Dass es im AKH so häufig zu Intrigen und Skandalen kommt, liegt laut Experten an der komplizierten Führungsstruktur des Spitals.
Medizinische Sensationen wie die weltweit erste Zungentransplantation und Promi-Patienten von George Michael bis hin zu Niki Lauda. Dafür ist das Wiener AKH, Österreichs größtes Spital, auch international bekannt.
In den vergangenen Jahren bekam das Image der Vorzeigeklinik aber vermehrt Risse. Dafür verantwortlich sind interne Konflikte, Intrigen und Skandale, die gerade vor Spitzenmedizinern des Hauses nicht halt machen und in regelmäßigen Abständen an die Öffentlichkeit geraten. Jetzt geriet einer der prominentesten Ärzte schwer in Kritik.
Walter Klepetko, dem prominenten Chef der Uniklinik für Chirurgie, wird vorgeworfen, sich bei Lungentransplantationen für ausländische Patienten bereichert zu haben und gegen Richtlinien für Organverpflanzungen verstoßen zu haben. Klepetko bestreitet die Vorwürfe vehement.
„Wenn sie stimmen, handelt es sich um einen Mega-Skandal. Wenn es eine Intrige gegen Klepetko ist, zeigt es ein Sittenbild einer Klinik“, fasst ein Mediziner die aktuelle undurchsichtige Situation zusammen.
Kein Zufall
Für den Wiener Gesundheitsökonomen Ernest Pichlbauer, ist es kein Zufall, dass ausgerechnet das AKH immer wieder Gegenstand solcher Skandalgeschichten ist. „Es ist angesichts seiner schwierigen Führungsstruktur sogar prädestiniert dafür.“ Was er damit meint: Nach wie vor sind die Ärzte des AKH der MedUni und damit dem Bund unterstellt, das restliche Personal dem Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV), also der Stadt Wien.
Eine derart zersplitterte und damit schwache Führung würde die Herausbildung von „Regionalkaisern“ in Person der einzelnen Klinikleiter begünstigen, so Pichlbauer. „Je mächtiger sie sind, desto leichter könnten sie sich der strukturellen Kontrolle entziehen.“
Die wichtigsten Player am AKH im Überblick:
Zwar wurden vor wenigen Jahren in einem Vertrag die Kompetenzen von Bund und Stadt Wien im AKH neu geregelt – ob die Reform wirke, sei laut Pichlbauer derzeit aber noch nicht absehbar.
Problem Privatmedizin
Der Experte ortet noch einen weiteren Systemfehler im AKH, der unsaubere Praktiken fördern würde. Im internationalen Vergleich würden Uni-Professoren im AKH mit einem Endgehalt von 7.000 bis 8.000 Euro brutto relativ wenig verdienen. „Daher gibt es viele AKH-Ärzte, die ihren Professorentitel auf der goldenen Meile vergolden“, sagt Pichlbauer.
Gemeint ist damit das Gebiet rund um das AKH, wo sich zahlreiche Privatspitäler angesiedelt haben, die vielfach wie kleine Luxushotels eingerichtet sind. Hier sind zahlreiche AKH-Mediziner nebenberuflich tätig, was häufig für Vorwürfe sorgt, dass sie ihre beiden Tätigkeiten nicht ausreichend voneinander trennen. „Die Politik nimmt diese privaten Nebentätigkeiten aber hin, weil dadurch die Gehälter im öffentlichen Spital niedrig gehalten werden können.“
Ähnlich auch Wiens Patientenanwältin Sigrid Pilz: „Es hat eine lange Tradition in Wien, dass leitende AKH-Ärzte intern und extern privat arbeiten. Die Grundgehälter mancher Spitzenkräfte werden dadurch, aber auch durch Drittmittel für Forschungsprojekte vervielfacht.“

