querelen ebenso angesprochen wie ethnische Konflikte oder schwerwiegende soziale Defizite. Als erste Ansprechpartner dienen die sogenannten Heads, also Respektspersonen der Communitys.

Dank dieser Vermittlung konnte das Referat den Konflikt zwischen afghanischen und tschetschenischen Jugendlichen entschärfen. Es gab quasi eine gemeinsame Friedensverhandlung. Allerdings wurden auch die zu erwartenden Konsequenzen erörtert. Bis dato ist der Bandenkrieg beigelegt.

Wiener Polizei geht auf Migranten zu
Bei der großen Gruppe der etwa 9000 in Wien lebenden Nigerianer sind die Multikulti-Cops gerne gesehen. Deren Sprecher, Emmanuel Chukwuka war von der ersten Stunde an eine wichtige Kontaktperson: "Ich wollte den Drogenhandel unter meinen Landsleuten stoppen. Natürlich habe ich dabei mit der Polizei zusammengearbeitet. Ich sehe das nicht als Verrat, sondern als Hilfe für unsere Jugend." Gruppenleiter Schön zur Praxis: "Wir bekommen manchmal Hinweise. Und wir sind Polizisten. Verdachtsmomente werden geprüft. Weiters stehen wir in Kontakt mit Sozialarbeitern. Werden die gebraucht, dann informieren wir sie."

Gewalt in der Familie

Dieser Kontakt ist auch notwendig. Revierinspektor Mijatovic lässt hinter die Kulissen blicken: "Gewalt in der Familie ist vielen Ländern keine strafbare Handlung. Ich kenne Fälle, da war der Mann völlig überrascht, dass er in Österreich seine Frau und Kinder nicht schlagen darf. Wir klären bei unseren Veranstaltungen die Menschen auf." Diese Wertevermittlung passiert auch im Lokal Zsam Zsam in Meidling. Subaid Zidan, syrischer Chemietechniker, ist der Chef: "Die Polizei ist eine enorme Hilfe. Wir kennen jetzt die Gesetze und die Werte des Landes und wir werden sie beherzigen. Aber ist der Krieg vorbei, will ich mit meiner Familie nach Syrien zurück."

Ab und zu werden die Beamten mit einem persönlichen Erfolgserlebnis belohnt. Mladen Mijatovic erzählt lächelnd: "Kürzlich wurde ich von einem jungen Mann gefragt, wie ich es denn geschafft habe, in Österreich Polizist zu werden."

Laut Wiens Vize-Polizeipräsidenten Karl Mahrer haben aktuell etwa sieben Prozent der 7000 Wiener Polizisten Migrationshintergrund: „2007 waren es nur 0,7 Prozent. Wir sind auf dem richtigen Weg und wollen die Mehrsprachigkeit weiter forcieren.“ Trotz strenger Kriterien beim Aufnahmetest und bei der Ausbildung dürfte die Strategie aufgehen. Denn 2012 gab es offiziell 120 ausgebildete Polizisten mit Migrationshintergrund aus 30 Nationen. Aktuell sind es knapp 500. General Mahrer sieht dabei auch interne Vorteile: „So entsteht eine gewisse Vielfalt im Bezug auf Kulturen und Themen im Inneren der Polizeitruppe. Das ist ein Mehrwert.“

Bei den Multi-Kulti-Cops gibt man sich trotz großer Erfolge, etwa bei der Verbrechens-Prävention, keinen Illusionen hin: „Wir können natürlich nicht jeden Konflikt lösen. Ein Beispiel ist die Problematik Kurden versus Türken. Hier sind wir als Friedensstifter machtlos.“ Referatsleiter Alfred Schön appelliert weiters an die Politik, sich der Sprachbarriere bei Migranten verstärkt anzunehmen: „Die deutsche Sprache zu erlernen ist das Um und Auf, also das Fundament der Integration.“


Ehrliches Vertrauen Auch bei dem Punkt, noch mehr Vertrauen bei den diversen ethnischen Gruppen zu gewinnen, zeigt sich der studierte Kommunikationswissenschaftler vorsichtig: „Ehrliches Vertrauen zu schaffen, geht nicht von heute auf morgen. Wir müssen bei der Arbeit vorsichtig und sensibel sein. Denn wenn der Verdacht der Spionage oder des Denunziantentums aufkommt, dann ist alles umsonst.“

Für den Job der Kontaktbeamten ist die derzeitige Entwicklung in einigen Wiener Bezirken nicht zuträglich. Denn wenn sich Grätzel, etwa in Favoriten, in türkische Viertel verwandeln, wird Integration noch schwieriger. Man bleibt unter sich und wird nicht gefordert. „Die Menschen stellen sich dann die Frage, warum sie eigentlich die deutsche Sprache erlernen sollen.“


Kommentare