Ausgetwittert: Warum sich die Wiener Linien von X zurückzogen
Stillgelegt. Das steht auf dem Account der Wiener Linien auf der Plattform X (vormals Twitter). Am Montag gab das Unternehmen bekannt, dass es sich von dort zurückziehen werde, der KURIER berichtete. Die Begründung: „Unkontrollierte Hassrede ist mit unseren Werten nicht vereinbar“.
Doch was sind die genauen Hintergründe?
Der Zeitpunkt des Rückzugs ist überraschend, sagt Andre Wolf, Social-Media-Experte von „Mimikama- Verein zur Aufklärung von Internetmissbrauch“. Der große „Twitter-Exodus“, bei dem viele Unternehmen der Plattform den Rücken gekehrt haben, habe schließlich schon früher stattgefunden. Auslöser war die Übernahme durch Elon Musk im Jahr 2022 und die Umgestaltung von Twitter zu X. „Seither hat sich der Ton verschärft und die Beiträge sind tendenziöser geworden“, so Wolf. Die Begründung der Wiener Linien sei darum plausibel.
Schleichender Rückzug
Einen konkreten Auslöser habe es nicht gegeben, erklärt man dort auf KURIER-Anfrage. Kein bestimmtes Posting, keine spezielle Anfeindung. Vielmehr habe man sich schleichend zurückgezogen, sagt Pressesprecherin Carina Novy. In den vergangenen Woche habe man die Interaktion und die Postings immer weiterreduziert. „Aufgefallen ist das kaum jemandem“.
Anfangs sei es ein guter Kanal gewesen, um die Fahrgäste schnell über Einschränkungen zu informieren. „Inzwischen gibt es aber bessere Möglichkeiten“, sagt Novy. Auf der „Wien mobil“-App kann man sich als Nutzer zum Beispiel einrichten, dass man Push-Nachrichten für die Linien bekommt, die man häufig braucht. „Der ursprüngliche Zweck ist darum nicht mehr gegeben.“
Auch das findet Wolf nachvollziehbar. Sowohl Servicebeiträge als auch Unterhaltungsbeiträge würden auf X zunehmend die Relevanz verlieren, für viele Firmen sei die Nutzung darum nicht mehr attraktiv. Einen Kurznachrichtendienst, bei dem schnell Informationen weitergegeben werden, würde es jetzt nicht mehr geben. Alternativen zu X - wie Blue Sky oder Threads - hätten sich nicht etabliert.
Zu dem reduzierten Nutzen gesellte sich der verschärfte Umgangston dazu, heißt es bei den Wiener Linien. Es sei kaum möglich, konstruktive Diskussionen zu führen, so Novy. „Es eskaliert sehr schnell.“ Zudem auch noch schneller als auf anderen Plattformen wie Instagram oder Facebook - die Wiener Linien sind für ihre prominenten Social-Media-Accounts bekannt.
Falschinformationen
Zwar nehme man auch dort eine veränderte Stimmungslage war, aber weit weniger aggressiv als auf X. „Die anderen Plattformen steuern auch mehr“, sagt Novy. Wenn man grenzüberschreitende Kommentare meldet, würde dort öfter reagiert.
Zudem, meint Wolf, hätten es Fake Accounts und Social Bots dort leichter als auf komplexeren Plattformen wie Facebook.
Generell müsse jedes Unternehmen selber abwägen, ob man einen Mehrwert aus X ziehen könne. Eine Frage, die man sich stellen könne, sei, ob man "Menschen an eine fragwürdige Plattform binden wolle".
Aktuelle Infos zum Fahrbetrieb gibt es künftig
- unter www.wienerlinien.at/betriebsinfo
- und in der WienMobil App. Diese Infoangebote wurden in den vergangenen Jahren ausgebaut, sind stets aktuell abrufbar und erfordern keinen Account auf einer Social Media Plattform, betont das Unternehmen.
Aber: „Für Politiker ist es sicher nach wie vor ein interessantes Sprachrohr", räumt Wolf ein. "Polarisierung funktioniert auf X. "
Mit einer Vermutung wollen die Wiener Linien aufräumen. Sparmaßnahmen würden nicht hinter dem Rückzug stecken. "Bei uns im Team betreuen alle alle Plattformen", sagt Novy. "Künftig betreuen einfach alle alle Plattformen - außer X".
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