Wiens Patientenanwältin Sigrid Pilz
Laut Pilz würden von diesem System im Übrigen nicht alle AKH-Ärzte gleichermaßen profitieren: „Während in Fächern wie Pädiatrie, Psychiatrie oder Palliativmedizin so gut wie kein Geld mit Sonderklasse zu machen ist, lassen sich damit vor allem in der Chirurgie, Gynäkologie, Geburtshilfe oder Labormedizin für Einzelne beträchtliche Einkünfte erzielen“, sagt die Patientenanwältin. „Diese Ungerechtigkeit sorgt natürlich für Neid und Unzufriedenheit innerhalb der Kollegenschaft.“
Sie fordert daher klare Regeln für ärztliche Beschäftigungen: „Es ist immerhin die hohe Reputation des AKH, mit der sich privat Geld verdienen lässt. Daher sollen Sonderklasse-Patienten verpflichtend auch dort und nicht auf der goldenen Meile behandelt werden, damit von den Einnahmen auch das öffentliche Spital und die Kollegen profitieren.“
Keine Transparenz
Ein weiteres Problem ortet Pichlbauer in der Größe das AKH, in dem rund 1.500 Ärzte arbeiten – was international ein Spitzenwert ist. „Nicht umsonst setzt man weltweit auf eher kleinere Häuser, um leichter den Überblick über innere Vorgänge behalten zu können.“
Dieser fehle auch den Patienten. „Auf der Suche nach einem Arzt bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich auf Ruf der für das AKH so typischen Über-Eminenzen zu verlassen, weil hinsichtlich Ergebnisqualität völlige Intransparenz herrscht. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern werden Fallzahlen und Komplikationsraten nicht veröffentlicht. Umgekehrt ist ein Arzt in diesem System natürlich bestrebt, sich das Image eine Koryphäe aufzubauen.“
In die Zukunft des AKH blickt Pichlbauer wenig optimistisch: „Wir werden am System AKH vermutlich nichts ändern können.“

Die größten AKH-Aufreger
Manipulierte OP-Protokolle: 2018 geriet AKH-Chirurg Michael Gnant ins Schussfeld. Ihm wurde vorgeworfen, OP-Protokolle gefälscht zu haben, um seine Anwesenheit bei Operationen vorzutäuschen. Er bestreitet bis heute die Betrugsabsicht und betont über seinen Anwalt, dass niemand zu Schaden gekommen sei. Mit der MedUni erfolgte eine außergerichtliche Einigung, Gnant befindet sich in Forschungskarenz. Die strafrechtlichen Ermittlungen laufen aber noch.
Geld für neue Lunge: 40.000 Euro sollen ein AKH-Oberarzt und sein Komplize kassiert haben, um einen Patienten aus Griechenland, der eine neue Lunge benötigte, auf der Warteliste vorzureihen. Der Fall wurde ebenfalls 2018 publik. Das AKH reagierte rasch und suspendierte den Mediziner. Im März dieses Jahres kam es zu einem Strafprozess wegen Betrugs. Der Arzt wurde dabei zu 15 Monaten bedingt verurteilt, das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig.
Mobbing-Vorwürfe: Beachtliche acht Jahre lang prozessierte eine Chirurgin gegen die Wiener MedUni im AKH, weil sie sich gemobbt fühlte. Sie sei ausgegrenzt, zu anspruchsvollen Operationen nicht mehr eingeteilt und von Informationen abgeschnitten worden. Die MedUni bestritt die Vorwürfe. Letztlich entschied das Gericht im Juni dieses Jahres gegen die Chirurgin, es sei kein Mobbing festzustellen. Auch dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Korruptionsvorwürfe: Ein angeblich millionenschwerer Korruptionsskandal beschäftigte 2015 das Gericht. Drei früheren Mitarbeitern des AKH war vorgeworfen worden, bei der Vergabe von Personaldienstleistungen 2004 und 2009 jeweils ihren Wunschkandidaten durchgebracht zu haben, obwohl dieser einen deutlich höheren Preis verlangte. Die Causa sorgte über Monate für Schlagzeilen, die drei Angeklagten wurden jedoch letztlich freigesprochen.

Wir würden hier gerne eine Newsletter Anmeldung zeigen. Leider haben Sie uns hierfür keine Zustimmung gegeben. Wenn Sie diesen anzeigen wollen, stimmen sie bitte Piano Software Inc. zu.
Um diesen Artikel lesen zu können, würden wir Ihnen gerne die Anmeldung für unser Plus Abo zeigen. Leider haben Sie uns hierfür keine Zustimmung gegeben. Wenn Sie diese anzeigen wollen, stimmen sie bitte Piano Software Inc. zu.
Jederzeit und überall top-informiert
Uneingeschränkten Zugang zu allen digitalen Inhalten von KURIER sichern: Plus Inhalte, ePaper, Online-Magazine und mehr. Jetzt KURIER Digital-Abo testen.